Wie das Sozialteam Familien krebskranker Kinder zur Seite steht

Sie helfen beim Ausfüllen von Anträgen, geben Tipps oder hören zu: Kerstin Topolic (links) und Andrea Schulz-Aufrecht kümmern sich um die Bedürfnisse von Eltern mit krebskranken Kindern. ©Förderverein für krebskranke Kinder
„Gegen Ende kommt die absolute Erschöpfung“: Im Elternhaus finden Familien mit krebskranken Kindern nicht nur ein Zuhause auf Zeit. Auch psychologische Hilfe und ganz praktische Unterstützung gehören zum Konzept.
Frau Topolic, Frau Schulz-Aufrecht, Sie unterstützen Eltern krebskranker Kinder. Was genau ist ihre Aufgabe?
Kerstin Topolic: Unsere Aufgaben sind vielfältig und individuell. Viele Eltern befinden sich in einer Art Schockzustand wenn sie zu uns kommen.
Andrea Schulz-Aufrecht: Es ist dann unsere Aufgabe, herauszufinden, was die Betroffenen brauchen. Dazu dient in der Regel unser Aufnahmegespräch. Dafür gehen wir auf die neuen Familien zu.
Wie läuft so ein Gespräch dann ab?
Schulz-Aufrecht: Wir versuchen zu klären, welche Sorgen die Familie hat und wie wir unterstützen können. Wir schauen, ob es Probleme mit der Krankschreibung eines Elternteils gibt, wie die gesunden Geschwister betreut sind oder ob eine finanzielle Notlage droht
Sind finanzielle Probleme oft ein Thema?
Schulz-Aufrecht: Ja, denn tatsächlich ist es ja so, dass ein Elternteil die komplette Therapiezeit über nicht arbeiten gehen kann. Das sind viele Wochen, Monate oder sogar Jahre. Und wenn es Geschwister gibt, müssen auch die versorgt sein, was oft zu weiteren Verdienstausfällen führt. Besonders schwer trifft es oft Alleinerziehende.
Wie können Sie dann helfen?
Schulz-Aufrecht: Wir haben Kontakte zu Stiftungen und auch der Förderverein hat Möglichkeiten, Familien finanziell zu unterstützen.
Werden Eltern eigentlich automatisch für die Behandlungsdauer krankgeschrieben?
Topolic: Nein, so leicht ist es leider nicht. Wenn sich die Krankheitszeit in die Länge zieht, fallen die Eltern in eine Art Lücke im System. Denn die Eltern müssen sich persönlich krankschreiben lassen aufgrund der psychischen Belastungssituation. Die Möglichkeit auf Krankschreibung ist zeitlich begrenzt und die Kassen drängen auf einen baldigen Wiedereinstieg. Dabei ist das den Eltern eines schwerkranken Kindes einfach nicht möglich.
Ist Ihre Hilfe also vor allem ganz praktischer Art?
Topolic: Wir hören schon oft einfach nur zu und halten mit den Eltern gemeinsam aus. Den meisten Eltern tut es gut, ihre Sorge um das erkrankte Kind offen und ehrlich zu teilen.
Gibt es auch Eltern, die nicht reden wollen?
Topolic: Da ist jeder Mensch tatsächlich anders. Es ist uns wichtig, niemanden zu drängen, sondern die jeweiligen Bedürfnisse zu erspüren. Für das erste Gespräch gehen wir aber aktiv auf die Familien zu. Oft verändern sich die Bedürfnisse und Probleme im Verlauf der Wochen und Monate auch und der Kontakt wird unter Umständen intensiver.
Schulz-Aufrecht: Das stimmt. Anfangs sind die Eltern oft überfordert oder sie wollen das alles noch nicht wahrhaben. Dann ist sogar das Wort „Krebs“ eine Zumutung für sie.
Topolic: Oder sie geraten schnell in so eine Art Funktioniermodus und vermeiden, die eigenen Ängste und Gefühle zuzulassen.
Eltern, die gut „funktionieren“, brauchen ihre Hilfe also gar nicht unbedingt?
Schulz-Aufrecht: Zunächst denken viele, dass sie das schaffen, wenn sie nur lange genug die Zähne zusammenbeißen. Oft reicht das nicht aus. So eine Krebstherapie ist schließlich kein Sprint sondern ein monatelanger und manchmal auch jahrelanger Marathon. Und es liegt uns sehr am Herzen, die Eltern immer wieder daran zu erinnern, zwischendurch auch an sich selbst zu denken und ihre Kräfte gut einzuteilen. Die erkrankten Kinder brauchen starke Eltern an ihrer Seite.
Wie helfen Sie den Eltern konkret, Kraft zu tanken?
Topolic: Es tut Eltern gut, sich fallen lassen zu dürfen, auch mal zu weinen, nicht stark sein zu müssen.
Schulz-Aufrecht: Manche brauchen aber tatsächlich auch ganz praktische Hilfe. Sie brauchen jemanden, der ihnen bei bürokratischen Dingen hilft oder ein Päckchen zur Post bringt. Es kommt auch vor, dass wir einfach spazieren gehen und dabei auch über das Wetter oder andere Alltäglichkeiten sprechen. Die meisten Eltern sehnen sich nach Alltag und Normalität.
Gibt es im Elternhaus die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen?
Topolic: Ja, wir bieten zum Beispiel 14-tägig kreative Angebote an. Durch das gemeinsame Tun entspannt man sich, es können sich Gespräche und Kontakte entwickeln.
Was ist, wenn Eltern aufgrund der Situation selbst krank werden?
Topolic: Dann versuchen wir, Ärzte zu vermitteln. Wobei es leider fast aussichtslos ist, kurzfristig Therapieplätze zu bekommen...
Wie kommt es, dass manche Menschen so viel auszuhalten scheinen und andere fast zerbrechen?
Schulz-Aufrecht: Menschen können unglaublich stark sein. Aber die Ausgangssituation ist in allen Familien eine andere. Wenn man ohnehin schon ein schwieriges Leben hat, und dann kommt die Krebserkrankung des Kindes hinzu, dann wird es schnell grenzwertig.
Topolic: Das gilt auch für die Beziehungen. Wir sehen hier Beziehungen, die an der Belastung zerbrechen. Es gibt aber auch Eltern, die rückblickend sagen, die schwere Zeit habe sie zusammengeschweißt und als Paar noch stärker gemacht.
Gibt es auch etwas, was alle Familien gemeinsam haben?
Schulz-Aufrecht: Bei den meisten kommt gegen Ende die absolute Erschöpfung. Je näher das Therapieende rückt, desto stärker wird deren Geduld auf die Probe gestellt und Rückschläge und Verzögerungen erscheinen dann kaum noch aushaltbar.
Topolic: Es ist fast immer so, dass die Zeit der Erkrankung noch lange nachwirkt. Ein halbes Jahr nach überstandener Erkrankung ist meistens noch lange nicht alles ausgeheilt. Es kommt die Angst vor einem Rezidiv. Und der Weg zurück in den Alltag gestaltet sich meist schwieriger als gedacht. Oft zeigt sich dann, dass Eltern zu lange über ihre Grenzen hinausgehen mussten. Deshalb versuchen wir schon während der stationären Therapie dafür zu sensibilisieren, mit den eigenen Kräften zu haushalten, sich auch mal was Gutes zu tun. Wir werben dafür, es zu Hause langsam angehen zu lassen und sich nicht mit zu hohen Erwartungen an die Rückkehr in die Normalität zu überfordern.
Schulz-Aufrecht: Das Nachhause-Kommen ist oft anders, als Familien sich das vorgestellt haben. Manche berichten, dass sie sich zu Hause plötzlich fremd oder unverstanden fühlen. Oft haben sich Freundschaften verändert. Und man darf nicht vergessen, dass so eine extreme Erfahrung auch die Betroffenen selbst verändert.
Inwiefern?
Schulz-Aufrecht: Viele Eltern berichten, dass sie eine andere Sicht aufs Leben bekommen haben. Sie versuchen, stärker im Hier und Jetzt zu leben. Prioritäten und Wichtigkeiten haben sich verschoben.
Spenden für ein neues Elternhaus
Der Förderverein für krebskranke Kinder unterhält in Freiburg ein Elternhaus in unmittelbarer Nähe zur Kinderklinik. Mit dem Neubau der Klinik wird es auch ein neues Elternhaus geben. Zwölf Millionen müssen dafür über Spenden aufgebracht werden. Die Mittelbadische Presse unterstützt mit ihrer diesjährigen Benefizaktion „Leser helfen“ den Förderverein und sammelt für das neue Elternhaus. Spenden Sie!
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