Ortenau-Reportage

Mit dem Landtierarzt Meinhard Sieder im Einsatz

Sophia Körber
Lesezeit 6 Minuten
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23. November 2017
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©Ulrich Marx

Landtierarzt Meinhard Sieder kümmert sich um die Gesundheit der Nutztiere im Kinzigtal. Die Mittelbadische Presse hat ihn einen Morgen lang bei seiner Arbeit begleitet.

Meinhard Sieder steigt aus seinem Auto. In Gummistiefeln läuft er zum Kofferraum, öffnet ihn und holt einen dunkelgrünen Kittel heraus. Der Kofferraum ist voll mit Medikamenten, Spritzen und Handschuhen. Es ist noch früh am Morgen, der Nebel liegt tief im Kinzigtal. 

Die Patienten des Landtierarztes warten. 30 Kühe stehen in einer Reihe. Ihre Köpfe strecken sie durch die Bügel des Fressfanggitters. Heidi, Kathi, Ricky, Mathilde, Karla – jede hat einen Namen. Melanie Wälde, die Frau des Inhabers des Mutterkuhbetriebs in Gutach, kann sie alle auseinanderhalten, obwohl sie sich optisch nur wenig unterscheiden. Sie fressen das vor ihnen liegende Heu und wissen noch nicht, was sie erwartet. Sieder impft heute 30 von den 34 Kühen der Landwirtin. »Die Impfung ist zum Schutz der Kälber. Die Kühe produzieren Antikörper und sollen später über die Milch die Kälber vor Krankheiten schützen«, erklärt der 57-Jährige. Er tritt an die erste Kuh heran. Leicht seitlich steht er hinter Erika. »So heißt die Kuh«, sagt die Landwirtin. Erika tippelt auf der Stelle und versucht, mit ihrem Hinterteil dem Landtierarzt zu entkommen. »Ganz ruhig Erika, du kennst doch das Spiel«, versucht Wälde sie zu beruhigen. Sieder streckt seinen Arm weit vor und sticht die Nadel mit einer schnellen Bewegung in die Kuh. Nach einer Sekunde ist alles vorbei und Erika hat es geschafft. 

Fingerspitzengefühl und Ruhe

Noch 29 Kühe. Immer wieder stampfen einige der Kühe mit ihren Hufen auf den Boden. Letztlich lassen es die meisten brav über sich ergehen und leisten nur wenig Gegenwehr. Nicht aber Cora. Sie schnaubt bereits als sich der Tierarzt nähert. Besonderes Fingerspitzengefühl und Ruhe ist gefordert, denn Wälde weiß, dass Cora auf die Untersuchung des Arztes gerne mit Tritten reagiert. Ein Gitter möchte Sieder nutzen, um sich selbst vor dem Tier zu schützen. Cora tritt bereits aus. Der Veterinär bewegt sich ruhig auf sie zu und positioniert sich hinter den Gitterstäben. Mit der Spritze in der Hand sticht er zu. 

Ein lauter Knall. Mit voller Wucht hat Cora gegen einen der Gitterstäbe getreten. Sieder zückt die nächste Spritze und läuft unbeeindruckt zum nächsten Tier. Nicht immer hat er das Glück, dass die Tritte danebengehen. »Ich habe bisher nur wenig abbekommen. Eine Kuh traf mich an meinem Oberschenkel. Danach war mein ganzes Bein blau. Ein weiteres Mal habe ich die Zitzen untersucht und wurde im Gesicht getroffen. Gesunder Respekt gegenüber den Tieren ist deshalb wichtig.«
Zurück am Auto zieht Sieder seinen grünen Kittel aus, steigt in sein Auto und fährt zum nächsten Bauernhof. Vor vier Tagen hat er eine Kuh wegen einer bakteriellen Infektion an den Klauen operiert. Jürgen Moser, der Landwirt in Gutach, wartet bereits auf den Arzt. Mit einer Vorrichtung namens Klauenkippstand soll das Tier namens Helene auf die Seite gelegt werden. Mittlerweile ist auch der Vater von Jürgen Moser, Hans Moser, zur Unterstützung gekommen. Zu dritt ziehen und drücken die drei Männer die Kuh in die Vorrichtung. 

Entzündung hat sich ausgebreitet

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Der Landwirt und Sieder befestigen Helene mit zwei Gurten. Jürgen Moser startet den Traktor und Helene wird auf die Seite gelegt. Sie bewegt ihre Beine als sich ihre Füße vom Boden abheben. Die beiden Männer fixieren diese in Schlaufen, damit Helene stillhält. Mittlerweile hat sie ihren Kopf auf dem Gestell abgelegt. Hans Moser streichelt ihr behutsam über den Kopf und redet ihr mit ruhiger Stimme zu. Der Tierarzt löst die verdreckten Verbände und säubert die Klauen mit Wasser. »Die hinteren Klauen sehen bereits besser aus«, sagt Sieder. Die ansteckende Entzündung hat sich auf die vorderen Klauen ausgebreitet. Mit einem Winkelschleifer versucht der Arzt, die entstandene Wulst zwischen den Klauen etwas zu entfernen. Am Ende legt er einen neuen Verband um.

Erneut zieht Sieder seinen Kittel aus, legt ihn in den Kofferraum und fährt zum nächsten Bauernhof. Dieser Ablauf wiederholt sich den ganzen Morgen. »Mir gefällt die Abwechslung in diesem Beruf«, sagt der Tierarzt. Er weiß allerdings, dass die landwirtschaftlichen Betriebe zurückgehen und damit auch der Bedarf an Großtierärzten.

Ein weiterer Termin steht an. Eine Kuh hat gekalbt und die Euter sind angeschwollen. Es droht Gefahr, sowohl für die Kuh als auch für das Kalb, denn die Kuh lässt niemanden an ihre Euter. Das Kalb liegt auf dem Boden und die Mutter schnaubt laut als Sieder sich ihrem Euter nähert. Sie sträubt sich gegen die Untersuchung und tritt mit ihren Hufen aus. Der Landtierarzt entscheidet, das Tier leicht zu betäuben. »Es ist wichtig die richtige Dosierung zu wählen, da die Kuh nicht liegen darf. Ansonsten kommt das Kalb nicht an die Zitzen«, sagt Sieder.  

Nicht zimperlich sein

Bis die Betäubung wirkt, untersucht Sieder eine trächtige Kuh. Trächtigkeitsuntersuchungen und Besamungen gehören zu dem Alltag des Landtierarztes dazu. Er greift zu dem Handschuh, der über den gesamten Arm reicht und führt seinen Arm in den After der Kuh ein. Zimperlich darf Sieder nicht sein. Viel Kraft ist für solche Untersuchungen erforderlich – anfangs auch etwas Überwindung. Mittlerweile ist es Routine. »Ich habe mich schnell daran gewöhnt.« Schon früh war sich der gebürtige Südtiroler klar, dass er Tierarzt werden möchte.

Der Blick der betäubten Kuh ist mittlerweile starr. Ihre Bewegungen sind langsam. Sieder versucht erneut, den Euter zu untersuchen. Plötzlich fängt die Kuh an zu straucheln. Sieder wird von dem Gewicht der Kuh gegen die Stallwand gedrückt. »Die Kuh hat Schmerzen und lässt deshalb das Kalb nicht trinken«, sagt Sieder. Das Kalb nähert sich und streckt den Kopf zu den Zitzen. Es trinkt. Ob das Kalb mit der Flasche aufgezogen werden muss, wird sich in weiteren Untersuchung zeigen. »Es gibt immer eine Lösung. Die Situation, wenn Tiere unheilbar krank sind, nimmt ein Tierarzt auch nach Jahren Praxis noch mit«, sagt Sieder und zieht seinen Kittel aus, legt ihn in den Kofferraum und fährt zu dem nächsten Bauernhof.
 

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