Ortenau
Umfrageauswertung: Rechtsbruch oder Terrorismusprävention?
Jürgen Rohn/Tobias Symanski/Max Orlich
17. Oktober 2011
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Wer in seiner Wohnung am heimischen Computer sitzt, kann sich nicht sicher sein, dass der Staat nicht jeden Knopfdruck mitprotokolliert. Die Enthüllungen des Chaos-Computer-Club über den Bundestrojaner und seinen Einsatz haben die Diskussion über die elektronische Überwachung der Bürger durch die Staatsorgane neu angeheizt. <br /><br />
Als Trojanisches Pferd, auch kurz im EDV-Jargon Trojaner genannt, bezeichnet man ein Computerprogramm, das als Anwendung getarnt ist, im Hintergrund aber ohne Wissen des Anwenders eine andere Funktion erfüllt. Der Name ist metaphorisch vom Trojanischen Pferd der Mythologie abgeleitet. Die Griechen belagerten Troja ohne Erfolg und griffen zu einer List. Sie stellten ein Holzpferd vor die Stadttore und die Trojaner zogen das Pferd in die Stadt hinein. Die im Inneren unentdeckt gebliebenen Soldaten erlangten als Angreifer so Zugang zur Stadtfestung.<br /><br />Über den modernen Einsatz dieses "Trojanischen Pferdes" zur Überwachung von Computern diskutieren Jürgen Rohn, Herausgeber der Mittelbadischen Presse und Tobias Symansky, Wirtschaftsredakteur.
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<li><strong>JÜRGEN ROHN argumentiert für den Einsatz des Bundestrojaners.</strong></li>
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<strong>Bombenleger stoppen</strong><br />Selbstverständlich müssen die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, in zweifelsfrei begründeten Verdachtsfällen – salopp formuliert – auch im Computer von Verbrechern zu recherchieren. Das heißt: Trojaner-Programme gehören, wenn ihr Einsatz rechtsstaatlich kontrolliert wird, zum Werkzeugkasten der Ermittler.<br /><br />Wo käme der Rechtsstaat hin, wenn Straftäter ihre Privatsphäre ohne Risiko nutzen könnten, um Verbrechen zu verabreden oder zu begehen? So wie im Falle einer Haftstrafe das Grundrecht auf Freizügigkeit eingeschränkt werden kann, so darf auch der Datenschutz nicht zum Verbrecherschutz pervertieren. <br /><br />Die Unverletzlichkeit der Wohnung kann – wie jeder Krimi-Zuschauer weiß – durch einen Durchsuchungsbeschluss zeitweise außer Kraft gesetzt werden. Und auch das Telefongeheimnis kann ausgesetzt werden, wenn die Ermittler einen Richter überzeugen können, dass das heimliche Abhören Straftaten aufklären oder verhindern kann. Da können das Internet und die Mailbox nicht sakrosankt sein, wenn es darum geht, einen Bankräuber zu überführen, einen Bombenleger zu stoppen oder einen Mörder zu entlarven.<br /><br />Freilich bin ich mit dieser Forderung nicht so naiv, die Gefahr des missbräuchlichen Einsatzes der Schnüfflersoftware zu übersehen. Doch dafür kennt der Rechtsstaat Hürden, die sich als praktikabel und erfolgreich erwiesen haben und die auch im Falle der elektronischen Recherche als Sicherung eingeschraubt werden sollten. Machen wir’s doch ganz einfach wie bei der Hausdurchsuchung: kein Trojanereinsatz ohne richterlichen Beschluss!<br /><br />Damit ist gewährleistet, dass die Behörden nur bei begründetem Verdacht und im Falle schwerer Straftaten den Datenschutz zeitweise außer Kraft setzen können. Dass dabei zufällig erlangte Erkenntnisse über unbeteiligte Dritte nicht verwertet werden dürfen, ist selbstverständlich.
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<li><strong>TOBIAS SYMANSKI argumentiert gegen den Einsatz des Bundestrojaners.</strong></li>
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<strong>Dreister Rechtsbruch</strong><br />Die Frage kann auf einen ganz einfachen Nenner gebracht werden: Darf der Staat die gleichen Wege gehen wie ein Verbrecher? Nein, natürlich nicht. Ansonsten hätte der Rechtsstaat seinen Namen nicht verdient. Genau deshalb wurden die Polizei-Ermittler, die dem Entführer des elfjährigen Jakob von Metzler im Jahr 2002 Schmerz androhten, um an Informationen zu gelangen, auch strafrechtlich verurteilt. Weil die Methode nicht erlaubt ist.<br /><br />So wie der Behördeneinsatz von Trojaner-Programmen. Er ist nicht nur ein ziemlich dreister Fall von Rechtsbruch, sondern auch von behördlicher Dummheit. Dass Polizei-Ermittler im Zweifelsfall überhaupt nicht wissen, was sie mit ihren Ausspäh-Programmen anrichten, hat der Chaos Computer Club gezeigt – ein eingetragener Verein entlarvt die »Profis« aus den staatlichen Behörden. Das ist komisch und tragisch zugleich.<br /><br />Die Hacker fanden heraus, dass die eingesetzte Software mehr leistet als nur Internet-Telefonate abhören. Sie kann anscheinend die gesamte Festplatte des Computers ausspähen und hinterlässt aufgrund fehlerhafter Programmierung auf dem Rechner des Betroffenen auch noch gravierende Sicherheitslücken, die Dritte ausnutzen können. Nie und nimmer hat das Bundesverfassungsgericht eine solches Vorgehen erlaubt. Die Ermittler sind weit über das Ziel hinausgeschossen – manche wohl, ohne es überhaupt bemerkt zu haben.<br /><br />Dass den Behörden der Kampf gegen die Internetkriminalität schwerfällt, liegt auf der Hand. In der Regel ist das virtuelle Verbrechen immer einen Schritt voraus. Und die staatlichen Ermittler hecheln mit ihren abgelatschten Turnschuhen hinterher. Das ist sicher frustrierend, rechtfertigt aber noch lange keinen Verfassungsbruch. So gut der Zweck von Staatstrojanern vordergründig auch sein mag – Behörden haben sich an Recht und Gesetz zu halten. Wie alle.<br />
<p><strong>Umfrageauswertung</strong></p>
<p>Auf Baden Online hatten Sie die vergangene Woche über die Gelegenheit, uns Ihre Meinung über den Bundestrojaner mitzuteilen. Das Ergebnis ist deutlich.</p>
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<li>Insgesamt 164 der 232 Befragten (knapp 71 Prozent ) lehnen den Einsatz des Bundestrojaners ab. 129 Befragte (knapp 56 Prozent), sprechen sich gegen den Bundestrojaner aus, da sie die Terrorismusprävention für ein vorgeschobenes Argument halten. Weitere 35 Befragte (gut 15 Prozent) lehnen ihn ab, da sie den Schutz der Privatsphäre für wichtiger erachten.</li>
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<li>Insgesamt 68 der 232 Befragten (knapp 30 Prozent) sind mit dem Einsatz des Staatstrojaners prinzipiell einverstanden. 60 Befragte (knapp 26 Prozent) stimmen dem Einsatz aber nur unter der Bedingungen zu, dass er tatsächlich der Abwehr terroristischer und krimineller Bedrohungen dient. Leidglich acht Befragte (gut 3 Prozent) stimmen ohne weitere Bedingung zu, da sie der Auffassung sind, man könne dem Staat vertrauen.</li>
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<iframe src="http://test.mittelbadische-presse.tv/files/mp3/google_charts/umfrage2.html" frameborder="0" scrolling="no" width="600" height="500"></iframe><br /><br />Die Auswertung einer weiteren Baden Online-Umfrage zum Thema "Eurorettung" finden Sie <a href="../../../news/artikel.phtml?page_id=72&db=news_lokales&table=artikel_politik&id=5224" target="_blank">unter diesem Link</a>.