Herzfehler: Was sich zu vor 60 Jahren geändert hat

©Christoph Breithaupt
Jedes 100. Kind kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Der von der Aktion „Leser helfen“ in diesem Jahr unterstützte Verein „Herzklopfen“ fördert auch die Kinderkardiologie.
In der Kinderkardiologie werden Kinder mit angeborenen oder erworbenen Herzerkrankungen behandelt. Katja Reineker, promovierte Oberärztin der Klinik für angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie, gibt im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse Einblicke in die Kinderherzmedizin der Freiburger Uniklinik. Die Aktion „Leser helfen“ unterstützt in diesem Jahr den Verein „Herzklopfen“.
Etwa jedes 100. Baby sei von Herzfehlern betroffen. „Noch vor 60 Jahren war ein angeborener Herzfehler oft ein Todesurteil. Kinder mit schwereren Herzfehlern starben fast alle früh oder hatten nur Aussicht auf ein kurzes und eingeschränktes Leben. Schule, Sport, Arbeit oder die Gründung einer eigenen Familie waren für viele dieser Kinder unerreichbar“, blickt sie zurück.
Um das Leben der Kinder durch intensive Forschung und Erfahrungsaustausch zu retten und zu verbessern, sei 1969 in Deutschland die „Arbeitsgemeinschaft Kinderkardiologie“ entstanden, aus der vier Jahre später die „Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie“ (DGPK) hervorging. „Da sich die Behandlung angeborener Herzfehler oft sehr von der Behandlung der erworbenen Herzerkrankungen im Erwachsenenalter unterscheidet, können Kinderärzte eine dreijährige spezialisierte Fachweiterbildung in der Kinderkardiologie machen und dann nach einer Prüfung als Kinderkardiologen arbeiten“, erklärt Katja Reineker.
Seit 1976 gibt es in der Uniklinik Freiburg eine spezialisierte kinderkardiologische Einheit, die sich kontinuierlich weiterentwickelt hat. Inzwischen habe die Klinik für angeborene Herzfehler 18 Ärztinnen und Ärzte, die gemeinsam mit den Pflegekräften sowohl die Kinderherz-Intensivstation mit sechs Betten rund um die Uhr im Schichtdienst leiten und versorgen als auch die hochspezialisierte Kinder-Herzstation mit 14 Betten. „Das ist heutzutage viel zu wenig! Leider müssen wir immer wieder Patienten abweisen oder in andere Bereiche der Kinderklinik verweisen“, berichtet die Oberärztin. „Aber mit dem weit fortgeschrittenen Neubau der Uni-Kinderklinik werden wir diese Station zum Wohle unserer Patienten und deren Familien von 14 auf 20 Betten aufstocken können. Außerdem sind wir dankbar über die enge Zusammenarbeit mit der wirklich tollen Kinderklinik in Offenburg“, betont sie.
Ambulanz in Freiburg
Das Einzugsgebiet der Kinderkardiologie reicht von den Grenzregionen der Schweiz und Frankreich weit in den Schwarzwald hinein bis nach Konstanz und im Norden etwa bis nach Karlsruhe. Im Norden überlappen sich die Einzugsbereiche mit denen der Kinderkardiologien Heidelberg, Stuttgart und Tübingen. „Da wir in Freiburg das größte Kinder-Herz-Transplantationszentrum in Baden-Württemberg sind, haben wir auch Patienten aus anderen Bundesländern“, sagt sie.
Die Patienten müssen aber nicht immer bis nach Freiburg fahren. „Wir arbeiten eng mit den Kinderkardiologen vor Ort zusammen, denn für ein krankes Kind ist es wichtig, auch einen spezialisierten Arzt wohnortnah zu haben“, so Reineker.
Neben den stationären Bereichen wird in Freiburg auch eine große Ambulanz für ihre Herzkinder betrieben. „Da gibt es zusätzlich Spezialsprechstunden für Kinder mit transplantiertem Herzen, mit Herzschrittmachern oder mit Lungenhochdruck, mit Herzmuskelentzündung und mit genetischen Erkrankungen wie zum Beispiel dem Marfan-Syndrom“, zählt sie auf. Was immer ambulant machbar sei, werde den Familien ambulant angeboten, „und das nicht nur, weil wir zu wenig Betten haben, sondern weil es für die Kinder und Eltern zu Hause am schönsten ist“, unterstreicht sie.
Aber um eine familienorientierte gute Kinderherzmedizin anzubieten, bedürfe es weit mehr als nur Ärzte und Pflegekräfte. „Wir sind ein in die Kinderklinik und in die Herzchirurgie eingebettetes Team, in dem Physiotherapeutinnen, medizinische Fachangestellte, Studienassistenten, eine Sozialarbeiterin, unser Seelsorger und die Musiktherapeutin ebenso wichtige Funktionen ausüben“, erklärt Katja Reineker. Die Klinikschule würde den Kindern, die sehr lange in der Klinik sein müssen, helfen, den Anschluss an die Klasse nicht zu verlieren.
Für die Familien sei der lange Krankenhausaufenthalt oft eine Zerreißprobe, denn natürlich soll das kranke Kind nicht alleine sein, aber die Geschwisterkinder brauchen auch ihre Eltern, sagt Reineker. „Da ist es wichtig, dass unser Elternverein „Herzklopfen“ für diese Familien mit der Elternwohnung ein „Zuhause auf Zeit“ anbietet.“ So würden die schwer betroffenen Familien nicht nur medizinische Versorgung für das kranke Kind, sondern auch emotionale Unterstützung, oft durch die Pflegenden, Ärzte und den Seelsorger, erhalten. Aber ganz wesentlich auch durch andere Eltern, die Ähnliches erlebt haben. Viele dieser Familien werden Mitglieder im Verein „Herzklopfen“ und unterstützen später selbst wieder andere Eltern. Die Aktion „Leser helfen“ unterstützt die Initiative „Herzklopfen“, die mehr Wohnmöglichkeiten schaffen möchte.
„Der Elternverein bietet auch wunderbare Möglichkeiten, sich auszutauschen, Sorgen auszusprechen oder sich unkompliziert Alltagstipps zu holen.“ Beim jährlichen Arzt-Eltern-Seminar gebe es Vorträge zu wechselnden medizinischen Themen, die Eltern können die Ärzte befragen und Bekanntschaften aus vergangenen Klinikaufenthalten auffrischen.
Auch die Kinder und die jugendlichen Patienten würden den ungezwungenen Austausch mit anderen „Herzkindern“ genießen. Ein weiteres „Highlight“ seien die vom Elternverein organisierten Jugendfreizeiten oder Aktivitäten wie die Kinderherzsportgruppe, in der herzkranke Kinder unter professioneller Anleitung und ärztlicher Überwachung ihre Belastbarkeit austesten und gemeinsam Sport treiben können. „Denn längst haben wir gelernt, dass auch für fast alle herzkranken Kinder Sport gesund ist, solange sie sich nicht überfordern.“
Dafür sammeln wir Leser-Spenden
Die Elterninitiative „Herzklopfen“ hat ein großes Ziel: Sie will das Haus in der Nähe der Kinderklinik Freiburg kaufen, in der sie bisher eine Elternwohnung eingerichtet hat, um mehr Plätze für die Eltern auf der Warteliste zu haben. Dafür bitte die Mittelbadische Presse ihre Leser um Spenden.