Obdachlose sollen besser erreicht werden
Menschen dort aufsuchen, wo sie zu Hause sind: Dass die Spendenaktion »Leser helfen« der Mittelbadischen Presse ein umgebautes Wohnmobil für Obdachlose finanzieren will, sorgt nicht nur beim Offenburger St.Ursula-Heim für Begeisterung. Menschen auf der Straße sollen so besser integriert werden.
Es ist ein Beruf, bei dem kein Tag dem anderen gleicht. Die Mitarbeiter der Kehler Bahnhofsmission und des »Café Löffel« in Lahr sind für Obdachlose und Menschen in Not da – wenn auch nur für ein paar Minuten. Viele engagieren sich ehrenamtlich. »Bei uns bekommen Obdachlose ein warmes Essen oder können umsonst duschen«, erzählte Diplompsychologe Martin Schneider, der im »Café Löffel« arbeitet, auf Nachfrage der Mittelbadischen Presse.
»Manchmal trinken sie einen Tee bei uns, rasieren sich oder wärmen sich auf«, berichtete Sozialarbeiterin Claudia Schnebel, die neue Leiterin der Kehler Bahnhofsmission. Menschen mit keinem Wohnsitz hätten es schwer, einen Arzt vermittelt zu bekommen, wissen Schneider und Schnebel. Doch Zahlen, wie viele Obdachlose sie im Monat oder im Jahr aufsuchen, könne sie nicht nennen: »Das ist von Tag zu Tag unterschiedlich.«
Viele Vorteile
Dass nun ein umgebautes Wohnmobil – der Förderverein der Pflasterstube bezeichnet es analog als Pflastermobil – durch die Spendenaktion »Leser helfen« der Mittelbadischen Presse finanziert werden soll, bezeichnet Schnebel als eine »super Idee«, und auch Schneider sieht darin viele Vorteile.
»Manche Obdachlose leben abgeschottet und trauen sich nicht einmal zu uns«, bedauert Schneider und sieht im Mobil eine Chance, um diese Menschen zu erreichen. »Wir könnten so eine medizinische Grundversorgung sicherstellen, denn die meisten sind nicht versichert«, betont er und weiß, dass viele der Obdachlosen nicht ins Krankenhaus wollen. »Ich habe schon Wunden gesehen, die hätten sofort medizinisch behandelt werden müssen, aber die Menschen auf der Straße weigern sich.«
In dem umgebauten Wohnmobil könnten sich Obdachlose nach Tagen endlich wieder waschen, mit Sozialarbeitern reden, Verletzungen behandeln oder einfach die durch die Kälte taub gewordenen Hände aufwärmen – und das in einer Umgebung, in der sie sich noch besser fühlen und ihr Hab und Gut nicht verlassen müssen.
»Viele schaffen es aus unterschiedlichen Gründen nicht zu uns ans Gleis 1«, betont Sozialarbeiterin Schnebel. Ob also Rollstuhlfahrer oder Menschen mit psychischen Problemen: Es koste Überwindung. Das Wohnmobil wäre weniger eine Entlastung für die Mitarbeiter, sondern vielmehr eine Ergänzung.
Hauptsache integrieren
»Bei unser Arbeit ist es besser mobil zu sein und so Hemmungen abzubauen«, ist die Leiterin der Bahnhofsmission überzeugt. Vier Mal im Jahr treffen sich Mitarbeiter der Kehler Bahnhofsmission und des Offenburger St. Ursula-Heims, um sich über Erfahrungen und Vorkommnisse in ihren Einrichtungen auszutauschen.
»Wir haben zwar schon eine gute Basis geschaffen, aber mit einem umgebauten Wohnmobil könnten wir noch gezielter und schneller Menschen auf der Straße behandeln.« Der Kontakt mit Obdachlosen müsse immer auf Augenhöhe stattfinden. Denn letztendlich gehe es den Beteiligten darum, die Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Stück für Stück.
Drei »Leser helfen«-Projekte
Die Mittelbadische Presse unterstützt in ihrer »Leser helfen«-Aktion drei Einrichtungen, über die im Wechsel berichtet wird.
◼ Das Jugendrotkreuz Offenburg wünscht sich einen Mannschaftsbus für Einsatz- und Fortbildungsfahrten. Diesen finanziert komplett die Renchener Firma Joro Türen GmbH (26 000 Euro).
◼ Im DRK Kreisverband Kehl betreuen fünf Ortsvereine insgesamt fünf Demenzgruppen. Die Gäste des Café Vermiss-mein-nicht werden abgeholt und nach Hause gebracht. Dafür fehlt ein Bus, mit dem mindestens vier Rollstuhlfahrer gleichzeitig befördert werden können (55 000 Euro).
◼ Der Förderverein der Offenburg Pflasterstube hätte gerne ein Wohnmobil, das als rollende Arztpraxis, aber auch als Dusch- und Gesprächsgelegenheit genutzt werden kann (50 000 Euro).
-tom