"Solavie" will sozial-ökologische Landwirtschaft gründen

Noch bebauen die »Solavie«-Aktivisten Teile eines Ackers bei Neuried-Altenheim nur für den Eigenverbrauch – nächstes Jahr soll hier die erste alternative Landwirtschaft der Ortenau entstehen. ©Peter Heck
Ein weltweiter Trend erreicht die Ortenau: Ab dem nächsten Jahr will der Verein »Solavie« in Neuried-Altenheim eine Öko-Landwirtschaft aufbauen, die Lebensmittel nach sozialen Kriterien herstellt. Die Aktivisten brechen mit der Billig- und Massenproduktion, stattdessen setzen sie auf eine neue Betriebsweise.
Der Verein »Solavie« plant im nächsten Jahr die Gründung einer Landwirtschaft in der Ortenau, die Lebensmittel nach ökologischen und sozialen Maßstäben produziert. Der Startschuss für das Projekt fiel bei der jüngsten Mitgliederversammlung. Der Aufbau des Betriebs soll von den Mitgliedern selbst finanziert werden, indem sie Anteile an der Landwirtschaft erwerben. Dafür erhalten sie regelmäßige Lieferungen mit Bio-Gemüse. Aus Konsumenten werden »Mitbauern«.
Bei ihrer Versammlung haben die Aktivisten Anteile im Gesamtwert von knapp 50 000 Euro gekauft – zur Deckung der Betriebskosten werden Berechnungen der Vereinsspitze zufolge jährlich 61 000 Euro benötigt. Nach Angaben der »Solavie«-Aktivistin Marlene Werfl bleibt bis zum 31. August Zeit, den fehlenden Betrag einzuwerben. »Jeder kann selbst bestimmen, wie viel er für seinen Anteil zahlt«, sagt Werfl im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse. »Im Durchschnitt sollten es etwa 100 Euro monatlich sein.«
50 Sorten Gemüse
Das bäuerliche Kollektiv soll auf einem 2,4 Hektar großen Acker bei Neuried-Altenheim entstehen. Schon jetzt bebauen die Aktivisten einen Teil des Felds mit Gemüse für den Eigenbedarf. »Wir setzen auf regionales und saisonales Gemüse«, sagt Werfl. Der Einsatz von Pestiziden sei tabu, Schädlinge sollen stattdessen mit Tees und Laugen bekämpft werden. 50 verschiedene Sorten Gemüse will »Solavie« in Altenheim anbauen. Die ersten Ernteanteile könnten ab April nächsten Jahres verteilt werden.
Die solidarische Landwirtschaft wolle nicht nur gesunde, sondern auch fair produzierte Lebensmittel anbieten, sagt Werfl. Ziel sei es, die Betriebe aus den Zwängen des globalen Wettbewerbs zu befreien. Das soll durch die genossenschaftliche Organisation gelingen, in der die Anteilseigner das unternehmerische Risiko tragen, etwa bei Ernteausfällen. Dafür können sie mitbestimmen, was zu welchen Bedingungen angepflanzt wird.
Diese Idee hat in den vergangenen Jahren weltweit Fuß gefasst (siehe Hintergrund). Allein in Deutschland gibt es 70 solcher alternativer Betriebe. Der Erfolg der solidarischen Landwirtschaft ist laut Werfl auch auf ein neues Verhalten der Verbraucher zurückzuführen. »Immer mehr Menschen wollen wissen, wo und wie ihre Lebensmittel produziert werden.« Der Ortenauer Verein zählt im zweiten Jahr seines Bestehens nach eigenen Angaben mehr als 100 Mitglieder.
Jetzt schuftet Werfl, die durch einen Freund auf »Solavie« aufmerksam wurde, selbst auf dem Feld in Altenheim. Für die Rentnerin, die früher als Industriekauffrau und Mediatorin gearbeitet hat, ist das eine neue Erfahrung: »Der Kontakt mit Erde und Pflanzen stößt einen Reflexionsprozess an.«
Projekt zurechtgestutzt
Noch ist das Projekt nicht in trockenen Tüchern – und es wäre nicht das erste Mal, dass »Solavie« mit seinen Plänen scheitert. 2014 musste die Betriebsgründung wegen zu geringer Nachfrage abgebrochen werden. Um das Projekt im zweiten Anlauf zu realisieren, wurde es von den Mitgliedern zurechtgestutzt: Sie kürzten das Budget um 8000 Euro.
Wenn das fehlende Geld bis zum 31. August zusammenkommt, will der Verein den Acker bei Altenheim pachten, zwei Gärtner anstellen und Arbeitsgeräte sowie Samen kaufen. Zudem seien jährliche Investitionen in die Betriebsmittel vorgesehen.
Eine weltweite Bewegung
Die kollektive Bewirtschaftung von Feldern im Allgemeinbesitz gab es schon im Mittelalter. »Allmende« wurde der Boden damals genannt. Die neue Bewegung der solidarischen Landwirtschaft stammt aus Japan, wo sie in den 1960er-Jahren entwickelt wurde. Unabhängig davon entstand in den USA während der 1980er-Jahre die »community supported agriculture«. In Europa fand die Bewegung lange den größten Widerhall in der Schweiz. Seit der Wirtschaftskrise gewinnen Landwirtschaftskollektive auch in manchen südeuropäischen Staaten wie Spanien an Attraktivität. In Frankreich gibt es lokal agierende Vereine.