Herzfehler: Wieso eine Elternwohnung bei der Klinik so wichtig ist

Familie Schüle hat in der Elternwohnung der Initiative Herzklopfen gewohnt, während Sohn Tino in der Klinik in Freiburg war. Es tue "unglaublich gut", sich im temporären Zuhause kurz hinlegen und entspannen zu können, berichten die Eltern. ⇒Foto: Familie Schüle ©Familie Schüle
Während ihr Sohn Tino in der Klinik war, wohnten Anne und Edgar Schüle in der Elternwohnung der Initiative Herzklopfen. Die Aktion "Leser helfen" unterstützt die Arbeit der Initiative, die die Eltern als "enorm wichtig" bezeichnen.
Die Aktion "Leser Helfen" der Mittelbadischen Presse unterstützt in diesem Jahr die Elterninitiative "Herzklopfen", die neue Wohnmöglichkeiten schaffen möchte, um Eltern und Familien ein Zuhause auf Zeit zu geben. Die Spenden sind für die Unterbringung von Eltern in der Nähe ihrer herzkranken Kinder gedacht. Anne und Edgar Schüle aus Gaggenau wohnten schon in der Elternwohnung der Initiative, als ihr Sohn Tino auf der Intensivstation lag, und berichten von ihren Erfahrungen.
Bereits in der zwölften Schwangerschaftswoche erfuhren Anne und Edgar Schüle, dass mit dem Herzen ihres Babys etwas nicht stimmt. "Die Schwangerschaft war voll von Ängsten und Bangen. Andererseits war sie auch eine wichtige mentale Vorbereitung auf das was später kommen sollte", berichtet Anne Schüle.
Um die bestmögliche medizinische Betreuung zu haben, wurde ihr Sohn Tino direkt in der Uniklinik entbunden. "Er bekam sofort ein Medikament, das den Blutkreislauf wie in der Schwangerschaft erhält und verhinderte, dass der Ductus zuwächst", beschreibt die Mutter. Bereits nach einer Woche erhielt Tino im Rahmen eines Herzkathertereingriffs einen Stent. "Damals waren wir zwei Wochen in der Klinik."
Tino leidet an einer ccTGA, einer kongenital korrigierten Transposition der großen Gefäße, was bedeutet, dass die Vorhöfe nicht zur Herzkammer passen. "Das ist ein relativ seltener, angeborener Herzfehler, der allerdings häufig kombiniert mit anderen Herzfehlern auftritt", erklärt Vater Edgar Schüle. Zudem habe Tino ein Loch im Herz (Ventrikelseptumdefekt) und einen fehlenden Lungenanschluss (Pulmonalatresie).
Mehrere Komplikationen
Mehrere Herzkathetereingriffe in der Uniklinik folgten in Tinos erstem Lebensjahr, was jedesmal eine Aufenthaltsdauer von drei bis fünf Tagen mit sich brachte. "Seine Sauerstoffsättigung war schlecht und sie musste auch zu Hause überwacht werden", so der Vater. Zu seinem ersten Geburtstag stand die große Herzoperation an, eine 12-stündige Korrektur-OP. Darauf folgten rund drei Monate Krankenhausaufenthalt, davon fast neun Wochen auf Intensiv. Das sei für die Eltern die schlimmste und kräfteraubendste Zeit gewesen. "Es gab mehrere Komplikationen und wir sind sehr froh, dass es letztlich gut ausgegangen ist", verdeutlicht Edgar Schüle.
Bei dieser Operation wurde das Herz des Jungen korrigiert, indem die Vorhöfe nach Senning "geswitcht", eine künstliche Anbindung an die Lunge geschaffen und im nachhinein zwei weitere Stents gesetzt wurden, um optimale Flüsse und Durchmesser in den Blutgefäßen zu erhalten, erklären die Eltern.
Die Zeit während Tino auf Intensiv lag, waren Anne und Edgar Schüle in der "Herzklopfen"-Wohnung untergebracht. "Sie ist einfach Gold wert", stimmen beide überein. Die Lage sei perfekt, da sie ganz nah zur Intensivstation und Kinderklinik für angeborene Herzfehler liege.
Es würde "unglaublich gut tun", wenn man sich mal kurz im temporären Zuhause hinlegen und entspannen könne. "Sobald ein Anruf der Ärzte kommt, ist man auch innerhalb von fünf Minuten wieder beim Kind", berichtet Anne Schüle. Die gemütlich eingerichteten Zimmer würden ein Gefühl von Zuhause und Alltag geben. "Man kann sich dort etwas zum Essen zubereiten, in Ruhe duschen, im Garten sitzen und Kraft tanken", erzählen sie. "Der Ort erinnert einen nicht direkt an die Klinik, im Gegensatz zum Warten im Flurbereich der Intensivstation", vergleicht die Mutter.
"Glückliches Kind"
Inzwischen ist Tino vier Jahre alt und "ein sehr glückliches und tolles Kind". Aktuell muss Tino regelmäßig seine Medizin nehmen und kann ansonsten ganz normal einen Kindergarten besuchen. Die Familie hat sich vergrößert. Tinos kleiner Bruder Liam ist zwei Jahre alt und gesund. "Natürlich machen wir uns mehr Sorgen um Tino. Ein grippaler Infekt kann für ihn sehr belastend sein", sagen die Eltern. "Ich weiß nicht, ob generell ein Kind zu haben, dass Sorgenspektrum massiv erweitert. Aber klar schlummert eine besondere Angst um das Leben von Tino in einem. Daher schätzen wir jeden Tag, an dem es ihm gut geht, als ein Geschenk des Lebens", erklärt der Vater und Anne Schüle ergänzt, wie schön es sei, sich in der Partnerschaft mit ihrem Mann als Ruhepol und sie mit ihrer Muttervorsicht "bedingungslos zu unterstützen und perfekt zu ergänzen".
"Enorm wichtig und ganz arg wertvoll" sei da auch die Elterninitiative "Herzklopfen". Mit einem chronisch kranken Kind zu leben, stelle einen vor viele Herausforderungen. "Da ist es toll, jemanden zum Reden zu haben, der genau versteht, wo die Probleme liegen, Gefühle nachempfinden kann und auch beratend zur Seite steht. Kein Freund kann dies in der Art leisten, weil es eine extreme Ausnahmesituation ist", betonen die Eltern.
Deshalb sei auch die Aktion "Leser helfen" der Mittelbadischen Presse so wichtig. "Es wäre so verdammt schade, wenn das Elternhaus verkauft wird und nicht mehr für Familien in dieser Zeit des Wartens, Hoffens und Bangens zur Verfügung stehen kann", sagt Anne Schüle.
Sie und ihr Mann gehen sehr offen mit der Krankheit ihres Sohnes um. "Es ist wichtig aufzuklären und Verständnis dafür zu wecken", so der Vater. Beide hoffen, dass ihr Sohn "mit seinem besonderen Herzen ganz viel Liebe und Integration erfährt".
Dafür sammeln wir Leser-Spenden
Die Elterninitiative „Herzklopfen“ hat ein großes Ziel: Sie will das Haus in der Nähe der Kinderklinik Freiburg kaufen, in der sie bisher eine Elternwohnung eingerichtet hat, um mehr Plätze für die Eltern auf der Warteliste zu haben.
Dafür bitte die Mittelbadische Presse ihre Leser um Spenden.