Manuela Bijanfar haucht dem Naturmaterial neues Leben ein

(Bild 1/2) Glasmalerin Manuela Bijanfar vor ihrem Atelier am Oberkircher Kirchplatz, das sie 2006 bezogen hat. ©Regina de Rossi
In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (66): Manuela Bijanfar aus Oberkirch betreibt ein altes Kunsthandwerk: die Glasmalerei. Für die 59-Jährige vereinigt ihr Beruf alles, was sie sich gewünscht hat.
Althergebrachtes, unebenes Kopfsteinpflaster führt zu einem imposanten Haus am Oberkircher Kirchplatz. Rot ist seine Grundfarbe. Das Fachwerk wurde fein herausgearbeitet, und über einer alten geschnitzten Holztür, deren Oberlicht ein buntes Farbornament prägt, steht in geschwungener Schrift „Glasmalerei von Manuela Bijanfar“. „Schade, das Wetter macht heute nicht mit“, begrüßt die Künstlerin in ihrem Atelier die Autorin für diesen Artikel. Die 59-Jährige erklärt: „Wenn die Sonne scheint, dann leuchten auch die Farben intensiver.“ Das nimmt man ihr gerne ab und stellt sich vor, wie das Sonnenlicht durch die vielen Glasbilder blitzt, die den großen Raum erfüllen. Doch auch ohne Sonne versetzt der Raum Besucher um Jahre zurück.
Sonnenlicht lässt Farben leuchten
„Mein Vater hat das Haus 2005 gekauft“, sagt Manuela Bijanfar. Hier hängen Kunstwerke, die sich von der üblichen Malerei unterscheiden. Die in Plochingen am Neckar geborene und in Oberkirch aufgewachsene Kunsthandwerkerin hat sich der Glasmalerei verschrieben. Damit hält sie eine alte Tradition am Leben, die man in Kirchen und alten herrschaftlichen Häusern, an alten Türen und besonderen Fenstern bewundert, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, wie sie entstanden sind. Befasst man sich aber bewusst mit der Materie alter Glasfenster und lässt sich von deren Spiel durch Sonnenlicht und Farbe verzaubern, ist man nicht selten bereit, mehr darüber erfahren zu wollen.
Frühes Zeichentalent
Für Bijanfar war das Kunsthandwerk etwas, womit sie ihr Berufsleben bestreiten wollte. „Das war mir eigentlich schon nach der zehnten Klasse klar. Ich wollte entweder Gobelinstickerin werden, Holzbildhauerin, oder eben mich zur Glasmalerin ausbilden lassen.“ Ihr Zeichentalent hatte bereits ihre Lehrer überzeugt. Dennoch beschwor man sie, das Abitur zu machen. „Das habe ich nie bereut, weil es mir eine solide Allgemeinbildung verschaffte“, sagt die 59-Jährige im Rückblick.
Schon als Jugendliche fasziniert von dem Kunsthandwerk
Nach dem Abi ging es zunächst nach Kaufbeuren-Neugablonz. Dort gab es eine Berufsfachschule für Glas und Schmuck. Zugelassen wurde sie erst, nachdem man ihre Zeichnungen bewertet hatte und sie die Aufnahmeprüfung vor Ort bestand. Die Weichen zum Glasmalerei-Handwerk haben für Bijanfar die Oberkircher Brüder Otto und Walter Scharf in der Probstbühndstraße gestellt. „Als Jugendliche war ich oft in ihrem Atelier und war fasziniert von den bunten Farben“, erinnert sie sich und erzählt davon, dass sie vor Kurzem Besuch von einem Glasmaler aus Moskau erhalten hatte. Ein toller Austausch sei das gewesen, und neben all der Fachsimpelei sei man auf das Thema Corona gekommen.
Corona verunsicherte die Künstlerin
Deutlich wird dabei, dass Corona über die Grenzen hinweg viele Künstler in ihrem Schaffen zuerst einmal komplett ausgebremst hat. „Auch mich. Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll, war wie gelähmt“, so Bijanfar. Doch dann habe sie wieder zu malen begonnen, beziehungsweise zu zeichnen – denn eine Zeichnung setzt die Künstlerin jedem Bild voraus. „Kunst ist für mich etwas, das mit Können zu tun hat, mit Überlegung und gezieltem Vorgehen.“ Eine Ansicht, die sie mit Nachdruck vertritt und spürbar macht, dass sie sich gerne für das einsetzt, an was sie glaubt.
Politisches Mandat kostete viel Kraft
Diese Vehemenz hat sie auch politisch aktiv werden lassen. Elf Jahre, von 2009 bis 2020, war Bijanfar im Oberkircher Gemeinderat für die Grünen aktiv, mit dem Ziel, die Frauenquote zu erhöhen. Eine Zeit, die sie viel Kraft gekostet hat. Der Entschluss, sich in erster Linie wieder auf ihren Beruf zu konzentrieren, sei eine gute Entscheidung gewesen, sagt sie.
Aus der Lethargie nach der ersten Corona-Auszeit erwacht, begann für sie eine wahre Schaffensphase. „Die Leute haben sich wieder auf ihre Wohnungen und Häuser besonnen und begonnen, alte Glasornamente neu beleben zu lassen oder sich generell etwas Schönes für die Wohnung anfertigen zu lassen.“ Zeugnisse ihrer Glaskunst waren und sind über all die Jahre hinweg vielerorts in der Ortenau und darüber hinaus zu sehen.
Künstler denken in Bildern
So hat sie im Altenheim St. Martin in Appenweier-Urloffen zehn Fenster mit dem Sonnengebet des Franz von Assisi entstehen lassen, die Bruder-Klaus-Kapelle in Oberkirch-Ödsbach mit ihrer Kunst verschönert, Fenster für die Fatimakapelle in Tiergarten und für das Kloster Erlenbad erstellt. Motive werden ihr vorgegeben oder aber von ihr selbst erarbeitet. „Ein Künstler denkt in Bildern“, sagt sie. Die uralten Kirchenfenster dienten früher dazu, den Menschen, die nicht lesen konnten, Inhalte bildlich zu vermitteln – das unterstreicht, wie wichtig die Glasmaler-Handwerkskunst ist.
Kleine Bücher herausgegeben
Für die 59-Jährige vereinigt sich in ihrem Berufsleben alles, was sie sich erwünscht hat. Sie kann sich ganz dem künstlerischen Tun widmen, etwas lehren, indem sie Zeichenkurse für Kinder und Jugendliche gibt, und als freie Mitarbeiterin der lokalen Presse an ihre Liebe zum geschriebenen Wort anknüpfen. Zudem hat sie drei kleine Bücher mit dem Titel „Glas und Poesie“ herausgegeben.
„Glas, was ist das? Es ist und es ist nicht, es ist Licht und kein Licht, es ist Luft und nicht Luft, es ist duftloser Raum“, schrieb Gerhart Hauptmann. Bijanfar hat das Gedicht als Vorwort für eines ihrer Bücher benutzt. Und was ist Glas für sie? Ein Naturmaterial, dem sie neues Leben einhaucht. Zuhauf stehen die mundgeblasenen Echt-Antik-Glasscheiben in ihrem Atelier. Bis diese zum Einsatz kommen, hat sie bereits eine fertige Zeichnung angefertigt und bemalt.
Feine Frauengestalten
Viele dieser Bilder stehen in ihrem Atelier am Oberkircher Kirchplatz, von gotischen Ornamenten über feine Frauengestalten vornehmlich aus der Jugendstilzeit bis hin zu islamisch- orientalisch geprägten Kunststilen, die sie durch ihren damaligen persischen Ehemann schätzen gelernt hat. Einer Ehe, der eine Tochter entstammt, die 1992 geboren wurde.
Auch die Tochter sei sehr kunstbeflissen, so die stolze Mama – und dann kommt die Sonne doch noch und strahlt durch ihre bunten Glasbilder in das Atelier, die allesamt durch ihre Detailtreue und Genauigkeit, durch ihre Farbkraft und die sich wiederholenden Motive etwas sehr Beruhigendes ausstrahlen.
Manuela Bijanfar
Manuela Bijanfar wurde im September 1962 in Plochingen am Neckar geboren, aufgewachsen ist sie in Oberkirch. Auf das Abitur 1982 am Schillergymnasium Offenburg folgte von 1983 bis 1986 die Ausbildung zur Glasmalerin in Kaufbeuren. Von 1987 bis 1990 restaurierte sie in erster Linie Kirchenfenster in Darmstadt und Karlsruhe. Nach dem einjährigen Besuch des Meisterkurses in Rheinbach bei Bonn erhielt sie 1991 den Meisterbrief. 1992 kam Tochter Nilofar auf die Welt. In Renchen-Ulm unterhielt Bijanfar ihr erstes Atelier, 2006 zog sie in das Haus am Kirchplatz in Oberkirch ein.
Die 59-Jährige übernimmt hauptsächlich Auftragsarbeiten, gibt Zeichenkurse für Kinder und Jugendliche und arbeitet als freie Mitarbeiterin der Mittelbadischen Presse. Von 2009 bis 2020 war sie politisch aktiv.