Kork ist weltweit vernetzt
Der Ärztliche Direktor des Epilepsiezentrums Kork, Bernhard Steinhoff, baute die Studienabteilung auf und gibt Einblicke. Diese ist längst etabliert. Der habilitierte Mediziner und sein Team genießen nationale und internationale Anerkennung auf dem Gebiet der Epilepsie. Mit der Aktion „Leser Helfen“ soll die Kinder- und Jugendklinik im Epilepsiezentrum unterstützt werden.
„Epilepsien und epileptische Anfälle sind so alt wie die Menschheit. Jedes Lebewesen mit einem Großhirn kann epileptische Anfälle erleiden“, erklärt Bernhard Steinhoff. Hunde etwa hätten deutlich häufiger Epilepsien als Menschen. Die Häufigkeit bei Menschen liegt bei rund 600 000 Epilepsiepatienten in Deutschland. „Schon Hippokrates, auf dessen Schriften der Begriff Epilepsie zurückgeht, hat die Erkrankung als eine organische Hirnerkrankung aufgefasst“, wirft der Professor einen Blick in die Geschichte. Die ernsthafte Erforschung hinsichtlich Verständnis, Diagnostik und Therapie habe im späten 18. Jahrhundert begonnen. Auf das erste wirksame Medikament (Brom) sei erstmals 1857 aufmerksam gemacht worden.
In Zusammenarbeit
Klinische Therapiestudien würden sich vor allem mit der Erprobung neuer Wirkstoffe beschäftigen und diese in Entwicklung befindlichen Medikamente vor der Zulassung hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht. „Die Durchführung solcher Studien ist unverzichtbar für ein Epilepsiezentrum. Wir waren an vielen Studien beteiligt und haben so dazu beigetragen, dass neue Therapieoptionen auf den Markt kommen konnten oder auch andere aufgrund von Studienergebnissen eben in der Entwicklung scheiterten“, beschreibt der Mediziner. Therapiestudien seien heute zurecht extrem aufwendig. „Sie werden meist multizentrisch und international betrieben. Voraussetzungen sind ein standardisiertes Aufklärungsprocedere, Studienprotokoll und Ethikantrag bei der zuständigen Ethikkommission.“ In Steinhoffs Fall die Universität Freiburg, weil er dort eine außerplanmäßige Professur für Neurologie und klinische Neurophysiologie innehat.
„Unsere Studienerfahrungen setzen uns in die Lage, unsere Patienten sehr viel besser behandeln zu können, weil wir ein neues, marktzugelassenes Medikament sehr genau hinsichtlich seiner Stärken und Schwächen kennen.“
Neben Medikamentenstudien werden auch Studien zu Stimulationsmethoden gemacht. Aktuell eine zur Zuverlässigkeit eines Anfallserkennungssystems zur Verbesserung der Patientensicherheit.
„Wenn eine neue Studie beginnt, überprüfen wir gewissenhaft, ob bestimmte Patienten die Ein- und Ausschlusskriterien erfüllen und bieten dann eine Teilnahme an. Viele unserer Patienten leiden an schwer behandelbaren Epilepsien. Viele sind gerne bereit, aktiv daran mitzuwirken, bessere Therapiemöglichkeiten zu erforschen und zu entwickeln. Ohne solche Teilnehmer wären die aktuell erstrangig eingesetzten Medikamente heute immer noch nicht verfügbar“, berichtet Steinhoff.
Professionelles Team
Als Steinhoff im Jahr 2000 nach Kork kam, habe er daher sehr rasch versucht, eine Studienabteilung aufzubauen. „Heutzutage kann man solche Studien nicht mehr „nebenher“ betreiben. Benötigt wird ein hochspezialisiertes, professionelles und gezielt geschultes Team aus Ärzten und study nurses, um den extrem aufwendigen Anforderungen moderner Studien gerecht werden zu können“, sagt er. Zu seinen wichtigsten Mitarbeitern gehören der Mediziner Tassanai Intravooth, die „study nurses“ Gerlinde Bodamer und Alexandra Lipp sowie einige Doktoranden und Mitarbeiter des Epilepsiezentrums.
Ohne Vernetzung verschiedener Forschungsstandorte sei moderne Wissenschaft kaum denkbar. „Wir in Kork repräsentieren natürlich den klinischen Part. Wir haben seit Jahrzehnten einen großen und festen Stamm von Epilepsiepatienten jeglichen Alters mit einer riesigen Variabilität der vorliegenden Syndrome.“ Vernetzt ist Kork mit Epilepsiezentren und Epileptologen auf der ganzen Welt, aber auch mit Grundlagenwissenschaftlern, Genetikern, Informatikern, Ingenieuren und vielen mehr.
Aktuell gebe es Studien zum Einfluss der Covid-19-Pandemie und der Impfungen auf Epilepsiepatienten. Außerdem zur familiären Häufung von Epilepsien, dem genetischen Risiko und der Langzeitprognose der Kinder von Patienten.
Zahlreiche Erfolge konnte Bernhard Steinhoff bereits national und international verbuchen. Dies durch seine vielen Publikationen und Vorträge auf wissenschaftlichen Kongressen sowie die Auszeichnung mit dem Alfred-Hauptmann-Preis, dem wichtigsten epileptologischen Wissenschaftspreis im deutschsprachigen Raum.
„Es gibt unglaublich viele Dinge, die ich neu oder weiter erforschen möchte“, blickt der Mediziner voraus. Die Belastungen durch die anderen Tätigkeiten als ärztlicher Direktor und Chefarzt seien natürlich ebenso wichtig und definitiv zeitaufwendig. Er ist sich aber sicher, dass er und sein Team aktiv daran mitarbeiten, die Diagnostik und Therapie von Epilepsien weiter erheblich zu verbessern.
„Ich träume davon, eines Tages dazu beigetragen zu haben, dass wir in der Lage sind, aufgrund eines individuellen Biomarkerprofils jedes Patienten, die bestmögliche und maßgeschneiderte Behandlung identifizieren und anbieten zu können. Ich würde mir außerdem wünschen, dass einer Klinik wie dem Epilepsiezentrum wesentlich bessere Finanz- und Personalmittel zur Verfügung stünden, um auch unserem Forschungsauftrag besser nachkommen zu können, den ich persönlich definitiv sehe.“