Krötenwanderung am Lahrer Hohbergsee
Zur Laichzeit haben Erdkrötenmännchen nicht nur das Problem, eine Partnerin zu finden – auch ist der Weg zu ihren Laichgewässern für die liebestollen Amphibien mitunter lebensgefährlich. Gut, wenn sie, wie etwa am Hohbergsee, menschliche Unterstützung erhalten.
Es klingt wie das Quietscheentchen im Bad. Etwas zarter vielleicht, aber unermüdlich. Auf die letzten Meter sollte es noch klappen mit dem Liebeswerben, sonst ist das Krötenmännchen umsonst den ganzen Weg gelaufen – zwei bis drei Kilometer bis zum Hohbergsee, wo er gerne seine Gene weitergeben möchte. Viele andere reisen da bequemer: Sie haben sich bereits ein Weibchen gesichert, an dem sie sich festklammern. Huckepack hat das viel größere Weibchen seinen Kavalier mit zum See gebracht. Für ihn war unterwegs nur eines wichtig: starke Arme und ein fester Tritt. Mit dem konnten die Nebenbuhler abgewehrt werden, die überall lauern.
»Auf ein Weibchen kommen etwa drei Männchen«, sagt Tanja Frey. So mancher wird also Single bleiben in dieser Saison, die die Helfer des Naturschutzbunds (Nabu) als gut bezeichnen. Schätzungsweise 15 000 Erdkröten haben sich auf den Weg zu ihrem Geburtsgewässer gemacht – somit ist das Lahrer Völkchen eine der größten Krötenpopula-tionen Südbadens.
Frey war früher schon dabei, als Schülerin. »Mit dem Rad musste ich morgens Slalom fahren«, erinnert sie sich. Wenn es nur genutzt hätte – die Kröten waren schon plattgefahren. Also half sie, die Tiere abzusammeln und in Sicherheit zu bringen.
Heute funktioniert das an den meisten Stellen komfortabler: Seit den 1990er-Jahren gibt es im südlichen Bereich des Hohbergsees ein Wegenetz für die liebestollen Amphibien. Vom Wald her, wo die Tiere normalerweise leben und Insekten wie Würmer fressen, schirmen Zäune die Straße ab.
Wer an ihm entlangpilgert, wird in einen Schacht geleitet. Auch durch ihre Abdeckgitter klingt der Quietscheentchen-Sound. »Anfangs hat das wohlmeinende Menschen dazu verleitet, die vermeintlich abgestürzten Tiere zu befreien«, erinnert sich Frey. Aufklärung tat not, inzwischen haben die Krabbler ihre Ruhe, bis sie irgendwann den Durchgang finden. Der feuchte Betonkanal ist die letzte Hürde – Frey ist zufrieden, im Dämmerlicht machen sich die »Gespanne« und die Soloherren auf die letzte Etappe. Dann muss man nur noch unter dem Maschendrahtzaun hindurch.
Im Wasser sind die Tiere nicht nur sicher, sondern auch in ihrem Element, sobald sie aus dem Eimer entlassen werden. Platsch – blitzschnell schwimmt das Pärchen davon. »Laichdruck« sagt Sammlerin Frey, es war zu lange kalt, rund 14 Tage länger als sonst tragen die großen Weibchen die glasklaren Eier mit sich herum. »Wir haben schon befürchtet, dass es den Tieren aufgrund des warmen Winters und des kühlen Frühjahrs nicht gut geht.«
Ganz weich und samtig fühlen sich die Kröten an. Frey verfrachtet eine weitere in ihren gelben Eimer. Mit der bloßen Hand. »Sie sind schon schleimig«, meint Evelyn Welz. Je feuchter das Wetter, umso glitschiger werden die Tiere. Deshalb trug Michael Reckenfelderbäumer viele Jahre Handschuhe bei seinem Einsatz, den er seit seiner Nabu-Jugendzeit leistet. Inzwischen greift der 23-Jährige beherzt zu, wenn eine Kröte im Schein seiner Taschenlampe auftaucht. »Natürlich wird man manchmal belächelt«, sagt er. »Aber die Tiere sind nun mal auf Hilfe angewiesen.« Er konnte nun die gleichaltrige Welz für den Einsatz begeistern. Sie hat verwundert, dass von den rund 3000 Eiern eines Geleges nur drei Tiere groß werden und den See verlassen.
»Die sollen dann nicht auch noch überfahren werden«, erklärt sie, weshalb sie abends mit auf Patrouille geht. Denn danach dauert es drei bis fünf Jahre, bis sie zum Teich zurückkehren und ihrerseits für Nachwuchs sorgen können. »Durch den Aufruf in der Zeitung haben wir auch noch weitere Verstärkung bekommen«, freut sich Frey. Denn vier Personen sollten die Strecke schon absuchen – immer aufgeteilt in Zweier-Teams. Einer schaut rechts, der andere sucht links den Straßenrand ab.
Zunächst tarnen sich die Kröten nämlich noch am Wegesrand, und dann spurten sie los. Naja, sie huschen eher wie eine Maus – im Gegensatz zum Frosch, der hüpft. Frey bringt die Sache in einen Größenvergleich: »Es ist so, als ob wir mit sieben Sprüngen von einem Fußballtor zum anderen gelangen.«
Martina Schacht-Krämer ist schon länger dabei, sie kam durch ihre Kinder dazu. Doch wie es so ist: Die Kinder sind erwachsen und längst verzogen – sie ist weiterhin draußen, um die Kröten zu ihrem Laichgewässer zu bringen. Ist ja eigentlich auch ganz nett, abends nochmal eine Stunde an der frischen Luft zu sein. Sie hat schon drei Tiere in ihren Eimer geladen, jetzt tut die Taschenlampe nicht mehr so richtig. Und ohne diese Lichtquelle geht es nicht: Sie holt die nächste Lampe hervor.
Da, am Rand bewegt sich was. Schacht-Krämer geht hin und wundert sich ein bisschen: »Das Weibchen sieht gar nicht so dick aus.« Tatsächlich, die anderen bestätigen ihre Vermutung: Die Kröte ist »leer«, sie hat keinen Laich mehr im Bauchraum. Das Männchen, das noch oben aufsitzt, wird abgepflückt, beide wieder auf die andere Seite gebracht: Für das Duo geht es schon wieder Richtung Wald. Dort wird noch ein letzter Zaun abgesucht, an dem sich auch eine winzige Kröte herumtreibt. »Du bist noch viel zu klein«, sagt Frey und »dreht« den Winzling wieder Richtung Bäume.
Wenn es dann ganz dunkel ist, lässt der Autoverkehr nach. Die Helfer gehen wieder nach Hause. Das meiste ist geschafft, die Hochzeitsreise der Kröten bald vorüber. Noch ein Wort zu den »Dienstplänen« für die kommenden Abende, dann wird es still rund um den Hohbergsee.