Sven Wilhelm: Der Bio-Bauer mit der Pommesgabel

(Bild 1/2) Sven Wilhelm stammt ursprünglich aus Legelshurst im Hanauerland und hat sich lange gar nicht für die Landwirtschaft interessiert. Mittlerweile ist der 44-Jährige der erste Biobauer im Renchtal. In seinen Folientunneln wachsen etwa Paprika und Auberginen ©Iris Rothe
In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (32): Sven Wilhelm aus Oberkirch-Haslach. Der 44-jährige Bio-Bauer hat erst spät zu seiner Berufung gefunden und entspannt sich auf Heavy-Metall-Konzerten.
Knacks macht es, als Sven Wilhelm in die rote Paprika beißt. Er steht in einem seiner Folientunnel in Oberkirch-Haslach. Die Paprika hat er gerade eben geerntet und sie schmeckt wunderbar frisch und knackig. Obst und Gemüse direkt vom Feld ist ein Genuss. Im Sommer verputzt Sven Wilhelm auf diese Art täglich mindestens eine Schlangengurke. Das ist nämlich sein Lieblingsgemüse. Und nicht nur seins. Viereinhalb Tonnen Schlangengurken hat er in dieser Saison geerntet. Die Nachfrage ist groß.
Ohne chemisch-synthetische Spritzmittel
Während er zwischen Paprika und Auberginen steht, sprudelt es nur so aus ihm raus, was er alles tut, um sein Gemüse ohne chemisch-synthetische Spritzmittel wachsen zu lassen. Er spricht von Beikräutern statt von Unkraut, von Knoblauch, der die Mäuse fernhält, und von Marienkäfern gegen Läuse. Denn Sven Wilhelm ist Biobauer.
Das Interesse kam erst spät
„Obst, Gemüse, Heavy Metall“ Das steht auf Sven Wilhelms Auto. Der Spruch ist nicht nur ein Hingucker. Er unterstreicht, dass der 44-Jährige nicht ganz dem typischen Bild eines Landwirts entspricht. „Das will ich auch gar nicht“, lacht er. Nicht nur der Bart mit Zopf macht den Landwirt zu etwas Besonderem. Er ist auch der erste und bisher einzige Bio-Bauer in Oberkirch. Und zwar einer aus Leidenschaft, und das, obwohl er gar nicht aus einer Bauernfamilie stammt.
„Ich hatte mit Landwirtschaft nie etwas am Hut“, erzählt Sven Wilhelm, der im Hanauerland groß geworden ist. Zwar habe es um ihn herum Maisanbau und Schweinezucht gegeben, aber von Interesse war das für ihn nicht. Die Liebe zur Erzeugung von Lebensmitteln kam mit der Liebe zu seiner Frau Alexandra. Die gelernte Werkzeugmacherin stammt von dem Hof in Oberkirch-Haslach, der heute Demeterhof Wilhelm heißt.
In den Reben mitgearbeitet
Der Hof baute Obst und vor allem Wein an. Über die Mithilfe in den Reben hat Sven Wilhelm entdeckt, dass er Landwirt werden will. Denn die Natur hat ihn fasziniert: „Die Natur gleicht das aus, was wir Menschen falsch machen. Es gibt außerdem kein Jahr, das so ist wie das andere. Dieses Unplanbare, das gefällt mir“. Vieles hat Sven Wilhelm von seinem Schwiegervater gelernt. Den hält er für ein echtes Phänomen. „Der hat die Natur in den Händen“, sagt er über ihn. Als Sven Wilhelm und seine Frau beschlossen, den Hof zu übernehmen und weiterzuführen, war für sie sofort klar: „Wenn, dann nur Bio. Und wenn, dann richtig. Also als Demeterhof, denn Demeter hat die strengsten Richtlinien.“
Normalerweise muss ein Hof, wenn er auf Ökolandbau umstellt, zwei Jahre Umstellungsphase hinter sich bringen. Weil Sven Wilhelms Schwiegervater bereits auf chemische Spritzmittel verzichtet hatte, wurde diese Zeit auf ein Jahr verkürzt. Ein Glück für die Wilhelms, denn die Umstellungsphase ist eine schwierige und der Grund, warum sich so viele Landwirte vor der Umstellung auf Bioanbau fürchten. „Man produziert bereits komplett nach Bio-Kriterien, verkauft die Ware allerdings wie konventionell erzeugte, also auch zu diesem Preis“, erläutert Sven Wilhelm.
Viele schlaflose Nächte
In dieser Umstellungsphase ließ ein Händler Sven Wilhelm außerdem im Stich und nahm die vereinbarte Menge an Obst nicht ab. Aus einigem Obst und Gemüse ist in diesem ersten Jahr daher Kompost geworden. Für die Wilhelms brachte die Lage viele schlaflose Nächte. Doch an der Überzeugung, dass Bioanbau der einzig richtige Weg für die Familie ist, konnte auch diese Situation nichts ändern.
Inzwischen läuft der Demeterhof Wilhelm richtig gut. Deshalb will Sven Wilhelm andere Landwirte dazu motivieren, auch auf Bioproduktion umzustellen und ihnen mit seinen Erfahrungen zur Seite stehen. Sven Wilhelm ist zum Aktivist geworden, und zwar als Mitbegründer der Bioregion Mittelbaden. Die Landesregierung Baden-Württemberg will den Bioanbau im Land fördern. Bis 2030 soll auf 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Bioanbau stattfinden. Mit dem Wettbewerb zur Bio-Musterregion will das Land diese Entwicklung fördern.
In einer solchen Musterregion sind nicht nur Landwirte organisiert, sondern auch Händler, Läden, Schulen, Kantinen, Gastronomiebetriebe und mehr. Gemeinsam mit Mitstreitern aus den Landkreisen Rastatt und Baden-Baden hat er die Bioregion Mittelbaden gegründet und sich um die Förderung beim Land beworben. Im Dezember kam schließlich die gute Nachricht: Die Bewerbung zur Bio-Musterregion war erfolgreich. Mit den Landesmitteln will die Region einen Mitarbeiter finanzieren, der sich professionell um die verschiedenen Projekte bemüht.
Umweltthemen im Fokus
Sich zu engagieren, ist Sven Wilhelm nicht fremd, denn er bringt sich auch im Haslacher Ortschaftsrat ein. Auch hier macht er sich für Umweltthemen stark und rennt da bei seinen Kollegen offene Türen ein. „Die Kollegen im Ortschaftsrat sind da sehr offen und engagiert“, freut er sich. Wichtig findet es Wilhelm, Kindern den Wert guter Lebensmittel zu vermitteln. Deshalb hat er schon die dritte Klasse der Haslacher Grundschule bei sich auf dem Feld gehabt. Dort durften die Kinder Salat setzen, später Beikräuter entfernen und schließlich auch ernten.
Enkelgerechte Landwirtschaft
Dass man vom Bioanbau leben kann, davon ist Sven Wilhelm überzeugt. Dass es die einzige Möglichkeit ist, enkelgerechte Landwirtschaft zu betreiben, auch. Die Nachfrage nach Bio wachse. Deshalb sei es wichtig, diese Nachfrage auch mit Produkten aus der Region zu befriedigen. Wenn Sven Wilhelm mal nicht im Folientunnel steht, dann geht er mit seiner Frau gerne auf Konzerte. „Wir sind beide Anhänger der Pommesgabel“, lacht er und spielt auf die Geste der „Metalhand“ an.
Beim Rocken wird er ruhig
Wenn es um ihn herum so richtig rockt, dann wird Sven Wilhelm ruhig. „Da komm ich runter. Den Alltag schalte ich ab, alles, was mich beschäftigt, wird auf Eis gelegt“, schildert er.
Nach so einem Konzert habe er wieder Kraft für neue Ideen. Und dann zieht es ihn wieder in die Natur, denn die macht ihn glücklich. „Wenn ich in unsere Folientunnel schaue, dann sehe ich dort eine intakte Umwelt, wo sich Schädlinge und Nützlinge die Waage halten, wo Beikräuter wachsen dürfen und wo wir eine Ernte einfahren dürfen, die wir selbst gerne essen.“
Sven Wilhelm
Sven Wilhelm ist 1976 in Legelshurst geboren. Nach der Schule hat er die Sanitätsfachschule der Bundeswehr besucht und war anschließend bei der deutsch-französischen Brigade in Donaueschingen stationiert. Durch seine Frau hat er zur Landwirtschaft gefunden, hat an der Abendschule den Lehrgang zum Winzer im Nebenerwerb besucht und sich in viele landwirtschaftliche Themen hineingearbeitet.
Gemeinsam mit seiner Frau Alexandra betreibt er den Obst- und Gemüsehof Wilhelm in Oberkirch-Haslach, den er vor drei Jahren auf Bio-Produktion nach den Demeter-Richtlinien umgestellt hat. Der 44-Jährige ist außerdem Mitbegründer der Bioregion Mittelbaden und im Haslacher Ortschaftsrat aktiv. Er hat drei Kinder im Alter von 20, neun und sieben Jahren sowie ein neun Monate altes Enkelkind.