So schwierig ist die Suche nach passenden Pflegeltern in der Ortenau
"Es ist mir eine Herzensangelegenheit, eine liebevolle Familie für das Kind zu finden", sagt Monika Schmidt, bevor sie tief Luft holt und lange ausatmet. Über das zu sprechen, was ihre Enkeltochter in den vergangenen Jahren erlebt hat, fällt der 78-Jährigen nicht leicht – das sagt sie selbst. Auch erkannt werden möchte sie nicht, eigentlich heißt Monika Schmidt anders. Weil sie sich hilflos fühlt und ihrer achtjährigen Enkelin helfen möchte, macht sie ihre Geschichte dennoch öffentlich.
Mädchen in Obhut
Es ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, das seit rund zwei Jahren in einem Kinderheim im Kreis untergebracht ist. Ihre Mutter, Monika Schmidts Tochter, kämpfte in den Jahren davor mit psychischen Problemen. Als sie deshalb schließlich nicht mehr in der Lage war, für ihr Kind zu sorgen, nahm das Jugendamt es in Obhut. Das war 2022. Bis heute ist die Kleine im Heim. Der Zustand ihrer Mutter hat sich nicht ausreichend gebessert, um sie dorthin zurückzubringen.
„Dass sie so vieles, was Kinder in der Familie haben, entbehren muss, das tut mir in der Seele weh. Aber mir sind die Hände gebunden", erklärt die Großmutter. Zum leiblichen Vater, von dem die Mutter getrennt lebt, seit das Kind ein Baby war, kann das Mädchen nicht. Er komme finanziell für sie auf, wolle aber keinen Kontakt. Auch Schmidt kann ihre Enkelin nicht aufnehmen: "Ich bin zu alt, kriege sie nicht mehr. Und ich hätte auch nicht mehr die Kraft dafür, das merke ich selber.“
Es bleibt nur noch die Möglichkeit, die Grundschülerin in einer Pflegefamilie unterzubringen. Doch die Suche nach einem geeigneten Platz gestaltet sich offenbar schwierig.
Melanie Maulbetsch-Heidt, Leiterin des Ortenauer Jugendamts, sagt zum Thema allgemein: "Durch die individuelle Vorgeschichte eines Kindes und den jeweiligen Umständen, kann es durchaus eine Herausforderung darstellen, einen passenden Platz in einer Pflegefamilie zu finden." Wenn Kinder beispielsweise Beeinträchtigungen oder Entwicklungsverzögerungen aufweisen würden, müssten die Pflegeeltern dieser Herausforderung gewachsen sein. Zudem würden therapeutische Settings, die Kinder bei erlebten Traumata unterstützen sollen, vor allem in Heimeinrichtungen zur Verfügung stehen.
194 Heimkinder
Insgesamt gebe es im Kreis aktuell 312 Vollzeitpflegefamilien und sechs Bereitschaftspflegefamilien. Im Landesvergleich seien das viele Hilfen, dennoch suche man laufend nach weiteren Pflegeeltern. Die Anwärter müssen allerdings bestimmte Kriterien erfüllen (siehe Hintergrund). Zum 31.Dezember befanden sich laut Maulbetsch-Heidt 284 Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege. "Zum gleichen Stichtag waren 194 Kinder in einer Heimeinrichtung untergebracht", sagt sie. In Obhut genommen worden seien 2023 insgesamt 140 Kinder: "Hierbei ist wichtig, dass nicht jeder Unterbringung in einer Pflegefamilie oder Heimeinrichtung eine Inobhutnahme vorausgeht."
Schmidt betont, dass ihre Enkelin auch in der aktuellen Situation ausreichend versorgt ist. Das Jugendamt leiste gute Arbeit und habe es überhaupt erst ermöglicht, dass sie und ihr Mann die Enkelin wieder regelmäßig sehen können. Alle zwei Wochen sei die Kleine bei ihnen zu Besuch. Sie wirke dann aufgeweckt, erzähle vom Spielen und der Schule. Über das Heim hingegen, ihre Wünsche und Sehnsüchte, darüber spreche sie nicht. Monika Schmidt will bei diesen Themen nicht nachbohren, um keine seelischen Wunden aufzureißen. Sie merke an den Blicken des Kindes aber durchaus, dass sie oft traurig ist. Auch, wenn im Heim Sozialarbeiter auf sie aufpassen und sie bei den Schulaufgaben unterstützen.
"Ein Heim ist ein Heim und keine Familie", sagt die Oma. Eine solche Einrichtung könne diese besondere Geborgenheit nicht ersetzen. Und Pflegeeltern als feste Bezugspersonen würden Kindern Verlässlichkeit bieten und ihnen helfen, wieder Vertrauen zu fassen. Auch zu ihr als Großmutter habe das Mädchen erst wieder einen Draht aufbauen müssen, obwohl sie Schmidt von klein auf kannte: "Das musste sich erst einspielen."
Eine gute Familie
„Meine einzige Beruhigung wäre halt, wenn ich wüsste, sie ist in einer guten Familie, wo man sich wirklich liebevoll um sie kümmert und sie auf dem Weg ins Leben begleitet“, sagt Schmidt. Sie würde sich freuen, wenn auch nach einer möglichen Unterbringung in einer Pflegefamilie weiterhin Treffen mit der Enkelin möglich wäre. Zumindest die räumliche Entfernung sollte dabei im Regelfall kein Problem darstellen. Zwar gibt es laut Jugendamtsleiterin Maulbetsch-Heidt keine Höchstgrenze bei der Entfernung des vorherigen Wohnorts und dem Wohnort der Pflegefamilie: "In der Regel belegen wir Pflegefamilien innerhalb des Ortenaukreises."
Wer kann ein Pflegekind aufnehmen?
Pflegeeltern werden können laut Melanie Maulbetsch-Heidt verheiratete, unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare, mit oder ohne Kinder, die in einer langfristigen Partnerschaft leben. Auch Alleinerziehende können unter bestimmten Voraussetzungen ein Pflegekind aufnehmen. Einfühlungs- und Reflexionsvermögen, Geduld, Belastbarkeit, Offenheit, Toleranz und idealerweise Erfahrung in der Erziehung, Betreuung und Förderung von Kindern seien wichtig. Pflegeeltern werden mit Gesprächen und Seminaren vorbereitet und auch darüber hinaus begleitet und unterstützt. Der Lebensunterhalt für das Kind wird übernommen und weitere Beihilfen, beispielsweise zur Förderung von Interessen und Begabungen, sind möglich. Pflegeeltern erhalten eine Pauschale für ihren alltäglichen Aufwand und können anteilige Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung und Rentenversicherung erhalten. Sie üben ihre Tätigkeit im Ehrenamt aus.