Tivoli Filmtheater Achern
Dossier: 

Thomas Mänteles Liebe zur Filmkunst wurde in seiner Kindheit geweckt

Von Regina de Rossi
Lesezeit 7 Minuten
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09. March 2023
Hier fühlt sich Thomas Mäntele wohl: Das große Bild zeigt den 56-Jährigen im Filmtheater Tivoli in Achern.

(Bild 1/2) Hier fühlt sich Thomas Mäntele wohl: Das große Bild zeigt den 56-Jährigen im Filmtheater Tivoli in Achern. ©Regina de Rossi

In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (126): Thomas Mäntele hatte eine sehr ungewöhnliche Kindheit. Bekannt ist der 56-Jährige für sein Faible für die Filmkunst. Er verantwortet, was im Kino Achern gezeigt wird.

Ein Saal, hell beleuchtet. In Reih und Glied hochgeklappte Sessel vor einer großen Leinwand. Noch ist sie verborgen hinter einem dicken Vorhang, was zur erwartungsvollen Stimmung beiträgt. Nach und nach füllt sich der Saal. Gedämpftes Stimmengewirr, das abrupt aufhört, wenn das Licht ausgeht. Wo früher das leise Rotieren einer Filmkamera einsetzte, ist heute absolute Stille. Ein Augenblick, zu dem Thomas Mäntele verkündet: „Wenn’s Licht ausgeht, ist alles möglich.“

Thomas Mäntele aus Achern ist bekennender Cineast, ein Liebhaber der Filmkunst und aktuell verantwortlich dafür, was im Kino Achern gezeigt wird. Dass der 56-Jährige hier, gemeinsam mit dem 2018 gegründeten Verein auf einem guten Weg ist, davon zeugen nicht nur die Rückmeldungen der Besucher, die das Tivoli Filmtheater wiederentdeckt haben. Die deutsche Kinemathek hat dem Tivoli Filmtheater in Achern den Preis „Kino das wagt“ zugesprochen. Namhafte Regisseure und Filmemacher wie der Oscar-Preisträger Pepe Danquart, der langjährige Berlinale-Chef Dieter Kosslik oder, ganz aktuell, Bernd Michael Lade, Regisseur und Hauptdarsteller seines Film „Der Zeuge“ waren hier persönlich anwesend.

Zu neuem Leben erweckt

Nachdem das Acherner Kino vor einigen Jahren geschlossen wurde, entstand eine Lücke, die die Bürger zu schließen versuchten. Achern ohne sein Kino wollte man sich nicht vorstellen. Es ist Siegfried Stinus zu verdanken, der sich hier für den Erhalt des Filmtheaters einsetzte. Ein Verein wurde gegründet, eine neue Konzeption erstellt und das Tivoli 2018 als Kommunales Kino zu neuem Leben erweckt. „Durch Zufall wurde ich auf den Verein aufmerksam. Man traf sich und ehe ich mich versah, wurde ich in den Vorstand gewählt.“ Gemeinsam mit Joachim Fischer, dem ersten Vorsitzenden und Michael Schindler, der für die Technik zuständig ist, hat Thomas Mäntele fortan viele, viele freie Stunden ehrenamtlich für das Acherner Filmtheater geopfert.

Gerne geopfert, denn verfolgt man seine Biografie, kommt die Liebe zum Film nicht von ungefähr. Die Weichen für das Kino, die wurden bereits in seiner Kindheit gestellt. „Mit vier Jahren kam ich mit meiner Mutter nach Oberachern. Sie arbeitete als Kinderkrankenschwester. Damals zuerst in Bühl, später im Acherner Krankenhaus. Bis zu ihrer Rente“, sagt Thomas Mäntele über seine Kindheit, die er als sehr bereichernd empfand. „Meine Großtante war die Haushälterin von Pfarrer Hermann Walleser, der derzeit die Oberacherner Pfarrgemeinde übernahm. Das Haus war groß genug und so konnten auch wir dort einziehen.“ Das Leben dort sollte sich für den kleinen Thomas als glückliche Fügung erweisen.

„Das Pfarrhaus war ein offenes, liberales und gastfreundliches Haus mit den unterschiedlichsten Besuchern, vor allem natürlich Erwachsene“, sagt er und erinnert sich daran, dass es im Pfarrhaus Bildung und Etikette gab, aber auch Herzens- und Wesensbildung.

„Das war ein anderes Leben“

Ein Fernsehgerät habe es zu dieser Zeit zwar auch im Pfarrhaus gegeben. „Da kam ich allerdings wenig zum Zuge. Gegen den Internationalen Frühshoppen, die Tagesschauen und Kabinettsitzungen kam ich ebenso wenig an, wie gegen das Sonntagskonzert“, so Mäntele. Es war ein anderes Leben als das seiner Schulfreunde - und so gab es wenig Gemeinsames, über das man sich hätte austauschen können. Dafür aber ging es hinaus in die Welt. „Das damalige Jugoslawien war ein beliebtes Urlaubsziel von Pfarrer Walleser. Wir fuhren alle zusammen hin, vor allem aber war Wien ein immer wiederkehrendes Ziel“.

Wien, die Stadt des Theaters, der Opern, Operetten, Konzerte. Und, für Thomas Mäntele, des Kinos. „An der ersten Haltestelle der Bahn in Österreich nutzte ich die halbstündige Wartezeit und raste verbotenerweise raus aus dem Mozartexpress.“ Ziel war der Kiosk in der Unterführung, das Objekt der Begierde: die neuste Ausgabe der Wiener Kronen-Zeitung und mit ihr das aktuelle Kinoprogramm. „Eine Aktion, die meine Mutter immer viel Nerven gekostet hat, für mich aber war damit die restliche Zugfahrt gerettet“, sagt Mäntele und lacht. Damals sei er knapp zehn Jahre alt gewesen und man habe ihm die große Freiheit zugestanden, sich in der Innenstadt völlig frei zu bewegen. Sein Ziel: die Kinos. „Hier begann meine Leidenschaft für die Filmkunst“, erinnert sich der 56-Jährige gerne zurück.

Mozarts Zauberflöte begeisterte ihn

Auch mit dem Theater kam er bereits als Kind in Berührung: „Mozarts Zauberflöte im Raimund-Theater in Wien war mein erstes Bühnenerlebnis und es hat mich wirklich verzaubert“. Kino aber, das bedeutete für ihn damals schon die große Freiheit. Helden wie Bud Spencer und Terence Hill befeuerten seine Fantasie und die Leinwand wurde zur Leidenschaft.

Jede Reise war fortan ein Erlebnis, und doch keine Basis für Freundschaften unter Gleichaltrigen. „Mein Leben verlief einfach etwas anders und ich war mit mir viel allein. Durch die Besucher im Pfarrhaus hatte ich viel Abwechslung, vielleicht auch Anstöße für mein weiteres Leben“, sagt Mäntele und erinnert sich daran, dass er kein besonders anpassungsfähiges Kind gewesen sei. „Eher rebellisch und aufmüpfig.“ Aber mit viel Fantasie und vielen Fragen. „Frag nach“, habe Pfarrer Walleser immer zu ihm gesagt, und: „Vertritt, was du für richtig hälst“.

Nach der Grundschule sollte Thomas Mäntele seine Schulzeit im Internat des Pädagogiums Baden-Baden und an der Klosterschule bis zu seinem Abitur weiterführen. „Ich war kein einfacher Schüler, zwar nicht dumm, aber ich hatte keine Lust aufs Lernen.“ Als er nach dem Abitur die Wirtschaftsschule besuchte, „um halt irgendwas zu machen“, war er bereits als Punker unterwegs - bunt, schrill und auffallend. „Pfarrer Walleser hatte ja viele Freunde, die es gut mit mir meinten und ein befreundeter Arzt meinte, da ich gerne fotografiere, solle ich es doch als Medizinisch-technischer Röntgenassistent versuchen“, berichtet Mäntele über die Schlussfolgerung, doch er befolgte den Rat, bis der Zivildienst dazwischenkam. Nicht ganz zufällig. 

Viele Demos in Freiburg

In Freiburg sollte Thomas einige Jahre seiner Jugend verbringen, nach dem Zivildienst die Krankenpflegeausbildung absolvieren und mit den Freunden auf die Straße gehen: „Gegen irgendetwas wurde hier immer demonstriert“, sagt er. Eine Ausbildung zum Physiotherapeuten folgte einige Jahre später, danach Lehr-und Wanderjahre in Stuttgart und dann zurück in die Heimat mit eigener Praxis. „In dieser Zeit hatte ich eher wenig mit Kino zu tun, das änderte sich, als der Verein Kommunales Kino Filmtheater Tivoli gegründet wurde.“

Er weiß um die große Verantwortung, Filme auszuwählen, die ins Kino locken sollen. Doch „etwas für alle“ ist für den bekennenden Cineasten keine Option: „Kino ist eine Kunstform, ein Podium für unterschiedlichste Themen und Sichtweisen. Kino darf auch mal weh tun. Man muss sich etwas trauen.“ Seine Begeisterung ist spürbar, sein Engagement deutlich, seine Recherchen aufwendig, aber unabdingbar. „Man wird zu einer Art Perlentaucher“, beschreibt er die Wahl passender Beiträge für das Tivoli - und damit einem doch anspruchsvollen Publikum.

Sehr hohe Ansprüche

Den größten Anspruch aber scheint er an sich selbst zu stellen. Die FKM, die Film-Kunst-Messe in Leipzig, ist das jährliche Tor zur Welt des Arthouse-Kinos. Gemeinsam mit dem ersten Vorsitzenden, Joachim Fischer, dem für die Technik verantwortlichen Michael Schindler und anderen Mitstreitern, geht Mäntele jedes Jahr auf die Suche nach diesen „Perlen“, nach aussagekräftigen, sehenswerten Filmbeiträgen, die unterschiedliche Themenbereich abdecken. Filme, die nicht an der Oberfläche dahintreiben, sondern aus der Tiefe abgeholt werden müssen.

Mäntele: „Wenn du nach dem Kinofilm draußen stehst und hörst, wie die Leute noch in Grüppchen zusammenstehen und reden, dann ist das nicht nur ein gutes Gefühl, sondern du weißt auch, dass du alles richtig gemacht hast.“

Zur Person

Thomas Mäntele

Thomas Mäntele wurde am 15. Januar 1967 in Nürtingen geboren. Im Alter von vier Jahren zog er mit seiner Mutter nach Oberachern. Nach der Grundschule besuchte Thomas Mäntele weiterführende Schulen in Baden-Baden. Er ist examinierter Krankenpfleger und Physiotherapeut. Bis Februar 2023 war er in Leinfelden-Echterdingen, Sasbach und Achern als selbstständiger Praxisbetreiber tätig und arbeitet heute im Angestelltenverhältnis. 2018 trat er dem neu gegründeten Verein Kommunales Kino Filmtheater Tivoli Achern e.V. bei und wurde direkt in die Vorstandschaft gewählt. Hier ist er bis heute aktiv und für die Programmgestaltung zuständig.

 

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