Zusteller-Serie

Franz Litterst stellt die Zeitung mit dem E-Bike zu

Bettina Kühne
Lesezeit 5 Minuten
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22. Februar 2019
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Franz Litterst trägt in Oberkirch-Zusenhofen Zeitungen aus – derzeit testweise mit einem E-Bike von der Mittelbadischen Presse Zustellservice KG. Seine Frau Silvia unterstützt ihn bei der Aufgabe. ©Ulrich Marx

Sechs Mal pro Woche sind sie nachts bei jedem Wetter unterwegs: die Zusteller der Mittelbadischen Presse Zustellservice KG. Die meisten sprechen von bezahlter Fitness: Die Bewegung und die Konzentration bei der Tätigkeit halten sie fit. Wir stellen einmal pro Monat einen der rund 450 Austräger vor. Dieses Mal: Franz Litterst aus Oberkirch-Zusenhofen.

Franz Litterst ist Produkttester: Seit September vergangenen Jahres ist er mit einem E-Bike unterwegs, um in Zusenhofen für die Mittelbadischen Presse Zustellservice KG (MPZ) in Offenburg die Zeitung zuzustellen. »Das motorisierte Rad hat mir die MPZ zur Verfügung gestellt: Ich darf wie vier weitere Kollegen ausprobieren, wie die Zustellung damit leichter bewältigt werden kann«, sagt Litterst. Einige Vorteile hat er schon entdeckt. Der Wichtigste: »Das Rad ist sehr stabil, es gibt keinen Speichenbruch.« Denn die Zeitungsbündel haben schon ein immenses Gewicht, bei einem normalen Fahrrad gibt es da öfters Pannen an den Streben der Räder. Alle drei bis vier Tage muss der Akku des modernen Drahtesels mit Strom aufgeladen werden, das sei unkompliziert, meint der 66-Jährige.

 

»Ein paar Stunden sind genau das Richtige für mich.«

Gelegentlich steigt Litterst auch aufs Auto um – aber eher wegen des Regens als der Kälte. Der Winter ist nämlich gar nicht schlecht für Litterst: Knackige Kälte kann helfen, seine Schmerzen in Schach zu halten. Er leidet unter Fibromyalgie (FMS). Das Muskelrheuma verursacht Schmerzen, macht müde und wird meist lange nicht erkannt; das war bei ihm nicht anders. »Bis die Diagnose da war, dauerte es Jahre«, erinnert er sich. Immer wieder fehlte der gelernte Blechner im Geschäft, die Ärzte waren ratlos. Als dann endlich feststand, was mit ihm los war, kam der Schreck: »Ich wurde berufsunfähig.« Er lernte, mit seiner Erkrankung zu leben und beantragte seine Frührente. Das war natürlich kein Vergleich zur Rentenhöhe nach einem kompletten Arbeitsleben. Da ermunterte ihn seine Nachbarin, es doch mit dem Zeitungszustellen zu probieren. »Einen Acht-Stunden-Tag schaffe ich nicht, aber ein paar Stunden sind genau das Richtige für mich«, sagt der Austräger. Denn nach dem Zustellen und einem Kaffee mit einem Blick in die aktuelle Zeitung kann er sich nochmal hinlegen.

Die Ruhepause tut gut, zumal er nachts um 2.45 Uhr bereits auf Tour geht. Das hat logistische Gründe: Er will nicht in den Berufsverkehr kommen. So gegen 5 Uhr haben gleich zwei große Firmen Schichtwechsel. »Dann ist so viel los, dass ich kaum über die Straße komme«, sagt der Zusteller. Wenn er früh aufbricht, ist er wieder zuhause, bevor sich die Autokolonne durch den Ort schiebt. 

 

Seine Arbeit strukturiert den Tag.

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Seine Arbeit strukturiert den Tag. Abends ist dann nach dem 20-Uhr-Film der richtige Zeitpunkt, zu Bett zu gehen. Außer montags, da kann es ein bisschen später werden. »Da hat unser Chor Probe«, sagt er. Singen und Kameradschaft tun gut, deshalb bleibt er auch mal bis Mitternacht bei seinen Sangeskollegen. 

Im Laufe der Jahre, sagt Litterst, lernt man die nächtlichen Abläufe kennen. Zum Beispiel den schwarzen Hund, der sich ihm und seiner Frau eines Nachts anschloss. Damals war er noch für Lautenbach zuständig, und seine Frau Silvia hat ihn unterstützt. Das Paar packte seine Fahrräder in den Kombi, um im Nachbarort flexibel zu sein. »Plötzlich fuhr sie mit dem Fahrrad zu mir und hatte das Tier im Schlepptau«, erinnert sich Litterst. Hartnäckig blieb der Hund den beiden auf den Fersen. »Er war lieb, aber wechselte immer die Straßenseite«, schildert Litterst das Problem. Endlich gab es ein eingezäuntes Grundstück, dessen Besitzerin schon wach war. Als der Hund hineinlief, schloss sie das Hoftor, damit das Ehepaar unbehelligt weiterziehen konnte. »Aber denkste! Der Hund hat einen Sprung gemacht und war wieder bei uns.« 

Schließlich kamen die beiden auf die Idee, zum Kombi zu gehen: »Wir haben die Tür aufgemacht, und er saß drin«, fühlte sich Litterst erleichtert, dass der Hund in Sicherheit war. Später erfuhren sie, dass der Vierbeiner immer wieder mal auf eigene Faust durch den Ort streifte, »aber wir haben ihn nicht mehr getroffen«.

 

Wenn er nicht kann, springt die Ehefrau ein.

Seine Ehefrau ist es auch, die einspringt, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht kann. Im vergangenen Jahr stand eine Operation an. Auch in dieser Zeit hat sie das Gebiet eigenständig übernommen. Wenn die beiden sich aber einen Urlaub gönnen wollen, brauchen sie eine Vertretung. Inzwischen klappt das gut. Früher habe es mal Probleme gegeben: »Da waren zig Beschwerden auf dem Anrufbeantworter, als sie wieder nach Hause kamen«, erinnert er sich. Seitdem meldet er sich bei den Haushalten, denen er die Zeitungen bringt, ab: »Ich lege einfach eine kurze Urlaubsgrußkarte dazu.« Dann wissen die Abonnenten Bescheid und zeigen Verständnis. 

Das hat auch er: Als ihm eine Springerstelle angeboten wurde, hat er abgelehnt. »In einem fremden Gebiet ist es schwierig, keine Fehler zu machen«, sagt er. Man müsse sich erst ein bisschen hineinfuchsen. Zumal er gleichzeitig auch Briefe der Baden-Post zustellt. Da müsse man nochmal genauer hinschauen, welcher Briefkasten der richtige ist. Und mehr Fingerfertigkeit ist auch gefragt. Während man sich die Zeitung problemlos schnappen kann, müsse man bei den Briefen gut aufpassen, »dass keine aneinanderkleben«. Deshalb verzichtet er selbst bei eisigen Temperaturen meist auf Handschuhe, berichtet er.

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