Spendenaktion "Leser helfen"

Interview: „Heilmittel gegen die Mukoviszidose gibt es nicht“

Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
20. November 2020

„Die vergangenen zehn Jahre haben die medikamentöse Behandlung der Mukoviszidose revolutioniert“: Prof. Martin Hug, Leiter der Apotheke des Uniklinikums Freiburg. ©privat

Die Weihnachtsaktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse unterstützt die Selbsthilfegruppe Mukoviszidose Ortenau. Prof. Martin Hug, Direktor der Apotheke des Uniklinikums Freiburg, spricht im Interview über die Bedeutung der Medikamente.

Mukoviszidose ist eine angeborene Erkrankung, die dadurch zustande kommt, dass ein kleiner Baustein der Körperzellen, der „Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator“ (CFTR), gar nicht oder nicht ausreichend funktioniert. Der Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg, Martin Hug, informiert im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse über die medikamentöse Behandlung von Mukoviszidose-Patienten.

Herr Hug, welche Form von Heilmitteln helfen gegen Mukoviszidose?

Ein echtes „Heilmittel“ gegen die Mukoviszidose gibt es leider nicht. Manche Probleme, wie die Schädigung von Bauchspeicheldrüse und Lunge, sind schon bei Erstdiagnose oder sogar bei Geburt angelegt und nicht mehr umzukehren. Allerdings hat die Medizin große Fortschritte gemacht.

Was bewirken Medikamente, die gegen Mukoviszidose eingesetzt werden?

Wir können prinzipiell zwei Arten von Medikamenten unterscheiden. Solche, die das Problem bei der Wurzel anpacken – also die Funktion des CFTR Proteins wiederherstellen – und solche, die die Symptome der Erkrankung behandeln. Bei fast allen Patienten werden inzwischen beide Wege beschritten. Wir haben aber die Hoffnung, dass bei einer frühen Erkennung der Erkrankung eine Behandlung der Ursache die Folgeschäden so gering halten kann, dass die Patienten mit weniger zusätzlichen Medikamenten auskommen.

Welche Nebenwirkungen haben die Medikamente?

Die neuen Arzneimittel, die den ursächlichen Funktionsdefekt bei der Mukoviszidose behandeln, haben glücklicherweise relativ wenig Nebenwirkungen. Es können Kopf- oder Bauchschmerzen auftreten. In seltenen Fällen hat die Leber Schwierigkeiten, die Wirkstoffe zu verarbeiten. Durch eine Anpassung der Dosis lässt sich dieses Problem aber in der Regel beheben.

Anders sieht es natürlich bei den Arzneimitteln aus, die die Symptome behandeln. Hier steht die Therapie der Atemwegsinfektionen im Vordergrund. Dabei kommen Antibiotika zum Einsatz, was mit einer Schädigung der Mund- und Darmflora einhergeht. Nierenfunktion und Gehör können beeinträchtigt werden.

Und diese werden wiederum mit Arzneimitteln behandelt?

Die einfachen Nebenwirkungen lassen sich eigentlich ganz gut beherrschen. Viele Mukoviszidose-Patienten haben im Verlauf ihrer Erkrankung gelernt, Veränderungen in ihrem Körper zu erkennen und diesen mit gezielten Maßnahmen zu begegnen. Schwieriger wird es bei den Nebenwirkungen der Antibiotika, für die es wenig Gegenmittel gibt. Hier ist erforderlich, dass die Therapie engmaschig kontrolliert und bei Auftreten von Nebenwirkungen die Dosis angepasst wird.

- Anzeige -

Müssen die Erkrankten die Medikamente selbst bezahlen?

Glücklicherweise leben wir in einem Land mit dem nach meiner Einschätzung besten Gesundheitssystem der Welt. Deswegen müssen die Patienten mit Mukoviszidose die zum Teil sehr kostspieligen Medikamente in der Regel nicht selber zahlen.

Sind die Arzneien in jeder Apotheke vorrätig?

Aufgrund der hohen Kosten sind die meisten Arzneimittel zur Behandlung der Mukoviszidose nur dann in einer Apotheke vorrätig, wenn diese regelmäßig solche Patienten beliefert. Gerade die neuen, spezifisch wirksamen Medikamente sind nur direkt vom Hersteller zu bekommen und nicht über den sonst üblichen Großhandel.

Gibt es auch mal Engpässe?

Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind leider keine Seltenheit, und streng genommen sind die Präparate zur Behandlung der Mukoviszidose davon nicht ausgenommen. Allerdings sind mir aktuell keine Fälle bekannt, dass es zu lebensbedrohlichen Versorgungsproblemen bei unseren Patienten gekommen ist. Ich weiß aber, dass das in anderen Ländern tatsächlich der Fall war.

Gibt es alternative Heilmethoden?

Ich habe Probleme mit dem Begriff „alternative Heilmethoden“. Viele inzwischen bei der Mukoviszidose angewandte Verfahren wie die Physiotherapie, Atem- und Entspannungsübungen sind heutzutage ebenso wie der Einsatz spezieller pflanzlicher Arzneimittel medizinisch anerkannt. Für komplementärmedizinische Verfahren wie Akupunktur, Homöopathie und traditionell chinesische Medizin sehe ich bei dieser Erkrankung keine Evidenz. Es kann aber sein, dass Patienten sich trotzdem nach Anwendung derartiger Methoden besser fühlen. Allerdings müssen sie diese dann häufig aus der eigenen Tasche bezahlen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung in der Therapie ein?

Die vergangenen zehn Jahre haben die medikamentöse Behandlung der Mukoviszidose revolutioniert. Wir haben inzwischen vier zugelassene Wirkstoffe, um die molekulare Ursache dieser Erkrankung zu reparieren. Je früher diese Substanzen zum Einsatz kommen, umso eher können Folgeschäden und damit Krankheitslast vermieden werden. Ich hoffe, dass wir zukünftig noch bessere Wirkstoffe finden werden, um den Patienten das Leben zu erleichtern.

Info

Dafür sind die Spenden bestimmt

Eine hohe fünfstellige Summe wird allein für die Existenzsicherung der mobilen Physiotherapie benötigt, die von der Selbsthilfegruppe komplett aus Spenden finanziert wird. Auf der Wunschliste stehen außerdem:

  • ein Spezialtrampolin, das enorm beim Schleimlösen von der Lunge hilft.
  • dann eine Kletterwand – beides soll in der Kinderklinik Freiburg therapeutischen Zwecken dienen. 
  • zudem fallen hohe Kosten für zusätzliche Coronatests in der Nachsorgeklinik Tannheim an, wo Ortenauer Patienten untergebracht sind.
Zur Person

Prof. Martin Hug

Prof. Dr. Martin J. Hug ist Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Freiburg. Er hat in seiner Heimatstadt Freiburg Pharmazie studiert und am Physiologischen Institut der Albert-Ludwigs-Universität promoviert.  Nach wissenschaftlicher Tätigkeit in den USA, Münster und Frankfurt am Main wechselte Hug 2003 ans Klinikum, wo er 2011 die Leitung der Apotheke übernahm. 2013 ­erfolgte die Habilitation in Klinischer Pharmazie; seit 2018 ist er Professor am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften.

Martin Hug war von 2008 bis 2012 Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. und ist seit 2015 im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesapothekerkammer.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

Am Seibelseckle laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren: Ab 13 Uhr am heutigen Mittwoch sind die Skilifte in Betrieb. Viele Mitbewerber ziehen noch in dieser Woche nach.
vor 10 Stunden
Skilifte laufen ab Mittwoch
20 bis 30 Zentimeter Neuschnee sind rund um die B500 gefallen. Ein Wert, der Skiliftbetreiber auf eine gute Saison hoffen lässt. Wintersportler können auf zwei Pisten schon ab Mittwoch fahren.
Hexen und Spättle in Gengenbach: Die Kandidatur von Frauen für den bisher ausschließlich von Männern besetzten Narrenrat stellt die Zunft vor eine Zerreißprobe.
vor 11 Stunden
Frauen in der Fasnacht
Traditionell oder frauenfeindlich? In den Gremien der allermeisten Narrenzünfte gehören Frauen selbstverständlich dazu. Doch in Gengenbach hat die Kandidatur zweier Frauen für den Narrenrat einen Scherbenhaufen hinterlassen.
Stefan Mross freut sich auf das Jubiläumsjahr mit "Immer wieder sonntags".
vor 13 Stunden
Rust
Der Ticketvorverkauf für die neue Saison hat begonnen. Für Moderator Stefan Mross wird es ein Jubiläum.
Bis Mitte November haben sich 1639 Nutzer bei der im Juni eingeführten App „Ortenau Mobil“ registriert.
vor 18 Stunden
Update, aber kaum Neues
Bei der seit Juni verfügbaren "Ortenau Mobil App" haben sich bis Mitte November 1639 Nutzer registriert. Das Landratsamt ist damit zufrieden, sieht aber noch Luft nach oben.
Am Dienstag fällt für die meisten Schüler der Unterricht wegen des Lehrerstreiks aus.
27.11.2023
Ortenau
Die Gewerkschaft ruft angestellte Lehrer bundesweit zu einem Warnstreik auf. Auch die Ortenau muss sich am Dienstag auf Unterrichtsausfälle einstellen.
Wolgang Kollmer (rechts) nutzte die Spendenübergabe und hat sich mit Kolumnist Helmut Dold alias "de Hämme" unterhalten.
27.11.2023
Leser helfen
Der bisherige Verkaufserlös des Kolumnenbuchs kommt der Spendenaktion „Leser helfen“ für den Verein „Aufschrei“ zugute. Und weitere Buchvorstellungen sind in Planung – außerdem ein zweiter Band.
Vorhang auf, los geht's: Schwarzwaldradio-Chef Markus Knoll bedient die Fahrgäste für einen Tag im Bordbistro der Deutschen Bahn.
27.11.2023
Ein Tag als Mitarbeiter im Zug
Schwarzwaldradio-Chef Markus Knoll wechselt vom Mikrofon ins Bordbistro der Deutschen Bahn. Nicht für immer, sondern nur für einen Tag. Damit erfüllt sich Knoll einen Kindheitstraum – und hat im voll ausgelasteten Zug alle Hände voll zu tun.
27.11.2023
Appenweier
Zu einem Unfall mit zwei schwer Verletzten ist es laut Polizei am Samstagabend gekommen. Zwei Autos sollen zuvor zusammengestoßen sein. Der Unfallverursacher habe nur leichte Verletzungen gehabt. Die Polizei sucht noch nach Hinweisen.
27.11.2023
Hohberg - Niederschopfheim
Zu einem Brand ist es am Sonntag in Niederschopfheim gekommen. Ob es sich um Brandstiftung handelt, prüft die Polizei derzeit.
Verkehrsmittel der Wahl: Mit der Tram über den Rhein zum Straßburger Weihnachtsmarkt. ⇒Archivfoto: Andy-Lucian Vlahu
27.11.2023
Kehl
Für seinen Christkindelmarkt weitet Straßburg die Verbindungen aus. Es gibt aber auch Einschränkungen, auf die sich Passagiere gefasst machen müssen.
Trotz der Differenzen in der Narrenzunft Gengenbach um die Narrenratswahl: Der Hemdeglunker findet statt, und zwar am 13. Januar.
27.11.2023
Außerordentliche Mitgliederversammlung
Der kommissarische Gengenbacher Narrenrat hat nach dem Eklat am 11.11. im Klosterkeller eine außerordentliche Mitgliederversammlung am 17. Dezember einberufen. Dann wird neu gewählt. Was außerdem feststeht: Die Fasend 2024 wird am 13. Januar eröffnet.
Am Ende der Show wurde die TV-Legende Thomas Gottschalk in einer Baggerschaufel von der Bühne gefahren.
26.11.2023
Eine Ära geht zu Ende
Thomas Gottschalk moderierte in der Baden-Arena in Offenburg eine bunte und fröhliche Ausgabe des ZDF-Klassikers "Wetten, dass ..?“ Es war der rührende und gelungene Abschied einer Legende.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Das Stadtquartier Rée Carré bietet viele verschiedene Aktionen in der Adventszeit an.
    25.11.2023
    Offenburg: Aktionen und Events im Stadtquartier
    In der Adventszeit pflegt das Rée Carré lieb gewonnene Traditionen. Das Stadtquartier erstrahlt im Lichterglanz und bietet neben Glühwein und den vertrauten vorweihnachtlichen Düften ganz besondere Events, um die besinnliche Zeit zu begehen.
  • Petro Müller, Inhaber des Autohauses Baral in Lahr (rechts), und sein Sohn Gerrit suchen noch einen Mechatroniker, um das Team zu verstärken. 
    21.11.2023
    Im Suzuki-Autohaus Baral wächst die nächste Generation heran
    Das Suzuki-Autohaus Baral in Lahr hat sich auf Kleinwagen – neu und gebraucht - spezialisiert. Inhaber Petro Müller und sein Team setzen auf Beratung und Meisterservice in der Werkstatt.
  • Sie halten die Tradition des Bierbrauens hoch im Brauwerk (von links): Der neue Betriebsleiter und Braumeister Martin Schmitt, Geschäftsführer Oliver Braun, Ulrich Nauhauser, der ausgeschiedene Betriebsleiter und Braumeister, sowie Rick Pfeffer, der neue Braumeister.
    21.11.2023
    Brauwerk Baden: Immer am Puls der Zeit
    Die alte und neue Generation der Braumeister des Brauwerks Baden bieten den Kunden neben traditioneller Braukunst auch nachhaltige Ideen und neue Trends.
  • Marc Karkossa, Peter Sutter und Luis Weber (von links) haben das Start-Up Dyno aus der Taufe gehoben. 
    20.11.2023
    Offenburger Start-Up startet Großoffensive in Offenburg
    Mehr Geld im Alter: Das Offenburger Unternehmen "Dyno" will Arbeitnehmern Gutes tun. Die Mission des Start-ups: "Dyno rettet die Rente!"