Japaner kommen nach Alaska: Züchter Reinhard Benz im Portrait

(Bild 1/2) Tattoo im Ohr statt Namen: Mit dieser Kennzeichnung kann Züchter Reinhard Benz seine Tiere besser auseinanderhalten – denn pro Jahr züchtet er rund 200 Kaninchen. ©Faruk Ünver
Die Familie von Reinhard Benz züchtet seit über 70 Jahren Kaninchen. Der Berghauptener hat einen besonderen Erfolg erreicht und führt die „Alaska-Champions-League“ an.
Nachhaltigkeit ist für einen guten Zimmermann Ehrensache. Und die Maßstäbe, die Reinhard Benz aus Berghaupten beruflich anlegt, zählen auch beim Hobby. Mit der Zucht „seiner“ Alaska hat er schon so manchen Titel abgeräumt und ist seit Jahrzehnten am Ball – jetzt führt er die Liste der Alaska-Champions-Leage an. In dieser Königsklasse Nummer eins zu sein, weist auf langjährige Top-Ergebnisse hin. Denn: „Die Punkte werden über zehn Jahre zusammengezählt.“
Mit einem Punkt Vorsprung kam er in der heiß umkämpften Disziplin auf Rang eins: „Alaska sind beliebt, die Konkurrenz ist groß, bei einer Schau können schon mal 800 Exemplare ausgestellt sein.“ Aber ihn fasziniert diese zutrauliche Rasse, der blockige Körperbau, das tiefschwarze Fell, der große Kopf. Ob da alle Merkmale stimmen, überprüft die Jury bei der Ausstellung akribisch und vergibt entsprechende Punkte. Dafür werden die Ausstellungstiere hübsch gemacht.
Intensive Wettbewerbsvorbereitung
„Meine Frau Ulrike hilft dabei“, sagt Reinhard Benz dankbar. Denn zwei Stunden muss man vor einer Schau pro Tier einplanen, um nochmals zu bürsten, die Krallen zu kürzen, die Öhrchen zu säubern und zu untersuchen, ob nicht doch irgendwo ein weißes Haar sprießt, das notfalls gezupft werden muss. „Färben ist verboten“, sagt der langjährige Zuchtwart. Da seien schon Mitbewerber aufgeflogen „und für zwei Jahre gesperrt worden“.
Zudem soll der Hase sitzen und nicht liegen, wenn die Jury ihn begutachtet. Doch üben lässt sich der Auftritt auf dem Richtertisch kaum. Im Gegensatz zum Hund kann man den Mümmelmann nicht trainieren. „Der richtige Sitz ist reine Genetik“, sagt der Vorsitzende des Kleintierzuchtvereins C534 Berghaupten.
Je rund 200 Kilogramm Petersilien- und Dillstengel verfüttert er pro Jahr an seine Tiere, dazu 300 Kleinballen Heu. Wenn es noch ein Extra für die Hasentiere geben soll, die ihr Besitzer durch die Tattoos im Ohr unterscheidet, sind das Weiden-zweige und Fenchel. „Insbesondere am Anfang haben Kaninchen einen sehr empfindlichen Darm, da helfen die Pflanzen beim Aufbau“, sagt er.
Kaum eine Tierart, für die sich Reinhard Benz nicht interessiert. Im Garten steht eine Voliere mit einem Pärchen blauer Sittiche, und Koi-Karpfen springen übers Wasser im Bassin, wenn man ihnen Futter hineinwirft. Auch Hühner hält er und pflegt zudem einen Fischweiher mit Forellen. Nur die Bienen hat der Tierzüchter inzwischen aufgegeben.
Lieblinge seit Kindertagen sind aber die Kaninchen: Wenn er seine Schützlinge im Stall besucht, kann er abschalten. Als Selbstständiger geht die Arbeit nie aus. Doch da die Tiere versorgt werden müssen, ist er gezwungen, abends einen Gang herunterzuschalten und sich um sie zu kümmern. Täglich.
Den Durchbruch zum großen Erfolg habe der Bau des Eigenheims mit dem erweiterten Platzangebot für die Stallungen gebracht, ist sich Ehefrau Ulrike Benz sicher. Sie ist über Hilfe vor allem für den Verein froh. Sie verarbeitet nicht nur die Kaninchenfelle, sondern steht bei den Vereinsfesten auch am Herd. Ob „Hase“ oder Sauerbraten wie nächste Woche bei der Vereinsausstellung am 10. September – Ulrike Benz und ihr Team versorgen die Gäste.
Die Anfänge der Zucht
200 Junge fallen beim Züchter inzwischen pro Jahr an. Das erlaubt ihm, immer mit den schönsten Exemplaren weiter zu züchten. Die Tiere werden auch gegessen. „Den Speiseplan zu erweitern war mit der Ursprung der Zucht, mit der mein Vater 1950 nach dem Krieg begann“, erinnert sich Reinhard Benz. Der 91-jährige Senior pflegt sein Hobby weiterhin, auch der Bruder hält Kaninchen, die beiden Töchter von Reinhard Benz erreichten im Hobby Erfolge, wovon Urkunden und Pokale in der Kellerbar zeugen.
Inzwischen ist Enkelin Luna dabei, züchtet schon lange „Häschen“ für sich und andere Kinder, bei denen es nur auf den Kuschelfaktor ankommt. „Sie geht mittlerweile auch mit auf Ausstellungen“, ist der Opa stolz. Die Zucht sei einfach Familiensache. Er freut sich, dass er sein Wissen an die Elfjährige weitergeben kann. Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis sich das Kind daranmachen wird, ein super akribisches Zuchtbuch zu führen.
„Das habe ich selbst mit 18 noch nicht gemacht“, winkt er ab. Als Erinnerung bleibt, dass man das lose notiert habe, doch heute sei die Zeit eine andere: Die Stammbäume füllen Bücher, die über zig Kaninchengenerationen zurückgehen und bei Reinhard Benz annähernd 40 Menschenjahre umfassen.
Wenn dann plötzlich ein schwarzer Alaska mit weißem Pfötchen geboren wird, beginnt für ihn die Detektivarbeit. Wer hat das vererbt – und vor allem: Was ist zu tun, um das wieder wegzubekommen?
Reinhard Benz ist einer, der die Dinge voranbringen möchte. Es soll zum Erfolg führen, wenn er etwas anpackt, beruflich wie privat. Ob die Twin-Towers in Berghaupten oder der Löschweiher auf dem Kirchengelände: Er geht es an. Mit seinen Zuchterfolgen ist er zufrieden.
Vor allem hat er sich mit einem abgefunden: „Es ist ein Nachteil, wenn der Nachname weit vorne im Alphabet liegt.“ Wenn die Preisrichter sich die ersten Exemplare ansehen, vergeben sie zunächst vorsichtig Punkte – wer weiß schon, ob nicht noch etwas Besseres kommt. Da musste er sich schon einmal um einen halben Punkt geschlagen geben, erinnert er sich lachend.
Ungewisse Zukunft der Vereine
„Im kommenden Jahr feiert unser Verein das 100-jährige Bestehen“, kündigt Benz ein großes Fest an. Von den 120 Mitgliedern seien knapp 20 im Kleintierzuchtverein C534 Berghaupten noch aktiv. Das gehe noch, andere Ortsgruppen hätten schon fusioniert, um das Vereinsleben aufrechterhalten zu können. Besonders optimistisch schaut auch der Berghauptener Vorsitzende nicht in die Zukunft: Er spricht sich beispielsweise für eine Fusion der fünf Ortenau-Vereine zu einem Kreisverein aus.
Die Vereine hätten es schwer, die Kleintierzüchter noch schwerer. „Heute will sich niemand mehr diese Arbeit aufhalsen“, sagt er. Jeder Urlaub werfe Probleme auf, weil die Tiere weiter versorgt werden müssten. Sich ständig verändernde Tierschutzverordnungen stellten die Vereinsmitglieder mitunter vor Herausforderungen, hinzu komme zunehmendes Unverständnis gegen „ortsüblichen Lärm, verursacht durch krähende Hähne“. Manche besitzen die Nerven, sich mit den Nachbarn notfalls vor Gericht auseinanderzusetzen, andere hängen ihr Hobby an den Nagel.
Daran denkt Reinhard Benz nicht. In ungefähr drei Jahren will er die Firma an Tochter und Schwiegersohn übergeben. Dann hat er Zeit. Fürs Ställe bauen. Für die Fische. Fürs Geflügel züchten. Für neue Erfolge. Nach Alaska kommen die Japaner.
Zur Person
Reinhard Benz, am 26. Juni 1959 als Sohn von Erich und Elfriede Benz geboren, wuchs mit zwei Geschwistern auf. 1974 erlernte er den Beruf des Zimmerers, 1995 gründete er die Zimmerei Benz. Bereits 1968 stieg er als Jugendzüchter ein, Vorbild war der Vater. Aus seiner Ehe mit Ulrike, die der Metzgerei Joggerst entstammt, hat er zwei Töchter.
Er engagierte sich 20 Jahre als Zuchtwart und zehn Jahre als stellvertretender Vorsitzender des C534 Berghaupten, dessen Vorsitzender er seit 2008 ist. Zudem gehört er den Kleintierzuchtvereinen Biberach, Nordrach-Zell, Salem und Zunsweier sowie dem österreichischen Partnerverein in Dornbirn an. Er ist Mitglied im örtlichen Gesangsverein, Sportverein und dem Motorsportverein Berghaupten sowie bei Bergwerk Berghaupten. Er spielte Fußball und bestellte als E-Jugendlicher Schalke-Trikots. Als Schalke-Fan führt er damals wie heute Diskussionen mit dem Papa, einem Bayern-Fan.