Verkehrsministerium fordert neue Lärm-Messverfahren

Das Stuttgarter Verkehrsministerium hatte nach Lahr eingeladen, um auf Probleme bei der Messung von Motorradlärm hinzuweisen. ©Peter Heck
Wie laut sind Motorräder wirklich? Dieser Frage ging eine Praxisdemonstration nach, zu der das Stuttgarter Verkehrsministerium auf den Flugplatz Lahr eingeladen hatte. Ergebnis: Auch die reformierte Lärm-Messvorschrift bildet den Lärm von Motorrädern nicht wirklich ab. Denn es kommt auch aufs Fahrverhalten an.
Lärm macht bekanntlich krank. Auf dem Schreibtisch von Gisela Splett, Staatssekretärin im Verkehrsministerium und Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, stapeln sich Beschwerden – vor allem über Motorradfahrer. Schon 2012 hatte die Landesregierung daher eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, die Lärm-Messvorschriften für Motorräder zu verschärfen.
Inzwischen hat die UN-Wirtschaftskommission ECE (Economic Council for Europe) zwar neue Regelungen erlassen (siehe Hintergrund), aber nach Ansicht des Verkehrsministeriums reichen sie noch immer nicht aus. Um dies zu verdeutlichen, hatte das Ministerium für Dienstag Vertreter von Behörden, der Polizei, des TÜV-Süd und Fachverbänden zu einer Praxis-Demonstration eingeladen. Dabei wurde die neue »Normmessung« mit der alten Messmethode verglichen. Hinzu kamen andere Messungen, die bestimmte Verkehrssituationen simulieren sollten – etwa einen Überholvorgang aus Tempo 80 und ein kräftiges Durchbeschleunigen aus Tempo 80, wobei die Beschleunigungsstrecke auf 60 Meter verlängert war und die Mikrofone erst kurz vor Ende der Beschleunigungsstrecke platziert waren.
Mehr als 100 Dezibel
Vier Maschinen kamen zum Einsatz – eine Kawasaki Versys 650, die nach den neuen Prüfrichtlinien ausgelegt ist, und drei ältere Maschinen. Ergebnis: Vor allem beim simulierten Überholvorgang und beim kräftigen Durchbeschleunigen waren alle Maschinen viel lauter, als es der Grenzwert suggeriert – auch die ganz neue Kawasaki röhrte beim Durchbeschleunigen mit fast 90 Dezibel. Spitzenreiter war eine Aprilia RSV4, die beim kräftigen Durchbeschleunigen mit 101,8 Dezibel gemessen wurde. Für Gisela Splett war das Ergebnis eindeutig: »Auch die neue Messmethode bildet den realen Betrieb von Motorrädern nicht wirklich ab.«
Somit würden auch künftig viel zu laute Motorräder über die Straßen donnern – zumal die Polizei die Geräuschemission bei Verkehrskontrollen auch nur durch eine Standgeräuschmessung überprüfen kann, was in der Praxis ein höchst untaugliches Mittel sei, um zu laute Bikes aus dem Verkehr zu ziehen.
Die Landesregierung werde weiter versuchen, bei der nächsten Fortschreibung der Prüfregelungen auf Verbesserungen auf EU-Ebene hinzuwirken – wohl wissend, dass es schwierig sein wird, alle anderen EU-Mitgliedstaaten auf diesen Kurs zu bringen. Doch Motorradlärm sei nicht allein eine Frage der Technik, meinte Dieter Klipfel (Polizeipräsidium Freiburg). »Es liegt vor allem an der Fahrweise. Wenn man vernünftig fährt, ist ein Motorradfahrer keine Belästigung.«
Uwe Flammer vom Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) sah denn auch keinen Grund, auf die Motorradfahrer einzuprügeln. »Wir sind auch nur Menschen und keine Parias. Es kann nicht sein, dass uns einige wenige Interessenvertreter faktisch das Motorradfahren verbieten.«
ECE-Richtlinie
Früher bestanden Motorräder den Lärmtest, wenn sie bei Tempo 50 beim Beschleunigen 80 Dezibel nicht überschritten. Seit 2014 gilt der Grenzwert von 77. Die Motorräder fahren mit 50 km/h auf eine 20 Meter lange Messstrecke zu. Sobald das Vorderrad die Linie überfährt, beschleunigt der Fahrer auf Vollast, am Ende der Strecke nimmt er das Gas zurück. Den Lärm erfassen zwei Mikrofone. Weitgehend verboten sind Manipulationen am Auspuff. Auch darf die Elektronik des Bikes den Testzyklus nicht erkennen.