Ortenau-Reportage

Trendsport Headis - Tischtennis mit dem Kopf

Bastian André
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03. März 2016
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©Ulrich Marx

Regelmäßig treffen sich junge Menschen in Lahr-Mietersheim und spielen Tischtennis mit dem Kopf. Was zunächst ungewöhnlich klingt, ist inzwischen ein bekannter Trendsport – und begeistert immer mehr Jugendliche auf der ganzen Welt. 

Es ist ein warmer Donnerstagabend in Lahr-Mietersheim. Die Sonnenstrahlen blitzen gerade noch so durch die Baumkronen hervor. Es ist nicht zu heiß und nicht zu kalt. Perfekt, um noch ein bisschen Sport zu machen. Auf dem Gelände des umzäunten Spielfelds der Gesang- und Sportvereinigung (GSV) Mietersheim läuft eine Gruppe junger Menschen in kurzen Klamotten hastig um eine Tischtennisplatte. Der Anblick ist nicht neu. Rundlauf um die Platte, das hat unsereins schon in der fünften Klasse während der großen Pause gemacht. 

Aber jetzt ist etwas anders. Keiner der Spieler hält einen Schläger. Auch der weiße Spielball ist irgendwie viel zu groß. Und dann beugen sich die Teilnehmer immer so merkwürdig in die Knie, setzen an zum großen Sprung oder hechten einfach mal quer über die Platte. Was läuft da denn?

Headis nennt sich das – es ist eine Mischung aus Tischtennis und dem Kopfball, wie er aus dem Fußball bekannt ist. Denn statt den Ball mit einem Schläger zum Gegenüber zu befördern, benutzen die Spieler dafür ihren Kopf. Der Begriff Headis setzt sich folglich aus dem englischen »Head« für »Kopf« und dem Wort »Tennis« zusammen. 

Und tatsächlich erinnern die Manöver der Spieler eher an richtiges Tennis als an den kleinen Bruder Tischtennis. Schnell in die Hocke, den anfliegenden Ball anvisieren, Körper und Kopf wieder in Richtung des weißen Runden strecken, dazu verzerrtes, da hochkonzentriertes  Gesicht – und Abschuss. Mit sieben Zoll Größe und einem Gewicht von 100 Gramm ist der weiche Schaumstoffball ultraleicht. Weh tut da ein Kopfball also nicht. Wäre auch schlecht, denn anders darf man Headis nicht spielen – der Einsatz von Hand und Fuß ist verboten.

Erfunden hat diesen Sport der Sportstudent René Wegner im Jahr 2006 in einem Freibad in Kaiserslautern. Dort wollte er mit Freunden eigentlich Fußball spielen, doch der Spielplatz war belegt. Also wechselten sie kurzerhand zur freien Tischtennisplatte und spielten sich – mangels der nötigen Tischtennis-Ausrüstung – einfach den Fußball mit dem Kopf über die Platte zu. 

Headis war geboren – so erzählt es Wegner auf seiner Internetseite. Im Rahmen seines Sportstudiums entwickelte er die Idee weiter.  2008 war Headis bereits offiziell ins Programm des Hochschulsports an seiner Uni in Saarbrücken aufgenommen. Von da an eroberte der neuartige Ballsport einen Sportplatz nach dem anderen, hauptsächlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda zwischen Studenten. Als Stefan Raab den Sport 2012 schließlich in seiner ProSieben-Show »Schlag den Raab« spielt, erreicht Headis endgültig nationale Bekanntheit.

Dass Headis nun den Weg nach Mietersheim gefunden hat, ist Philip Kost zu verdanken. Der 29-Jährige kennt das Spiel mit Köpfchen schon seit 2007 von einem Freund, der jenerzeit in Ravensburg Betriebswirtschaftslehre studierte und Kost von Headis erzählte. Schnell sei er Feuer und Flamme dafür gewesen: »Egal wo man damit auftaucht, sofort kommen Leute dazu und spielen mit«, sagt Kost begeistert. Er konnte den GSV von dem Sport überzeugen. 

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Seither darf er mit seinen Mitspielern auf dem GSV-Gelände spielen – inzwischen immer dienstags, mittwochs und donnerstags. Die erste Tischtennisplatte hat Kost selbst gekauft, mittlerweile sind es zwei, und auch den Ball, der eine Spezialanfertigung ist. 15 Euro kostet der im offiziellen Online-Shop. »Headis ist seit 2012 ein eigenes Unternehmen.« Mittlerweile gibt es auch mehrere Headis-Ligen auf der Welt – sogar im Iran.

An diesem Donnerstagabend haben sich bei milden Temperaturen mehrere junge Menschen eingefunden. Kost blickt sich um. »Ich kenne gar nicht alle davon«, sagt er schmunzelnd. »Einige sind auf jeden Fall zum ersten Mal hier.« Die, die sich schon kennen, haben unter einem kleinen Vordach den Grill angeworfen. Es läuft entspannte Elektromusik aus einer Lautsprecherbox. Man genießt das Sommerwetter. Headis gespielt haben sie offenbar schon genug.

Die Neulinge hingegen stehen ein paar Meter weiter auf dem Spielfeld um die Tischtennisplatte herum. Sie beobachten zwei Spieler, die sich routiniert den Ball mit ihrer Stirn zuspielen – und schauen dabei mit einem Blick zu, der irgendwo zwischen Skepsis und Neugier liegt. »Man kommt da eigentlich schnell rein, das ist nicht schwer«, versichert Konstantin Lurz, der mit in der Runde steht. Der 23-jährige Physikstudent ist zum ersten Mal in Mietersheim. Headis spielt er aber schon länger regelmäßig in Freiburg, von wo er herkommt, sagt er. »Die Jungs hier habe ich in Freiburg kennengelernt, als sie als Gäste dort gespielt haben. Jetzt bin ich auch mal da.« 

Regelmäßig treffen sich Headis-Teams miteinander, spielen, tauschen sich aus. Lurz habe von Anfang an die »Gruppendynamik« des Sports fasziniert. »Hier herrscht kein Wettbewerb oder so. Man redet nebenbei auch mal miteinander und macht Quatsch«, berichtet er und nippt an seinem Bier. »Man spielt einmal mit jemandem und schon funktioniert es – das ist toll.«  Außerdem, verrät Lurz grinsend, »spielen immer viele Mädels mit«.

Philip Kost ist es mit Headis etwas ernster. »Wir bereiten uns hier auf Turniere vor«, sagt er. Einmal im Jahr findet die Weltmeisterschaft in Kaiserslautern statt. Kost ist regelmäßig dabei. Trotzdem: In erster Linie geht es auch ihm um den Spaß. »Das Tolle ist, dass jeder sofort ins Spiel reinfindet. Es ist selbsterklärend!«

Die Spielregeln sind simpel: Wie beim Tischtennis geht ein Spielsatz so lange, bis ein Spieler elf Punkte hat. Nur ein paar Nuancen gibt es im Regelwerk gegenüber Tischtennis: Die Hände dürfen bei der Ballannahme auf der Platte liegen, das sorgt für Stabilität. Und beim sogenannten »Volleynehmen« ist sogar ein Hechtsprung auf die Platte erlaubt. Dabei nimmt man den Ball mit ordentlich Schwung auf. 

Das ist aber gar nicht so leicht – und strengt an. »Geht ganz schön in die Beine!«, sagt der 26-jährige Yassin El Himer. Immer wieder muss er aus der Hocke hochschnellen, um den Ball zu erwischen. »Das ist schneller und fordernder, als ich gedacht habe«, sagt er und ringt nach Luft. »Ich spiele in einer Football-Mannschaft und bin Anstrengung gewöhnt. Aber das hier? Bringt mich echt aus der Puste!«

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