Leser helfen

Mukoviszidose: Jochen Uhl lebt mit einer Spenderlunge

Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
16. November 2020

Jochen Uhl lebt mit einer Spenderlunge. ©Ulrich Marx

Jochen Uhl aus Hausach musste mit 26 Jahren wegen seiner Mukoviszidose-Erkrankung eine Lunge transplantiert werden. Er berichtet vom Leben danach und wie ihm die Selbsthilfegruppe Mukoviszidose Ortenau dabei hilft. Die wird in diesem Jahr von „Leser helfen“ unterstützt. 

Jochen Uhl und Bianca Gemeinder sind ein Paar, beide haben Mukoviszidose und in jungen Jahren eine neue Lunge erhalten – mit unterschiedlichem Verlauf.

Dass Jochen Uhl und Bianca Gemeinder aus Hausach an der schweren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leiden, sieht man dem jungen Paar nicht an. Beide haben eine Spenderlunge erhalten und einen völlig unterschiedlichen Verlauf nach der Transplantation erlebt. Wie wertvoll die Arbeit der Selbsthilfegruppe Mukoviszidose Ortenau ist, unterstreichen sie. „Leser helfen“, die jährliche Benefizaktion der Mittelbadischen Presse,  sammelt für die Selbsthilfegruppe, vor allem für die Aufrechterhaltung der mobilen Physiotherapie.

„Als Kind versteht man das nicht“

Heute wissen beide, wie wichtig diese ganz spezielle Physiotherapie ist. „Als Kind versteht man das nicht und macht die Therapie halt mit. Als Jugendlicher hat man da schon keinen Bock mehr drauf“, erinnert sich Jochen Uhl. „Ich hätte doch mehr tun sollen. Auch wenn die Eltern damit einfach nur nervten und doch recht hatten“, dachte er sich als 22-Jähriger, als ihm das Atmen immer schwerer fiel. Mit 25 besuchte Jochen Uhl noch Festivals, da mussten ihn seine Freunde schon tragen, weil das Gehen für ihn zu anstrengend war. Ab 26 kam er ohne Sauerstoff-Flasche nicht mehr aus.

Bei der Reha, im März 2019 auf Gran Canaria, sei dann „nichts mehr gegangen“. Seine Lungenfunktion war auf 22 Prozent gesunken. Die zahlreichen Voruntersuchungen und Vorgespräche für eine Transplantation waren abgeschlossen, als sich der damals 26-Jährige am 20. Juli 2019 um 13 Uhr auf die Liste setzen ließ. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass schon am nächsten Morgen, am 21. Juli, um 5 Uhr der Anruf kam, dass eine Lunge für ihn da sei. „Ich hatte noch nicht mal meinen Notfall-Koffer gepackt“.

Mit dem Krankenwagen kam er nach München, wo ihn rund 15 Personen im Operationssaal erwarteten. „Eine solche OP dauert etwa sechs Stunden. Meine Lunge war so kaputt, dass es zwölf Stunden brauchte“, beschreibt er.

„Atmen Sie!“, ermahnte ihn der Arzt. „Es war das schlimmste Atmen, das es gibt, so schlecht ging es mir davor nicht“, so sein erster Eindruck, als er aufwachte. Drei Tage lag Jochen Uhl im künstlichen Koma, zehn Tage auf Intensiv und noch mal sechs Wochen auf der „normalen“ Station, bevor es zur dreiwöchigen Reha nach Berchtesgaden ging. 

Gehen lernen

Schon als er noch auf der Intensiv lag, musste er aufstehen und das Gehen erst wieder lernen. „Man muss es wollen, dann wird es von Tag zu Tag auch besser“, macht er Mut. Ende November wird Jochen Uhl 28. Doch er feiert ebenso den Tag der Transplantation als seinen Geburtstag.

- Anzeige -

Er ist froh, sich dieser Transplantation unterzogen zu haben. Die Krankheit Mukoviszidose ist damit aber nicht besiegt. Etwa 40 Medikamente nimmt er täglich ein, und Physiotherapie steht weiter auf dem Programm. Und trotzdem, „es ist ein ganz anderes Lebensgefühl“. Inzwischen kann Jochen Uhl mit dem Familienhund „Nero“ spazieren gehen, auch kleine Wanderungen sind wieder möglich. So fuhr er früher mit dem Auto zur Arbeit. Heute geht er zu Fuß ins Hausacher Rathaus.

Stelle extra geschaffen

Dort schloss er seine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten ab und arbeitete als stellvertretender Kassenverwalter, ab 2016 teilweise erwerbsgemindert zu 50 Prozent. Eine 450-Euro-Stelle wurde für ihn extra geschaffen, als er 2018 die volle Erwerbsminderung erreichte. Er ist froh und dankbar darüber, dass er weiter auf dem Rechnungsamt arbeiten darf, wenn auch nur stundenweise. 

„Es kann bis zu zwei Jahre dauern, bis die Lunge richtig funktioniert“, sagt Jochen Uhl. Bei seiner Lebensgefährtin dauerte es allerdings fünf Jahre, bis sich ihr Körper einigermaßen erholte. Bianca Gemeinder aus Donaueschingen erhielt ihre neue Lunge im Jahr 2011, da war sie gerade 19 Jahre alt. Während die Krankheit vor der Transplantation ähnlich wie bei Jochen Uhl verlief, gab es im Nachhinein schlimme Komplikationen, mit ungewissem Ausgang. Zwei Monate wurde sie künstlich beatmet. Ein weiterer Monat im Krankenhaus und drei Wochen in Reha folgten.

Das Paar wohnt seit Kurzem zusammen, beide wissen das sehr zu schätzen. „Bei Problemen muss man dem anderen nichts erklären, es ist vieles leichter“, sagen beide.

Organ abgestoßen

Der Verdacht auf eine Abstoßung der Lunge hat sich bei der jungen Frau bestätigt. Derzeit durchläuft sie sämtliche Voruntersuchungen, um möglichst bald wieder auf die Transplantations-Liste zu kommen. „Von OP zu OP wird es schwieriger“, sagen beide. Eigentlich wollte sich Bianca Gemeinder nicht noch einmal einer solchen Strapaze mit möglichen Komplikationen aussetzen. Doch ihr Partner habe ihr „den Kopf gewaschen“.

Vor einem solchen Eingriff habe man Respekt. „Wir sind jung, uns können dadurch noch ein paar Jahre ermöglicht werden“, sagt Jochen Uhl. Es müsse auch nichts schiefgehen, so wie es sich bei ihm zeigte. Und eins stellen beide klar: „Wir wollen einfach im Hier und Jetzt leben. Auf was sollen wir warten?“

Beide sind ihren Organspendern unendlich dankbar. Ohne die „neue“ Lunge hätten beide nicht überlebt.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

Im Aufwachraum des Zentral-OPs, der während der Übung als Behandlungsplatz diente, wurden die "Notfallpatienten" nach und nach versorgt.
vor 4 Stunden
Angenommenes Unglück mit vielen Verletzten
Eine Massenkarambolage auf der Autobahn, ein Großbrand oder ein schweres Zugunglück – bei all diesen Szenarien müssen viele Patienten gleichzeitig an einem Ort versorgt werden. In Lahr hat das Ortenau-Klinikum nun so einen Ernstfall geprobt.
Bei "Dein Ding läuft" tauschten sich am Freitag potentielle Auszubildende mit Firmenvertretern aus. 
vor 4 Stunden
In zwölf Minuten zum Traumjob
In den Räumen der Etage Eins in Offenburg trafen am Freitag einige hundert Berufseinsteiger auf 16 Firmen aus der Region. In lockerer Atmosphäre sollen Betriebe neue Auszubildende finden.
Isabelle Oberle aus Hofstetten mit ihrem sechs Monate alten Sohn Felian.
vor 17 Stunden
Ortenau
Am besten entwickeln sich Frühchen, wenn sie Muttermilch bekommen – von der eigenen Mutter oder einer Spenderin. Isabelle Obert aus Hofstetten ist Muttermilchspenderin und hilft damit den Allerkleinsten in der Offenburger Kinderklinik.
Opferanwältin Ulrike Schwarz (links) und Dagmar Stumpe-Blasel vom Verein "Aufschrei" vor dem Gericht. ⇒Foto: Christoph Breithaupt
vor 20 Stunden
Benefizaktion der Mittelbadischen Presse
Die psychosoziale Prozessbegleitung ersetzt zwar nicht die Anwältin oder den Anwalt, sorgt aber vor allem dafür, dass die individuelle Belastung reduziert wird.
01.12.2023
Ortenau
In den Großen Kreisstädten des Ortenaukreises leben überdurchschnittlich viele Ausländer. In Kehl macht deren Anteil fast 28 Prozent der Bevölkerung aus – in Achern nur 14 Prozent.
Fünf junge Männer aus Syrien, Iran und Palästina müssen sich seit Oktober vor dem Gericht verantworten. Ihnen wird unter anderem Schutzgelderpressung vorgeworfen.
01.12.2023
"Er ist nicht Lahrs Drogenbaron"
Erpressung, Bedrohung, Körperverletzung, Wohnung verwüstet: Beim Prozess um rivalisierende Drogenbanden aus Lahr plädierten Staatsanwältin und Verteidiger zwischen Haft und Freispruch.
Stefanie Karadas lebt seit 1989 mit HIV. Seit etwa zehn Jahren geht sie offen mit ihrer Diagnose um, weil nur so Vorurteile abgebaut werden könnten. ⇒Foto: Christoph Breithaupt
01.12.2023
Ortenau
Anlässlich des Weltaidstags am 1. Dezember spricht Stefanie Karadas über ihr Leben mit HIV. Die Offenburgerin erhielt ihre Diagnose vor 34 Jahren. Trotz des medizinischen Fortschritts erlebten laut der Betroffenen auch heute noch viele Erkrankte Diskriminierung.
Das ganze Jahr über reisen die für den Aufbau des Zelts verantwortlichen Mitarbeiter mit dem Zirkus. Seit Mittwoch sind sie in Offenburg am Werk.
01.12.2023
Manege frei am Messeplatz
Innerhalb von zwei Tagen hat das Team des Offenburger Weihnachtscircus Zelt und Tribünen gestellt. Die Veranstalter hoffen nach einem guten Vorverkauf nun auf eine erfolgreiche Saison.
Die Notunterkunft in der Messe ist nur zu einem Bruchteil ausgelastet.⇒ Foto: Christoph Breithaupt
30.11.2023
Ortenau
Die Ende Oktober eingerichtete Notunterkunft in der Offenburger Messe ist nur zu einem Bruchteil ausgelastet. Trotzdem werden monatlich 500.000 Euro fällig. Nun reagiert die zuständige Behörde.
Aktuell laufen die polizeilichen Ermittlungen.
30.11.2023
Offenburg
In den letzten Tagen gab es mehrere Schmierereien mit religiösem Hintergrund in Offenburg: Ein Haus in der Okenstraße sowie ein Lebensmittelladen wurden mit Parolen beschmiert. Ob die beiden Vorfälle im Zusammenhang stehen, wird derzeit ermittelt.
Der Wohnungslose soll das Feuer entfacht haben, um sich zu wärmen.
30.11.2023
Brand in leerstehendem Gebäude
Ein 55-jähriger Wohnungsloser steht unter Verdacht, das Feuer in einem leerstehenden Gebäude in Niederschopfheim verursacht zu haben. Er wollte sich laut ersten Erkenntnissen wärmen.
30.11.2023
Achern
Die rechtzeitige Notbremsung eines Zugführers soll einem serbischen Mann in Achern das Leben gerettet haben. Der 35-Jährige soll am Mittwoch stark alkoholisiert auf den Gleisen gesessen sein. Zu seiner Sicherheit nahmen ihn Beamte in Gewahrsam.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Das Stadtquartier Rée Carré bietet viele verschiedene Aktionen in der Adventszeit an.
    25.11.2023
    Offenburg: Aktionen und Events im Stadtquartier
    In der Adventszeit pflegt das Rée Carré lieb gewonnene Traditionen. Das Stadtquartier erstrahlt im Lichterglanz und bietet neben Glühwein und den vertrauten vorweihnachtlichen Düften ganz besondere Events, um die besinnliche Zeit zu begehen.
  • Petro Müller, Inhaber des Autohauses Baral in Lahr (rechts), und sein Sohn Gerrit suchen noch einen Mechatroniker, um das Team zu verstärken. 
    21.11.2023
    Im Suzuki-Autohaus Baral wächst die nächste Generation heran
    Das Suzuki-Autohaus Baral in Lahr hat sich auf Kleinwagen – neu und gebraucht - spezialisiert. Inhaber Petro Müller und sein Team setzen auf Beratung und Meisterservice in der Werkstatt.
  • Sie halten die Tradition des Bierbrauens hoch im Brauwerk (von links): Der neue Betriebsleiter und Braumeister Martin Schmitt, Geschäftsführer Oliver Braun, Ulrich Nauhauser, der ausgeschiedene Betriebsleiter und Braumeister, sowie Rick Pfeffer, der neue Braumeister.
    21.11.2023
    Brauwerk Baden: Immer am Puls der Zeit
    Die alte und neue Generation der Braumeister des Brauwerks Baden bieten den Kunden neben traditioneller Braukunst auch nachhaltige Ideen und neue Trends.
  • Marc Karkossa, Peter Sutter und Luis Weber (von links) haben das Start-Up Dyno aus der Taufe gehoben. 
    20.11.2023
    Offenburger Start-Up startet Großoffensive in Offenburg
    Mehr Geld im Alter: Das Offenburger Unternehmen "Dyno" will Arbeitnehmern Gutes tun. Die Mission des Start-ups: "Dyno rettet die Rente!"