Romina Herr aus Achern lebt mit nur einem halben Herzen
Die Aktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse unterstützt in diesem Jahr die Elterninitiative „Herzklopfen“, die neue Wohnmöglichkeiten schaffen möchte, um Eltern und Familien ein Zuhause auf Zeit zu geben. Im August 1994 kam Romina Herr mit einem „Double-Inlet-Left Ventrikel (DILV)“ zur Welt. „Das bedeutet, dass ich nur ein halbes Herz habe. Herzgesunde haben zwei funktionsfähige Herzkammern, bei mir ist die rechte Herzkammer viel zu klein, sie kann gar nicht mit verwendet werden“, erklärt die 28-Jährige.
Durch drei große Operationen am offenen Herzen, gleich nach der Geburt in der Freiburger Kinderkardiologie, sowie 1996 und 1997 in der Uniklinik in Aachen, wurde ihr komplettes Herz-Kreislauf-System umgebaut. „Nach der letzten großen Herz-OP hatte ich mit ziemlich starken Komplikationen zu kämpfen“, berichtet sie. Seit 1997 lebt sie mit dem sogenannten Fontankreislauf, die linke Herzhälfte muss also alles über einen Kreislauf regeln.
Damals gab es noch kein Elternhaus
In beiden Kliniken waren ihre Eltern bei ihr, „meine Mama mehr als mein Papa, da er arbeiten musste und sie noch meinen großen Bruder zu Hause in Achern hatten, der seine Eltern damals ja genauso brauchte wie ich.“ Da es 1994 in Freiburg noch kein Elternhaus für betroffene Familien gab, übernachtete ihre Mutter in der Kinderklinik. Dort gab es im oberen Stockwerk ein Elternzimmer, das sie sich mit ein paar anderen Müttern teilte. „So konnte sie immer in meiner Nähe sein.“
Ihre Mutter, Sabine Herr, ist Gründungsmitglied des Vereins Herzklopfen. „Sie unterstützt mich, wo sie nur kann, und wenn ich wichtige Fragen oder andere Probleme habe, steht sie mir mit Rat und Tat zur Seite.“ Allgemein ist Romina Herr der ganzen Familie sehr dankbar für alles. „Natürlich war und bin ich auch mit 28 noch immer das kleine Sorgenkind.“
Blutgerinnungsstörung
Seit der letzten großen Herz-OP muss sie Marcumar nehmen, denn zusätzlich zum Herzfehler leidet sie an einer angeborenen Blutgerinnungsstörung (Faktor V), was ein erhöhtes Thromboserisiko mit sich bringt. Außerdem hatte sie viele Jahre lang eine schwere Form von Epilepsie, die sich auch medikamentös nicht einstellen ließ. Sie war mit besonders schweren „Grand-Mal-Anfällen“ oft im Epilepsiezentrum in Kork. Die Epilepsie verlor sich im Jugendalter jedoch wie von selbst.
Man sieht der jungen Frau ihre Herzkrankheit nicht an. Viele wüssten nicht, dass es für ihre Art von Herzfehler keine Heilung gibt. „Die Herz-OPs im Kindesalter waren nur eine Palliation, was bedeutet, dass man zwar eine Verbesserung, aber keine Heilung des Herzfehlers vornehmen konnte.“ Sie ist schneller aus der Puste, braucht mehr Pausen und ist schneller müde als gesunde Gleichaltrige.
Bis Ende des vergangenen Jahres seien die Müdigkeit und geringe Belastbarkeit noch sehr viel stärker gewesen. In ihrer Pulmonalarterie (Lungenarterie) und im Fontantunnel befanden sich zwei große Engstellen, die in Freiburg per Herzkatheter mit einem Stent und einer Ballondilatation erweitert wurden.
„Der Fontantunnel ist ein Kunststoffröhrchen, das bei der letzten Herz-Operation eingesetzt wurde, um die Vena Cava Inferior, die große Vene der unteren Körperhälfte, mit der Lungenschlagader zu verbinden“, erklärt sie.
Leidenschaft Fotografie
Seit dem Herzkatheter kann sie wieder ihrer größten Leidenschaft, der Fotografie, nachgehen. „Besonders im Schwarzwald bin ich gerne unterwegs. Außerdem reise ich für mein Leben gern“, schwärmt sie vom Urlaub, „am liebsten in den Bergen“.
2021 verbrachte sie ihren Urlaub mit drei anderen Herzkranken in der Schweiz. „Die drei „Herzchen“ habe ich zuvor in den Sozialen Medien über meinen Herzaccount „_herzwelt_“ kennen gelernt. Wir verstanden uns auf Anhieb und die Krankheit stand für uns nicht im Vordergrund.
In den Sozialen Medien ist sie viel unterwegs, tauscht sich dort mit Herzeltern und Herzkranken aus. Auch mit Betroffenen aus dem engeren Umfeld steht Romina Herr in regelmäßigem Kontakt. „Es tut einfach so gut, sich mit diesen Menschen auszutauschen“, sagt sie. Auch hier kreisen die Themen nicht nur um die Krankheit. „Viele Herzeltern sehen mich als Vorbild“, bestätigt sie. Die lieben Nachrichten würden sie sehr glücklich und auch ein wenig stolz machen. „Man fühlt sich wertgeschätzt, verstanden und weniger allein.“
Ausbildung in Teilzeit
Manche gesunde Menschen würden allerdings nicht ganz so gut damit zurechtkommen. „Viele verstehen es nicht, dass ich nur den halben Tag arbeite oder schneller müde bin.“ Sie macht momentan eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten - in Teilzeit, weil sie es wegen der körperlichen Anstrengung in Vollzeit nicht schafft.
„’Leser helfen’ ist eine tolle Aktion, denn sie macht auf wichtige Themen aufmerksam, die in unserer Gesellschaft oft kein Gehör finden“, betont Romina Herr. Vielen Menschen sei es gar nicht bewusst, wie oft Herzerkrankungen eigentlich vorkommen und wie selten manche Herzfehler sind. „Es ist so wichtig, dass auf dieses Thema aufmerksam gemacht und darüber gesprochen wird.“
„Und, dass man endlich beginnt, es als normal anzusehen, dass Krankheiten eben jeden treffen können. Auch junge Menschen“, ergänzt sie. Romina Herr wünscht sich, dass die Gesellschaft anfängt, das zu verstehen: „Nur weil etwas nicht sichtbar ist, heißt es nicht, dass es nicht da und vor allem nicht auch komplex ist.“
Für weitere Informationen oder Nachfragen zur Spendenaktion „Leser helfen“ wenden Sie sich bitte an die Redaktion der MITTELBADISCHEN PRESSE unter: wolfgang.kollmer@reiff.de oder 0781/5043533.