Trotz hohem Inzidenzwert: Keine Ausgangssperre im Ortenaukreis

©ULRICH MARX
Kommt die Aufhebung der Ausgangssperre auch ab Donnerstagabend für die Ortenau? Ja. Das teilte der Ortenaukreis am Donnerstagnachmittag mit. Und das ist die Begründung.
Am Donnerstag endete die nächtliche Ausgangsbeschränkung in Baden-Württemberg, nachdem der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Ausgangssperre am 5. Februar gekippt hat. Eine Ausnahme, wie sie die aktuellen Regelungen bei einer Überschreitung einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 vorsieht, sei im Ortenaukreis nicht erforderlich, teilte das Landratsamt Ortenaukreis am Donnerstag mit. Aktuell liegt der 7-Tage-Inzidenzwert im Ortenaukreis noch bei 79,1 (Stand: 10. Februar, 16 Uhr, Tagesbericht LGA).
Am Mittwoch hatten bereits die fünf Oberbürgermeister des Ortenaukreises in einem Schreiben an Ministerpräsident Kretschmann und Gesundheitsminister Lucha appelliert, Inzidenzwerte nicht als Gradmesser für mögliche Öffnungen zu nehmen.
„Letztes Mittel“ Ausgangsbeschränkung nicht nötig
Das Gesundheitsamt des Ortenaukreises stellt der Mitteilung zufolge fest, dass auf eine Ausgangsbeschränkung verzichtet werden könne. Wegen des damit verbundenen, tiefgreifenden Eingriffs in die Grundrechte der Einwohner stelle diese nach dem Willen des Gesetzgebers eine „ultima ratio“, also ein letztes Mittel dar.
Zum ersten kann laut Landratsamt nicht festgestellt werden, dass trotz aller Schutzmaßnahmen und der darüber hinaus vom Gesundheitsamt des Ortenaukreises getroffenen weiteren Maßnahmen ohne eine nächtliche Ausgangssperre eine erhebliche Gefährdung der wirksamen Eindämmung der Verbreitung des Virus gegeben ist.
Inzidenzwert sinkt kontinuierlich
Bemerkenswert ist dabei laut Pressemitteilung, dass der Inzidenzwert in der Ortenau trotz der Aufrechterhaltung des besonders intensiven Testens und der damit zwangsläufig verbundenen höheren Zahl an positiven Ergebnissen auch im Ortenaukreis kontinuierlich sinkt. Zudem könne gegenwärtig festgestellt werden, dass es kein besonderes Fehlverhalten der Bevölkerung im Sinne von Missachtung der geltenden Regeln gibt.
Über die verordneten Schutzmaßnahmen der Landesregierung hinaus habe das Gesundheitsamt des Ortenaukreises eine sehr intensive und breitgefächerte Kontaktpersonennachverfolgung etabliert, heißt es in der Mitteilung. Mit einem deutlich über dem Landesdurchschnitt liegenden Personaleinsatz könne das Gesundheitsamt des Ortenaukreises auch bei Inzidenzen deutlich über 50 noch jeden Kontakt ohne Qualitätsverluste nachverfolgen. Das Gesundheitsamt habe einen guten Überblick über das Infektionsgeschehen. Ein diffuses Infektionsgeschehen als weitere zwingende Voraussetzung für eine nächtliche Ausgangsbeschränkung könne nicht festgestellt werden.
Infektionsketten meist zurückverfolgbar
Die Infektionsketten könnten in den allermeisten Fällen zurückverfolgt und die Kontaktpersonen ermittelt werden. Einrichtungen mit besonderem Ausbruchsgeschehen könnten schnell erkannt und die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden.
Zudem sei mithilfe der Kassenärztlichen Vereinigung, des Deutschen Roten Kreuzes und der Malteser ein besonders intensives und breites Testen etabliert worden, sodass im Ortenaukreis auch Personen über die RKI-Vorschriften hinaus getestet würden.
Schließlich habe das Gesundheitsamt seine Empfehlungen und Hinweise ständig weiterentwickelt wie beispielsweise zum Schutz von vulnerablen Gruppen durch die Pflichttestung von Besuchern, externen Personen und Beschäftigten sowie dem eindringlichen Appell zur Reduzierung von Besuchen in stationären Pflegeheimen.
Daher ist eine erhebliche Gefährdung der Eindämmung der Verbreitung des Virus ohne eine neue Ausgangsbeschränkung laut Ortenaukreis nicht erkennbar, weil nach wie vor alle anderen Regelungen im Sinne von Schutzmaßnahmen greifen, die dazu führen, dass auch in der Nacht keine Aktivitäten möglich werden, die die Eindämmung zusätzlich und erheblich gefährden könnten.
Landrat: „Ein wenig mehr Freiheit“
Das Landratsamt weist darauf hin, dass auch bei einer weiteren nächtlichen Ausgangsbeschränkung unter anderem Demonstrationen, religiöse Veranstaltungen, der Besuch von Ehegatten, Lebenspartner sowie Partnern einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft und die Ausübung beruflicher und dienstlicher Tätigkeiten weiterhin möglich wären.
Landrat Frank Scherer: „Es ist gut, dass trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von noch über 50 auch die Menschen im Ortenaukreis nun ein wenig mehr Freiheit zurückerhalten können, weil unser Gesundheitsamt aufgrund seiner konsequenten Kontaktpersonennachverfolgung und einer extensiven Teststrategie im Ortenaukreis einen besonders guten Überblick über das Infektionsgeschehen hat und wir davon ausgehen können, dass die weitere Eindämmung der Verbreitung des Virus nicht allein durch den Wegfall der Ausgangssperre erheblich gefährdet wird.“ Er ruft die Bevölkerung dazu auf, „sich weiter so vernünftig zu verhalten und die geltenden Regeln zu beachten, um die zurückgewonnene Freiheit und weitere Lockerungen in den nächsten Wochen nicht zu gefährden“.