Wenn nur ein Spenderherz das Leben wirklich retten kann
Benefizaktion "Leser helfen": Fast 8500 Patienten warten in Deutschland auf ein Spenderorgan, darunter 727 Menschen, die ein neues Herz benötigen.
Zwischen acht und 12 Kinderherzen werden jährlich in der Klinik für angeborene Herzfehler und pädiatrische Kardiologie am Universitätsklinikum Freiburg herztransplantiert. Doch nicht nur die kleinen Patienten sind auf ein Spenderorgan angewiesen. Wie wichtig auch das Spenden von anderen Organen ist, erläutert die ärztliche Direktorin Brigitte Stiller.
„Die Zahl der Organspenden in Deutschland sinkt immer weiter“, bedauert die habilitierte Medizinerin. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) seien in diesem Jahr zwischen Januar und Oktober bundesweit nur 710 Organspender verzeichnet, „das sind gut acht Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum“. Zu Jahresbeginn hätten sich fast 8500 Patienten in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan befunden, darunter 727 Menschen, die auf ein neues Herz warteten.
„Den Organmangel merken wir auch bei unseren Herzkindern, die auf unserer Kinderherzstation mit dem Tod kämpfen und dringend ein neues Herz brauchen“, sagt Stiller.
Aus halb Europa
Die Stiftung „Eurotransplant“ organisiere die Zuteilung von Spenderorganen. Mitgliedsstaaten bei Eurotransplant sind Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien. „Durch diesen großen Einzugsbereich von mehr als 130 Millionen Menschen und die gemeinsame Warteliste ist es überhaupt erst möglich, dass jedes gespendete Organ einen gut geeigneten, passenden Empfänger bekommt.“
Unter keinen Umständen erfahre der Empfänger, von wem er das Organ bekam. „Das ist auch gut so, denn sonst wären ganz unterschiedliche Formen von Abhängigkeiten und Ansprüchen vorstellbar.“
In 79 Transplantationszentren werden die wichtigen Merkmale der gelisteten Patienten elektronisch in eine gemeinsame Datenbank eingegeben. „Sobald ein Spender gefunden ist, werden auch dessen Merkmale in die Datenbank aufgenommen. In Abhängigkeit von Wartezeit und Dringlichkeit wird nach ganz transparenten Kriterien entschieden, wer das Organ angeboten bekommt.“ Auch die Zahl der gespendeten Organe aus dem jeweiligen Land spiele bei der Verteilung eine Rolle.
„Wenn ein hirntoter Organspender identifiziert ist, beginnt das Rennen gegen die Zeit.“ Eurotransplant organisiert dann innerhalb weniger Stunden mit den verschiedenen Zentren „das Timing“ der Entnahmen, beschreibt die ärztliche Direktorin.
Leichter für Verwandte
Als Organspender kann man im Falle des Todes identifiziert werden. „Am besten trägt man im Portemonnaie einen Organspenderausweis mit sich. Es ist auch hilfreich, wenn man im Familien- und Freundeskreis über dieses Thema spricht und damit auch seine Haltung klarmacht. Dann ist zumindest diese Entscheidung im Falle eines akuten Todes für die Angehörigen leichter“, rät die Medizinerin.
Organspender könne fast jeder werden. Entscheidend sei das biologische Alter der Organe. Wenn die Angehörigen trotz Spenderausweis eine Organentnahme verweigern, werde ausführlich und wiederholt mit ihnen gesprochen. „Im Zweifelsfall erfolgt dann keine Organentnahme.“ Dieser Fall würde extrem selten vorkommen, meist werde der Wunsch des Verstorbenen akzeptiert.
Bei Kindern entscheiden dies die Eltern. „Wenn ein Kind unerwartet stirbt, ist das für die Angehörigen unendlich schlimm. Da kann es ein kleiner Trost sein, dass man mit den Organen des verstorbenen Kindes vier bis fünf anderen Kindern das Leben rettet oder bei Nierenversagen von der Dialyse befreit“, beschreibt die Professorin.
Meist warten die Kinder mehrere Monate auf ein Spenderherz. Im Frühjahr konnte ein Fünfjähriger erfolgreich transplantiert werden, der mehr als sechs Monate im Krankenhaus wartete. „Manche schaffen diese lange Zeit dadurch, dass wir sie auf der Intensivstation behandeln und ihnen über die Venen sehr starke herzunterstützende Medikamente verabreichen und jeden Tag auf ein Herz hoffen“, so Stiller. In etwa 30 Prozent reiche das jedoch nicht. Trotz medikamentöser Behandlung würden diese Kinder versterben, wenn sie nicht für den Rest der Wartezeit an ein künstliches Herz angeschlossen werden.
„Unser Fünfjähriger hat damit ein halbes Jahr recht gut in unserer Klinik leben können. Die Eltern haben sich wochenweise abgewechselt, sodass er nie alleine war“, berichtet sie weiter. „Dann kam der große Tag der Transplantation. Wir waren alle im Team sehr aufgeregt. Aber es lief prima. Einige Wochen später konnte er nach Hause entlassen werden und ist seit diesem September ein fröhlicher Erstklässler“, freut sie sich.
Hilfe kommt durch den Elternverein „Herzklopfen“ bei einer Transplantation auf mehreren Ebenen. „Zum einen haben die Familien, die ja meist weit entfernt wohnen, durch das Angebot der Elternwohnung ein Zuhause auf Zeit, in dem auch Geschwisterkinder und Väter erwünscht sind.“ Zum anderen finanziere der Verein zu 50 Prozent die Stelle von Seelsorger Jens Terjung, der alle Transplant-Familien fachkundig und empathisch begleite. 2017 erhielt Jens Terjung für seine hervorragende Arbeit sogar von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) den Preis der Kinderhilfe-Organtransplantation (KIO).
50.000 Euro sind geschafft
Dank vieler weiterer Spenden ist der Spendenzähler der „Leser helfen“-Weihnachtsaktion der Mittelbadischen Presse weiter angestiegen. Bis einschließlich Mittwoch, 30. November, sind 50.046 Euro bei der Aktion zusammengekommen. Die Spenden kommen dieses Jahr der Elterninitiative „Herzklopfen“ Südbaden zugute. Sie betreut die Eltern und Geschwister von herzkranken Kindern.
Jetzt hat die Elterninitiative die Möglichkeit, ein Haus in unmittelbarer Nähe der Kinderherzklinik in Freiburg zu kaufen und darin Wohnungen einzurichten, damit die Eltern in der schweren Zeit ganz in der Nähe ihrer Kinder sein können. Und genau dafür sammelt „Leser helfen“ den Grundstock. Spenden können Sie hier.
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