Leser helfen: So profitieren junge Patienten von ihren OPs
Annika Broosche und Marco Sonzin wurden erfolgreich operiert, seither hatten sie keine Epilepsie-Anfälle mehr. Die Benefizaktion „Leser helfen“ sammelt Spenden für die Diakonie Kork.
Annika Broosche und Marco Sonzin kennen sich nicht. Und trotzdem haben die 20-Jährige aus Karlsruhe und der Student aus Heilbronn vieles gemeinsam, was ihre Gesundheit anbelangt. Denn beide waren an Epilepsie schwer erkrankt und haben durch ihre Operationen nun eine bessere Lebensqualität erlangt. Auch wenn Epilepsie-Anfälle seither ausblieben, so bleibt bei beiden doch die Angst, erneut einen Epilepsie-Anfall zu erleiden. „Leser helfen“, die Benefizaktion der Mittelbadischen Presse, unterstützt in diesem Jahr die Arbeit der Diakonie in Kork.
Schlafmangel löste den ersten Anfall bei Annika Broosche aus. Sie erinnert sich noch gut daran, wie sie als Elfjährige am zweiten Weihnachtsfeiertag 2012 am Frühstückstisch saß und merkte, „dass etwas komisch war“. Ihre Eltern trugen sie gleich aufs Sofa, riefen den Notarzt, der sie sofort ins Krankenaus einliefern ließ. Von klein auf leidet Annika Broosche an einer Hemiparese, also einer halbseitigen Lähmung beziehungsweise Beeinträchtigung der rechten Körperhälfte. Auslöser war ein Schlaganfall bei ihrer Geburt. Schon damals hätten die Ärzte ihre Eltern darauf hingewiesen, dass dies eine Epilepsie auslösen könnte.
Mehrere Jahre war sie bei einem auf Epilepsie spezialisierten Karlsruher Kinderarzt in Behandlung, bevor sie nach Kork in die Kinder- und Jugendklinik des Epilepsiezentrums kam. Seit vergangenem Sommer ist sie in der Erwachsenenklinik des Epilepsiezentrums. Dorthin muss die Auszubildende für Büromanagement beim Berufsbildungswerk in Neckargmünd noch immer zur Nachkontrolle. Und das macht ihr nichts aus. „Es geht in Kork sehr familiär zu.“
Ihre erste Operation erfolgte im Februar 2019 in der Freiburger Uniklinik. Tiefenelektroden wurden ihr in den Kopf gesetzt. „Das waren Stäbe, die im Bereich, wo die Epilepsie sein könnte, eingesetzt waren“, erklärt Annika Broosche. Aus ihrem Kopf hätten Bolzen herausgeschaut. Nach zehn Tagen wurden die Elektroden wieder entfernt. In diesen Tagen durfte sie nicht aufstehen und sich auch kaum bewegen. „Ein Test schoss genau ins Zentrum“, berichtet sie. Insgesamt 21 Anfälle hatte sie in diesen zehn Tagen, davon habe sie „nur“ zwei oder drei gespürt. „Es wurde festgestellt, wo meine Epilepsie herkommt und dass dies operabel ist“, so Annika Broosche.
"Komisches Gefühl im Kopf"
Am 6. Juni 2019 standen die zweite Operation und ein zweiwöchiger Aufenthalt in der Klinik an. Ihr Gehirn wurde freigelegt und ein Stück davon herausgenommen. „Nicht das ganze Areal, sonst könnte ich heute mein rechtes Bein nicht mehr bewegen“, erklärt sie. Zwar hatte sie seither keine Anfälle mehr, doch manchmal spüre sie die Auren, „ein ganz komisches Gefühl im Kopf“. Nicht zu 100 Prozent kann sie sicher sein, ob ihre Epilepsie jetzt vorbei ist. „Damit muss ich leben, kann mich aber noch nicht so ganz daran gewöhnen.“
Durch eine nicht geschlossene Schädeldecke hatte Marco Sonzin seit seiner Geburt eine kleine Öffnung, durch die eine Zele (Gehirngewebe) wuchs. „Diese Zele war der Auslöser für meine fokale Epilepsie. Den ersten Anfall hatte ich aber erst mit 16 Jahren“, berichtet Marco Sonzin. Es konnte nicht festgestellt werden, was die Anfälle bei ihm auslösten.
Vor der Operation hatte die Epilepsie starken Einfluss auf sein Leben und seinen Alltag. „Meine Hobbys wie Skifahren, Fahrradfahren und Schwimmen konnte ich nicht mehr oder nur mit einer Begleitperson ausüben“, berichtet er.
Soziales Leben war belastet
Das gesellschaftliche und soziale Leben sei belastet gewesen, da sein ganzes Umfeld, Freunde und Lehrer, davon wussten. „Alle waren informiert und wussten, was zu tun ist, wenn die Anfälle auftreten.“ Auch auf die Hilfe seines Bruders und seiner Eltern war er sehr angewiesen. Zudem hätten ihn die Medikamente müde gemacht, die Konzentration ließ nach und er wurde schläfrig. Bei Anfällen fühlte er sich den Rest des Tages unwohl und „konnte für eine gewisse Zeit nicht mehr klar denken“.
Am 25. Mai 2020 erfolgte die Operation in der Uniklinik Freiburg. „Dabei wurde die Haut an meinem Kopf auf der linken Seite aufgeschnitten und ein Stück des Schädels heraus gesägt. Ein Teil meines linken Temporallappens und die Zele wurden entfernt, sodass man an das Löchlein kam. Dieses wurde mit körpereigenem Material geschlossen“, berichtet er.
"Fühle mich besser"
Seither hat der 18-Jährige fast keine Anfälle mehr. „Dadurch fühle ich mich auch besser und kann wieder Dinge machen, die ich vorher nicht durfte“, erinnert er an seine Hobbys. Seinen Führerschein will er demnächst machen. Er legte erfolgreich sein Abitur ab und studiert dual BWL-Gesundheitsmanagement an der DHBW Stuttgart. Der praktische Teil findet am SLK-Klinikum Heilbronn statt.
Die Angst vor neuen Anfällen bleibt
Die Angst, dass die Anfälle wiederkommen, bleibt bei ihm trotzdem noch. „Vor allem habe ich davor Angst, dass ich einen Anfall in einer gefährlichen Situation bekomme.“ Erst nach drei bis fünf Jahren könne man sagen, ob die Epilepsie geheilt ist.
Auch Marco Sonzin muss noch regelmäßig zu Nachsorgeuntersuchungen in das Epilepsiezentrum nach Kork. „Es gefällt mir dort. Das Personal ist äußerst nett und bei allen Aufenthalten waren auch junge Azubis dort, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe“, berichtet er. Zudem lernte er andere Patienten kennen, mit denen er trotz aller Umstände eine schöne Zeit hatte. „Dadurch fühlte sich das Ganze schon besser an.“
Chefarzt ist jederzeit erreichbar
Die Zeit dort ließe sich auch sehr gut mit Tischtennis, Tischkicker oder Billard vertreiben. Spaziergänge an der frischen Luft waren jederzeit möglich. „Zudem kann man auf dem Sportplatz Fußball, aber auch Basketball spielen“, zählt Marco Sonzin auf. „Der Chefarzt Thomas Bast ist sehr kompetent und erklärt das komplette Thema der Epilepsie.“ Außerdem sei er immer erreichbar, sodass man ihm auch Fragen stellen könne, wenn man nicht in Kork ist.
Dafür sammeln wir
◼ für ein neues Therapiepferd für die Hippotherapie,
◼ einen mobilen Snoezelen-Wagen (Snoezelen ist eine Entspannungsmethode aus den Niederlanden),
◼ die erstmalige Anschaffung digitaler Aufklärungsmittel wie Videos für Betroffene und Angehörige
◼ und die Existenzsicherung der einzigen Epilepsieberatungsstelle in Baden-Württemberg.