Naturschützer Manfred Weber: Ein großes Herz für kleine Piepmätze

(Bild 1/3) Der Naturschützer Manfred Weber ist fasziniert von Vögeln. Das Foto zeigt ihn mit einem Wiedehopf-Nistkasten. Es ist Webers Verdienst, dass der Wiedehopf in der Ortenau wieder heimisch ist. ©Christoph Breithaupt
In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (94): Manfred Weber aus Oberkirch-Stadelhofen. Das Nabu-Mitglied hat durch seinen unermüdlichen Einsatz für Vögel den Wiedehopf bei uns wieder heimisch gemacht.
Wenn Manfred Weber über die Gemarkungen von Oberkirch, Renchen, Appenweier und Achern radelt, achtet er kaum auf die Blumenrabatte oder Gartenzwerge, nicht auf die neuen Autos, die in Hofeinfahrten glänzen, oder die kleinen Kinder, die in großen Eisbechern löffeln. Er ist ganz Ohr. Er vernimmt ein Tschilpen aus dem Busch, ein Schmatzen aus dem Baum, ein Flöten vom Dachständer, ein aufgeregtes Zetern aus der Wiese und ein Hiähen aus dem Hain. Doch Moment: Gleitet nicht dort, wo der letzte Ton des Bussards verklungen ist, ein Eichelhäher vom Ast?
„Vögel sind faszinierende Tiere“, schwärmt der Hobby-Ornithologe aus Stadelhofen, der seit Jahrzehnten mit Nistkästen für Nachwuchs sorgt. „Viele von ihnen können andere Arten täuschend ähnlich imitieren.“ Wie der Eichelhäher den Mäusebussard, der Star den Grünfink oder der Gartenrotschwanz den unscheinbaren Fitis. Je perfekter die Kunst der Täuschung, desto attraktiver ist das Männchen bei den Weibchen. Kreativität und Einsatz werden gerade im Frühjahr belohnt.
Manfred Weber begeistert die Musik aus den kleinen Kehlen. „Sie kommt manchmal wie Jazz daher“, erzählt er: Stimmen wie Instrumente, die vom scheinbaren Chaos in eine geschickt aufeinander abgestimmte Tonfolge übergehen. Themen werden aufgenommen und von Ast zu Ast wiederholt, bis sie durch Improvisationen weitergesponnen und ausgeschmückt in ein neues Thema übergehen. Manfred Weber wird des Lauschens nicht müde. Nach lebenslanger Erfahrung kann er 99 Prozent aller Stimmen richtig zuordnen. Vorausgesetzt, der heimische Vogel bleibt bei seiner Melodie.
Der Vogel des Jahres 2022
Ein Lied hört der 60-jährige Familienvater besonders gerne, obwohl es recht eintönig ist: „Hup hup hup“. Es ist der Balzruf des Wiedehopfs, Vogel des Jahres 2022. Mit seiner großen Federkrone und den schwarz-weiß-gestreiften Flügeln, die wie ein Ballkleid über der roten Brust liegen, kann er durchaus mit prachtvollen Tropenvögeln konkurrieren. Er ist unverwechselbar. In Südbaden drohte er auszusterben, bis er im Rahmen eines Großprojekts des Regierungspräsidiums Freiburg und des Naturschutzbunds (Nabu) 1990 im Kaiserstuhl wieder angesiedelt wurde.
„2007 habe ich ihn zum ersten Mal bei uns gehört“, erinnert sich Weber. Es war eine Sensation. Der Landschaftsgärtner, der seit 1991 beim Straßenbauamt Offenburg arbeitet, war damals bereits angesehener Vogelschützer des Nabu Offenburg und aktives Mitglied der BUND-Gruppe Oberkirch.
Unzählige Nistkästen gezimmert
Unzählige Nistkästen, die er in seiner häuslichen Werkstatt gezimmert hatte und in Kooperation mit den Grundstückseigentümern an Bäumen, Hauswänden, in Häusern und unter Dächern anbrachte, schenkten Singvögeln, Steinkäuzen, Schleiereulen, Schwalben, Mauerseglern und Alpenseglern neuen Lebensraum. Auch Wanderfalken und Uhus gehören zu seinen Schützlingen. Daneben engagiert er sich im „Förderkreis Lebensraum und Artenschutz Renchen“, einst „Förderkreis Weißstorch Renchen“, und im Förderkreis Nationalpark Schwarzwald bis heute.
Mit seinem großen, autodidaktisch erworbenen Wissen und seiner Erfahrung bringt er sich regelmäßig im Beirat für Natur- und Umweltschutz der Stadt Oberkirch ein.
Manfred Weber ahnte daher schon damals die Besonderheit seiner Entdeckung. Er ging dem kurzen „Hup hup hup“ nach und fand kurz darauf einen hochzeitsfreudigen Wiedehopf in einer Streuobstwiese. Dem schien es in Oberkirch offenbar zu gefallen. Mit spontaner Entschlossenheit, die den 60-Jährigen auszeichnet, machte er sich an den Bau von Nistkästen und verhandelte mit Besitzern kleiner Gartenhäuser und Schuppen auf extensiv bewirtschafteten Wiesen, die für die neuen Kinderstuben passend waren, eine bodennahe Anbringung aus.
Es kamen viele weitere nach
Mit Erfolg. „Der Wiedehopf blieb“, freut sich der engagierte Vogelfreund. Und nicht nur der eine Wiedehopf brütete. Es kamen auch noch viele andere nach – teilweise die Jung- und Altvögel vom Vorjahr, teilweise Zuzügler. „Vor wenigen Tagen habe ich einen Wiedehopf entdeckt, der in Italien beringt worden war.“ Dass der Vogel eine so weite Reise angetreten hatte, um bei Stadelhofen eine Familie zu gründen, empfindet das Mitglied des Nabu-Vorstands als schönste Bestätigung seiner Arbeit. „Neben dem Kaiserstuhl ist der nördliche Ortenaukreis heute das wichtigste Brutgebiet des Wiedehopfs in Baden-Württemberg“, freut er sich.
Im vergangenen Jahr zählte Manfred Weber in der offenen Kulturlandschaft des nördlichen Ortenaukreises insgesamt 70 Reviere. Und auch in diesem Jahr sieht es so aus, als würden sich die Tiere freudig vermehren. Bei den Nistkastenchecks im Mai, Juni und Juli beringt Weber die Jungvögel, und wenn noch nicht geschehen, auch die Eltern. „Die Ringe helfen uns, mehr über die Tiere zu erfahren“, erläutert er. Die dadurch gewonnenen Daten übermittelt er an die Vogelwarte Radolfzell.
Wann immer es ihm der Beruf erlaubt, ist er mit seiner Materialtasche auf dem Rad unterwegs, um die Routen abzufahren. Der sportliche 60-Jährige betreut aktuell rund 140 Wiedehopf-, 90 Steinkauz-, 30 Schleiereulen und 20 Turmfalken-Nistkästen, daneben unzählige künstliche Bruthöhlen für Kleinvögel und den seltenen Wanderfalken. Jährlich kommen neue Nistkästen hinzu.
Die Zeit ist fast immer knapp
„Ich wäre auch ohne Arbeit den ganzen Tag beschäftigt“, lacht der Naturschützer. Durch seine Vollzeitstelle ist ihm die Zeit fast immer knapp. „Meine Frau weiß, dass ich nervös werde, wenn ich zu lange nicht raus kann“, erzählt er. Ohne ihr Verständnis wäre ein solch umfangreicher ehrenamtlicher Einsatz kaum möglich.
Auch Ulrike Weber liebt die Natur. Während er jedoch ins Grüne fährt, verwandelt sie den Garten in ein Blumenparadies und sorgt für gutes Essen mit frischem Salat, Tomaten und Zucchini. Der 25 Jahre alte Sohn ist bereits ausgezogen.
„Das alles war einmal Wiese“, erzählt Manfred Weber und zeigt auf die Gebäude des Progress-Werks Oberkirch in direkter Nachbarschaft zu seinem Haus. Dort, wo heute Metallkomponenten und Subsysteme in Leichtbauweise hergestellt werden, hätten einst die Frösche gequakt.
Umgang mit Holz geht im leicht von der Hand
„Das war meine Heimat“, sagt der Nabu-Aktive, „jetzt ist sie weg“. Fast täglich sei er in seiner Kindheit, oft in Begleitung seines Bruders und seiner Schwester, in das Abenteuerland Natur eingetaucht und erst am Abend wieder heimgekehrt. „Seit ich mich erinnern kann, habe ich Tiere geliebt“, erinnert er sich. Seinen ersten Nistkasten hat er mit 13 Jahren gefertigt. „Mein Vater hatte mir in seiner Zimmerei-Werkstatt viele Handgriffe beigebracht“, erzählt Weber. Es fällt ihm daher leicht, mit Holz umzugehen.
Wenn der Naturschützer an die Vergangenheit denkt, trauert er nicht nur seinem zu früh verstorbenen Vater nach, sondern auch der Flora und Fauna, die verschwunden ist. Und noch immer werden wertvolle Flächen überbaut, Streuobstbäume gefällt, die Gärten mit artenarmem Rasen überzogen. „Der Mensch biegt sich alles so zurecht, wie es ihm passt“, bedauert er. „Er geht zwar gerne in die Natur, will sie aber nicht vor der eigenen Haustüre.“ Manchmal sei er verzagt und frage sich, warum er sich so bemühe. Was er an einer Stelle schaffe, werde an anderer wieder zerstört. „Das ist deprimierend.“
"Junge Leute haben die Natur gar nicht mehr erlebt"
Besonders schmerze ihn die Gleichgültigkeit vieler Menschen. „Aber woher soll es auch kommen? Die jungen Leute haben die Natur ja gar nicht mehr erlebt. Sie kennen nur Häuser und Straßen und denken, das wäre normal.“ Wenn der rührige Naturfreund bekümmert ist, geht er manchmal auf seinen Balkon und betrachtet die Schwalben und Mauersegler, die in flinkem Flug um sein Haus kreisen. Jeder mögliche Winkel ist mit Nistkästen bestückt, in denen rund 100 Flugkünstler ihre Jungen großziehen. Manfred Weber: „Wenn ich hier stehe, weiß ich, dass mein Einsatz richtig ist – für jeden einzelnen Vogel.“
Manfred Weber
Geboren ist Manfred Weber 1961 in dem Elternhaus, in dem er heute mit seiner Frau Ulrike wohnt. Als er 14 Jahre alt war, starb sein Vater bei einem Flugzeugabsturz. Da der Mutter die nötigen Mittel fehlten, waren die Kinder angehalten, nach dem Hauptschulabschluss rasch ihr eigenes Geld zu verdienen. Weber entschied sich 1977 für eine Lehre als Landschaftsgärtner. Das Ehepaar hat einen 25 Jahre alten Sohn.