Ortenau

Herzfehler: Was sich zu vor 60 Jahren geändert hat

red/ah
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
14. November 2022

©Christoph Breithaupt

Jedes 100. Kind kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Der von der Aktion „Leser helfen“ in diesem Jahr unterstützte Verein „Herzklopfen“ fördert auch die Kinderkardiologie.

In der Kinderkardiologie werden Kinder mit angeborenen oder erworbenen Herzerkrankungen behandelt. Katja Reineker, promovierte Oberärztin der Klinik für angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie, gibt im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse Einblicke in die Kinderherzmedizin der Freiburger Uniklinik. Die Aktion „Leser helfen“ unterstützt in diesem Jahr den Verein „Herzklopfen“.

Etwa jedes 100. Baby sei von Herzfehlern betroffen. „Noch vor 60 Jahren war ein angeborener Herzfehler oft ein Todesurteil. Kinder mit schwereren Herzfehlern starben fast alle früh oder hatten nur Aussicht auf ein kurzes und eingeschränktes Leben. Schule, Sport, Arbeit oder die Gründung einer eigenen Familie waren für viele dieser Kinder unerreichbar“, blickt sie zurück.

Um das Leben der Kinder durch intensive Forschung und Erfahrungsaustausch zu retten und zu verbessern, sei 1969 in Deutschland die „Arbeitsgemeinschaft Kinderkardiologie“ entstanden, aus der vier Jahre später die „Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie“ (DGPK) hervorging. „Da sich die Behandlung angeborener Herzfehler oft sehr von der Behandlung der erworbenen Herzerkrankungen im Erwachsenenalter unterscheidet, können Kinderärzte eine dreijährige spezialisierte Fachweiterbildung in der Kinderkardiologie machen und dann nach einer Prüfung als Kinderkardiologen arbeiten“, erklärt Katja Reineker.

Seit 1976 gibt es in der Uniklinik Freiburg eine spezialisierte kinderkardiologische Einheit, die sich kontinuierlich weiterentwickelt hat. Inzwischen habe die Klinik für angeborene Herzfehler 18 Ärztinnen und Ärzte, die gemeinsam mit den Pflegekräften sowohl die Kinderherz-Intensivstation mit sechs Betten rund um die Uhr im Schichtdienst leiten und versorgen als auch die hochspezialisierte Kinder-Herzstation mit 14 Betten. „Das ist heutzutage viel zu wenig! Leider müssen wir immer wieder Patienten abweisen oder in andere Bereiche der Kinderklinik verweisen“, berichtet die Oberärztin. „Aber mit dem weit fortgeschrittenen Neubau der Uni-Kinderklinik werden wir diese Station zum Wohle unserer Patienten und deren Familien von 14 auf 20 Betten aufstocken können. Außerdem sind wir dankbar über die enge Zusammenarbeit mit der wirklich tollen Kinderklinik in Offenburg“, betont sie.

Ambulanz in Freiburg

Das Einzugsgebiet der Kinderkardiologie reicht von den Grenzregionen der Schweiz und Frankreich weit in den Schwarzwald hinein bis nach Konstanz und im Norden etwa bis nach Karlsruhe. Im Norden überlappen sich die Einzugsbereiche mit denen der Kinderkardiologien Heidelberg, Stuttgart und Tübingen. „Da wir in Freiburg das größte Kinder-Herz-Transplantationszentrum in Baden-Württemberg sind, haben wir auch Patienten aus anderen Bundesländern“, sagt sie.

- Anzeige -

Die Patienten müssen aber nicht immer bis nach Freiburg fahren. „Wir arbeiten eng mit den Kinderkardiologen vor Ort zusammen, denn für ein krankes Kind ist es wichtig, auch einen spezialisierten Arzt wohnortnah zu haben“, so Reineker.

Neben den stationären Bereichen wird in Freiburg auch eine große Ambulanz für ihre Herzkinder betrieben. „Da gibt es zusätzlich Spezialsprechstunden für Kinder mit transplantiertem Herzen, mit Herzschrittmachern oder mit Lungenhochdruck, mit Herzmuskelentzündung und mit genetischen Erkrankungen wie zum Beispiel dem Marfan-Syndrom“, zählt sie auf. Was immer ambulant machbar sei, werde den Familien ambulant angeboten, „und das nicht nur, weil wir zu wenig Betten haben, sondern weil es für die Kinder und Eltern zu Hause am schönsten ist“, unterstreicht sie.

Aber um eine familienorientierte gute Kinderherzmedizin anzubieten, bedürfe es weit mehr als nur Ärzte und Pflegekräfte. „Wir sind ein in die Kinderklinik und in die Herzchirurgie eingebettetes Team, in dem Physiotherapeutinnen, medizinische Fachangestellte, Studienassistenten, eine Sozialarbeiterin, unser Seelsorger und die Musiktherapeutin ebenso wichtige Funktionen ausüben“, erklärt Katja Reineker. Die Klinikschule würde den Kindern, die sehr lange in der Klinik sein müssen, helfen, den Anschluss an die Klasse nicht zu verlieren.

Für die Familien sei der lange Krankenhausaufenthalt oft eine Zerreißprobe, denn natürlich soll das kranke Kind nicht alleine sein, aber die Geschwisterkinder brauchen auch ihre Eltern, sagt Reineker. „Da ist es wichtig, dass unser Elternverein „Herzklopfen“ für diese Familien mit der Elternwohnung ein „Zuhause auf Zeit“ anbietet.“ So würden die schwer betroffenen Familien nicht nur medizinische Versorgung für das kranke Kind, sondern auch emotionale Unterstützung, oft durch die Pflegenden, Ärzte und den Seelsorger, erhalten. Aber ganz wesentlich auch durch andere Eltern, die Ähnliches erlebt haben. Viele dieser Familien werden Mitglieder im Verein „Herzklopfen“ und unterstützen später selbst wieder andere Eltern. Die Aktion „Leser helfen“ unterstützt die Initiative „Herzklopfen“, die mehr Wohnmöglichkeiten schaffen möchte.

„Der Elternverein bietet auch wunderbare Möglichkeiten, sich auszutauschen, Sorgen auszusprechen oder sich unkompliziert Alltagstipps zu holen.“ Beim jährlichen Arzt-Eltern-Seminar gebe es Vorträge zu wechselnden medizinischen Themen, die Eltern können die Ärzte befragen und Bekanntschaften aus vergangenen Klinikaufenthalten auffrischen.

Auch die Kinder und die jugendlichen Patienten würden den ungezwungenen Austausch mit anderen „Herzkindern“ genießen. Ein weiteres „Highlight“ seien die vom Elternverein organisierten Jugendfreizeiten oder Aktivitäten wie die Kinderherzsportgruppe, in der herzkranke Kinder unter professioneller Anleitung und ärztlicher Überwachung ihre Belastbarkeit austesten und gemeinsam Sport treiben können. „Denn längst haben wir gelernt, dass auch für fast alle herzkranken Kinder Sport gesund ist, solange sie sich nicht überfordern.“

Hintergrund

Dafür sammeln wir Leser-Spenden

Die Elterninitiative „Herzklopfen“ hat ein großes Ziel: Sie will das Haus in der Nähe der Kinderklinik Freiburg kaufen, in der sie bisher eine Elternwohnung eingerichtet hat, um mehr Plätze für die Eltern auf der Warteliste zu haben. Dafür bitte die Mittelbadische Presse ihre Leser um Spenden.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

vor 4 Stunden
Ortenau
Der Anteil von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben steigt im Ortenkreis. Allerdings ist der Landkreis noch mit angezogener Handbremse unterwegs: Bundesweit liegt er im hinteren Drittel.
vor 6 Stunden
Ortenau
Aus ungeklärter Ursache ist am Samstagmorgen auf der A5, zwischen Offenburg und Appenweier, ein unbeladener Lastwagen in Brand geraten.
Ein gekipptes Fenster ist für Einbrecher ein offenes Fenster. Die Polizei rät, wie man sich in der dunklen Jahreshälfte vor Wohnungseinbrüchen schützt.
vor 10 Stunden
Wohnungseinbrüche steigen nach Corona im Kreis wieder an
Nach Corona gibt es wieder mehr Wohnungseinbrüche in der Ortenau. "Spitzenreiter" des vergangenen Jahres ist Kehl. Aber das war nicht immer so.
08.12.2023
Offenburg
In der Nacht auf Donnerstag ist es zu einem Diebstahl eines Oldtimers in der Burdastraße in Offenburg gekommen. Die Polizei hofft nun auf Zeugenhinweise.
In Seelbach entsteht eine Flüchtlingsunterkunft, die Platz für 50 Menschen bieten soll.
08.12.2023
Ortenau
Die Gemeinde Seelbach ist dem Aufruf des Ortenaukreises gefolgt und stellt eine Freifläche für eine Container-Anlage zur Verfügung. Sie soll Platz für rund 50 Menschen bieten.
Mit einer Schreckschusswaffe sollen die Täter ihren Opfern gedroht haben.
08.12.2023
"Mach Stress, mach Stress"
Wegen mehrerer Raubüberfälle stehen zwei junge Männer vor dem Landgericht Offenburg. Sie sollen in Lahr Passanten überfallen und auf ein Opfer geschossen haben.
Hat immer gut gelaunte Fahrgäste: Peter Bartsch von Rist Reisen chauffiert im Rust-Bus Ruster und Europa-Park-Besucher kostenlos zum Einkaufen oder in den Freizeitpark.⇒Foto: Faruk Ünver
07.12.2023
Ortenau
Ein Jahr Vorlauf, ein Jahr Testbetrieb: In Windeseile haben Rust und der Europa-Park den Rust-Bus etabliert. Auf Anhieb nutzten 100.000 Personen die kostenlose Fahrt zu elf Haltestellen im Ort.
Er will vor allem das klassische Tischspiel wieder stärken – und damit der Online-Konkurrenz die Stirn bieten: Tobias Wald hat sein Mandat als CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Baden-Baden/Bühl niedergelegt und ist seit 1. Dezember Chef der Landesspielbanken.
07.12.2023
Neues Spiel, neues Glück
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte haben Casinos rote Zahlen geschrieben. Mit Tobias Wald, dem neuen Chef der Spielbanken im Land, haben wir über Online-Konkurrenz, Mitarbeiterführung und seinen Rückzug aus der Landespolitik gesprochen.
Vergewaltigungsprozess: Der Angeklagte wird freigesprochen, Petra N. verzweifelt am Rechtssystem, symbolisiert beispielsweise durch die Justitia auf dem Historischen Offenburger Rathaus.
07.12.2023
"Ich fühlte mich wie eine Witzfigur"
„Leser helfen“ unterstützt den Verein „Aufschrei“ gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Erwachsenen. Petra N. zeigte ihren Peiniger an und verlor den Prozess. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
In der Flüchtlingsunterkunft "Am Sägeteich" in Offenburg brannte es Ende September. Deshalb erhielt der Kreis für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge einen Aufschub. Eine Woche nach dem Feuer konnten die Flüchtlinge in die Unterkunft zurück.
06.12.2023
Ortenau
Der Strom reißt nicht ab: 1849 Menschen aus anderen Ländern fanden bis Ende Oktober den Weg in die Ortenau. Der Kreis hat mittleweile ein Platzproblem.
Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts fehlen im Land 3000 Poolärzte. Das hat Auswirkungen auf den Kreis.
06.12.2023
Ortenau
Seit sechs Wochen befindet sich der ärztliche Notdienst selbst im Krisenmodus. 3000 Poolärzte fehlen. Ein Offenburger Arzt sagt, das ganze System des Notfalldienstes müsse reformiert werden.
06.12.2023
Mahlberg - Orschweier
Nachdem Dienstagnacht im Bahnhof Orschweier ein Kran mitsamt Fahrer auf die Gleise der Rheintalbahn gestürzt ist, war die Stracke zirka zwei Stunden lang gesperrt. Der Kranfahrer soll sich dabei leichte Verletzungen zugezogen haben.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Die Firmenleitung von Stinus (v.l.): Ferdinand Weber, Jürgen Knapp und Christian Schoenenberg. 
    06.12.2023
    "Wer gut geht, dem geht es gut" – Stinus sorgt dafür
    Gegründet im Jahr 1905 ist die Stinus Orthopädie GmbH heute zum Unternehmen mit 85 Beschäftigten an sieben Standorten angewachsen. Der klassische Komplettbetrieb wird von der fünften Generation weitergeführt.
  • Das Stadtquartier Rée Carré bietet viele verschiedene Aktionen in der Adventszeit an.
    25.11.2023
    Offenburg: Aktionen und Events im Stadtquartier
    In der Adventszeit pflegt das Rée Carré lieb gewonnene Traditionen. Das Stadtquartier erstrahlt im Lichterglanz und bietet neben Glühwein und den vertrauten vorweihnachtlichen Düften ganz besondere Events, um die besinnliche Zeit zu begehen.
  • Petro Müller, Inhaber des Autohauses Baral in Lahr (rechts), und sein Sohn Gerrit suchen noch einen Mechatroniker, um das Team zu verstärken. 
    21.11.2023
    Im Suzuki-Autohaus Baral wächst die nächste Generation heran
    Das Suzuki-Autohaus Baral in Lahr hat sich auf Kleinwagen – neu und gebraucht - spezialisiert. Inhaber Petro Müller und sein Team setzen auf Beratung und Meisterservice in der Werkstatt.
  • Sie halten die Tradition des Bierbrauens hoch im Brauwerk (von links): Der neue Betriebsleiter und Braumeister Martin Schmitt, Geschäftsführer Oliver Braun, Ulrich Nauhauser, der ausgeschiedene Betriebsleiter und Braumeister, sowie Rick Pfeffer, der neue Braumeister.
    21.11.2023
    Brauwerk Baden: Immer am Puls der Zeit
    Die alte und neue Generation der Braumeister des Brauwerks Baden bieten den Kunden neben traditioneller Braukunst auch nachhaltige Ideen und neue Trends.