Kinderkardiologe Fleck: „Es ist die letzte Chance“
„Leser helfen“ sammelt für die Elterninitiative „Herzklopfen“. Ziel ist ein neues Elternhaus, fast 20.000 Euro sind erreicht. Profitieren werden auch Kinder mit transplantierten neuen Herzen.
Die aktuelle Benefizaktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse unterstützt die Elterninitiative „Herzklopfen“, die ein neues Elternhaus verwirklichen möchte, von dem auch viele Ortenauer Eltern profitieren. Wie wichtig die Nähe der Eltern für ein herzkrankes Kind ist, bestätigt auch Thilo Fleck. Der habilitierte Mediziner ist Leitender Oberarzt der Klinik für angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Im Interview erklärt er, wann eine Herztransplantation notwendig ist.
Herr Fleck, welche Voraussetzungen sind nötig, damit ein Herz transplantiert werden kann?
Der Empfänger muss an einer unumkehrbaren, lebensbedrohlichen Herzerkrankung leiden, die weder medikamentös noch operativ zu heilen ist und die absehbar in Kürze zum Tod führen würde. Aber andererseits darf der restliche Körper, besonders Gehirn und Lunge, durch die vorbestehende Herzschwäche noch nicht so stark geschädigt sein, dass er sich nicht mehr erholen kann. Gleichzeitig muss auch ein passender Spender vorhanden sein.
Wie lange dauert es, bis ein „brauchbares“ Herz zur Verfügung steht?
Die durchschnittliche Wartezeit bei erwachsenen Empfängern, die mit höchster Dringlichkeit bei Eurotransplant gelistet sind, beträgt zurzeit etwa drei Monate. Unsere Kinder warten je nach Alter und Blutgruppe aber zum Teil deutlich länger auf ein passendes neues Herz. Ungefähr 20 Prozent unserer Kinder überleben die lange Wartezeit nur durch die Unterstützung mit einer künstlichen Herzpumpe.
Wie kommt das Herz nach Freiburg?
Wenn ein Herz angeboten wird, fliegt ein Herzchirurg mit seinem Team in das entsprechende Zentrum und entnimmt im Operationssaal das Organ. Traditionell wird das Spenderherz in eine Nährlösung eingelegt und auf Eis in einer Kühlbox transportiert. Neuerdings nutzen wir jedoch auch das „Organ Care System“, bei dem das Herz in einer kleinen Herzlungenmaschine mit Blut, Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wird und weiter schlagen kann, während es nach Freiburg geflogen wird.
Wie sind die Erfolgsaussichten, und wie lange „funktioniert“ ein Spenderherz?
In Freiburg überlebten bisher etwa 90 Prozent unserer Kinder die Transplantation. Durch neue Medikamente, die eine Abstoßung des neuen Herzens verhindern, sind zahlreiche transplantierte Kinder zwischenzeitlich erwachsen geworden.
Und wenn man nicht transplantieren würde?
Mehr als die Hälfte aller Kinder mit solch einer schweren Herzschwäche verstirbt unbehandelt innerhalb von fünf Jahren. Auch die Lebensqualität mit einer Herzschwäche ist durch schlechte Belastbarkeit und Luftnot katastrophal.
Braucht jedes Kind mit einem angeborenen Herzfehler eine Transplantation?
Nein! Wir sehen jährlich mehr als 2000 herzkranke Kinder in unserer Ambulanz. Davon werden gut 300 erfolgreich offen oder mit Kathetertechnik operiert und nur etwa zehn Kinder herztransplantiert. Für die allermeisten Kinder haben wir also sehr gute Alternativen anzubieten. Transplantiert wird wirklich nur, wenn mit dem eigenen Herzen gar nichts mehr geht, es ist die letzte Chance zum Überleben.
Wird der Patient nach einer gelungenen Transplantation gesund?
Die meisten Kinder haben danach eine normale, gute Lebensqualität, gehen in Schule oder Kita und sind voll körperlich belastbar. Allerdings müssen sie ein Leben lang täglich Medikamente einnehmen.
Wie lang braucht es, bis sich ein Patient nach einer Transplantation erholt hat?
Die Kinder sind nach einer erfolgreichen Transplantation etwa fünf bis sechs Wochen bei uns auf der Kinderherz-Station, bevor sie nach Hause gehen. Ein halbes Jahr nach der Herztransplantation gehen die meisten Kinder wieder in die Schule oder den Kindergarten.
Wie alt sind Ihre Patienten?
Das jüngste Kind, das bei uns transplantiert wurde, war zum Zeitpunkt der Transplantation gerade mal einen Monat alt und hat jetzt fröhlich seinen dritten Geburtstag gefeiert. Aber wir behandeln auch erwachsene Patienten mit schweren angeborenen Herzfehlern, die zum Teil nur mit einer Herzkammer geboren wurden.
Wie wichtig schätzen Sie die Arbeit der Elterninitiative „Herzklopfen“ ein?
Die Zeit vor und nach der Transplantation ist eine echte Belastungsprobe für die ganze Familie. Hier ist die Unterstützung durch unsere Elterninitiative extrem wichtig. Nicht nur die seelische Unterstützung durch erfahrene Eltern und unseren Seelsorger Jens Terjung hilft den Eltern in dieser schwierigen Phase, sondern auch die konkrete Hilfe durch die Unterbringung der Eltern und Geschwister in der Elternwohnung von „Herzklopfen“ ist existenziell.
Wie wirkt sich diese Nähe zu den kleinen Patienten konkret aus?
Eltern sind die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder, vor allem in Situationen, in denen es den Kindern nicht gut geht. Damit die Kinder sich trotzdem geborgen und sicher fühlen, ist die Nähe der Eltern sehr wichtig. Jedoch brauchen auch die Eltern ihre Ruhe und Auszeit gerade in einer Wartezeit, die Monate dauern kann. Wichtig ist auch, dass die gesunden Geschwisterkinder in dieser Zeit nicht vernachlässigt werden. Daher sind Eltern häufig hin und her gerissen und für die Hilfe durch „Herzklopfen e.V.“ sehr dankbar.
Wie viele Kinder-Herzen wurden im Universitäts-Herzzentrum Freiburg schon transplantiert?
2008 wurde bei uns ein vier Monate altes Mädchen mit schwerem Herzfehler als erster Säugling in Baden-Württemberg herztransplantiert. Diese jetzt 14 Jahre alte Jugendliche erzählt uns heute stolz, dass sie die Klassenbeste im Schulsport ist. Seither haben wir 83 Kinder in unserer Abteilung transplantiert. Jedes Jahr finden in unserer Klinik ungefähr acht bis zwölf Herztransplantationen bei Kindern statt.
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