Verein Aufschrei klärt auf

Wie reagieren, wenn man einen sexuellen Übergriff beobachtet?

Von Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
05. Januar 2024
Wer Zeuge eines sexuellen Übergriffs wird, kann etwa so tun, als kenne er die betroffene Person – und zum Beispiel rufen: "Hey, da bist Du ja endlich, ich habe Dich gesucht, lass uns gehen", rät Sexualpädagogin Carolin Heuwerth. ⇒Symbolfoto: J. Stratenschulte/dpa

Wer Zeuge eines sexuellen Übergriffs wird, kann etwa so tun, als kenne er die betroffene Person – und zum Beispiel rufen: "Hey, da bist Du ja endlich, ich habe Dich gesucht, lass uns gehen", rät Sexualpädagogin Carolin Heuwerth. ⇒Symbolfoto: J. Stratenschulte/dpa ©Julian Stratenschulte

Wie man reagieren sollte, wenn sexuelle Übergriffe beobachtet werden oder man von einem Betroffenen ins Vertrauen gezogen wird, erklärt Sexualpädagogin Carolin Heuwerth.

Sexualisierte Gewalt kann jedem und überall passieren. „Wir müssen das Unmögliche, Undenkbare mitdenken: jede und jeder kann potenziell übergriffig und Täter sein. Die Wahrscheinlichkeit, keine betroffene Person und keine Täterin oder Täter zu kennen, ist gering“, sagt Sexualpädagogin Carolin Heuwerth vom „Aufschrei“. Der Ortenauer Verein gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Erwachsenen steht im Mittelpunkt der Benefizaktion „Leser helfen“ der Mittelbadischen Presse. Die Präventionsangebote sollen ausgebaut und die Beratungen intensiviert werden.

Direkt weggehen

Jede Person könne „Zeuge“ werden und „direkt“ sexueller Gewalt oder sexuellen Übergriffen begegnen. „Das ist jedoch Ermessenssache jedes einzelnen“, so Carolin Heuwerth. Je nach Situation, egal ob beispielsweise als Passant im Park, im Zug oder auf dem Sportplatz, könne man so tun, als würde man die betroffene Person kennen. „Hey, da bist Du ja endlich, ich habe Dich gesucht, lass uns gehen“, rät Carolin Heuwerth dann zu rufen. Direkt sollte man mit der angegriffenen Person weggehen und sich nicht in ein Gespräch mit dem Täter oder der Täterin „einwickeln“ lassen. „Und auch den Täter siezen, damit von außen ersichtlich wird, dass man die übergriffige Person nicht kennt.“

Der betroffenen Person sollte man anschließend Hilfe anbieten und auf Unterstützungsangebote wie unter anderem das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Hilfetelefon Gewalt an Männern, Fachberatungsstellen oder Frauenhäuser hinweisen.

Die Ruhe bewahren

Es gibt aber auch Situationen, in denen man als Außenstehender einen Verdacht hegt, weil sich Personen aus der Familie oder dem Bekanntenkreis verändert haben. Da gelte es Ruhe zu bewahren. „Potenziell betroffene Personen eher einfühlsam ansprechen und akzeptieren, wenn diese nicht reden wollen und sagen, dass ‚alles gut‘ sei.“ Dann könne man sich als Außenstehender an „Aufschrei“, andere Fachberatungsstellen oder Hilfehotlines wenden.

Für Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sei es schwierig, sich überhaupt jemandem anzuvertrauen. Oft sind es die Menschen aus dem Freundeskreis, denen sich die Betroffenen zuerst anvertrauen und die nichtsahnend „aus allen Wolken fallen“.

- Anzeige -

Es würde keine eindeutigen Hinweise auf erlebte sexuelle Gewalt geben, auch keine allgemeingültigen Regeln, wie man Betroffenen helfen und sie unterstützen kann. „Vor allem Kinder versuchen Normalität zu wahren“, berichtet die Sexualpädagogin. Häufig würden die Zeichen erst rückblickend gedeutet. Sexuelle Gewalt sei jedoch ein lebensbestimmendes, traumatisches Ereignis für alle Betroffenen, das unterschiedliche Folgen wie beispielsweise Angst- und Paniksymptome, depressive­ Verstimmungen, psychosomatische Erkrankungen bis hin zum Suchtverhalten haben kann. Oft seien ein Rückzug aus dem sozialen Umfeld sowie starke emotionale Reaktionen wie Wut und Reizbarkeit erkennbar oder eine sogenannte partielle Amnesie, also Erinnerungslücken, können auftreten.

Glauben schenken

Beim Zuhören sollte das Erzählte nicht in Frage gestellt, bewertet und keine (Mit)schuld suggeriert werden. „Die Aussagen unbedingt ernst nehmen und Glauben schenken!“, betont Heuwerth. Gerade das Gefühl von Schuld und Scham würde es Betroffenen schwer machen, über das Erlebte zu sprechen. „Erwachsene Betroffene müssen selber darüber reden wollen.“

Kinder hingegen würden im Durchschnitt sieben Erwachsene ansprechen, bis sich etwas bewege, bis geholfen werde. „Wichtig ist, wenn sich ein Kind anvertraut, es zunächst für den Mut zu loben. Erklären Sie einfühlsam, dass man das ‚Geheimnis‘ weitererzählen muss, da es ein ‚schlechtes Geheimnis‘ ist und ihm geholfen werden soll. Das Erlebte muss aufhören, da es Unrecht ist und es dem Kind wieder gut gehen soll.“ So könne der Kreislauf der Geheimhaltung gebrochen werden. „Versprechen Sie aber, dass Sie über jeden Schritt informieren und es ihm erklären, was als nächstes passiert. Dies schafft einen sicheren sichtbaren Rahmen, an dem das Kind aktiv teilhaben kann.“ Das gelte auch für Jugendliche.

Helfer sollten sich unbedingt nach den Bedürfnissen der betroffenen Person richten. „Bleiben Sie einfühlsam“, rät Carolin Heuwerth. Eine detaillierte Tatschilderung sollte jedoch nicht Inhalt eines Gesprächs sein, da dies retraumatisierend sein kann. Geduld sei gefragt.

Die eigenen Gefühle

Auch Helfer, die ins Vertrauen gezogen werden, können sich mit der Situation akut überfordert fühlen oder einen Schock erleiden. Wenn diese selbst hilflos, wütend oder traurig sind, sollten die betroffenen Personen nicht mit diesen Gefühlen konfrontiert werden. „Achten Sie trotzdem auf Ihre eigenen Gefühle“, rät Carolin Heuwerth allen Helfern. Hilfe für Angehörige und Helfer bietet der Verein „Aufschrei“ genauso an.

Stichwort

Die aktuellen Spendernamen

Auch in den vergangenen Tagen sind wieder zahlreiche Spenden für die Aktion­ „Leser helfen“ eingegangen: Silvia Weber, Marianne Jockers, Claudia Schmider, Heinz und Ingrid Schadt, Manfred und Hildegard Schimpchen, Stefanie Zimmer, Petra Schmattek, Brigitte und Gerhard Basler, Markus und Edeltraud Müller, Christine Frauke Schäfer, Armin und Christine Bohnert, Karl-Heinz Spissinger, Bettina Müller, Andreas und Mechthilde Mischke, Alexander und Erika Doll sowie Helmut Dold (Buchverkauf „De Hämme meint“).

Angela Seebacher, bkr-technik GmbH, Friedrich Grampp, Martin Hansmann, Christa Dürrholder, Martin und Margrit Otto, Larissa Christin Mai, Helga Hollmann, Helmut und Monika Rößler (Startgebühr Silvesterlauf SC Durbachtal), Christiane Wiedemann-­Mayer, Bruno Dietrich.

Agnes und Wilhelm Bleier,­ Monika Gertrud Bürg, Brunhilde Riebs, Helga Grampp-Weiß, Marco und Sabine Barbon, Elisabeth Scherer, Sylvie Hirt, Fam. Melitta Holland, Klaus Sebisch, Martin und Birgit Lutz, Sonja und Herbert Hänßler, Monika Wolf und Hildegard Baudendistel.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

Jan Mathis ist der neue evangelische Schuldekan Ortenau-Süd
vor 4 Stunden
Ortenau
Mit Jan Mathis hat das evangelische Schuldekanat Ortenau-Süd seit September einen neuen Chef. In der Ortenau ist der Neue ein alter Bekannter. Mathis folgt auf Hans-Georg Dietrich.
Sorgte für viel Gefahr vor dem Hofstetter Tor: Stadelhofens Max Kiefer.
vor 17 Stunden
Offenburg
Am neunten Spieltag der Fußball-Landesliga verteidigte der SV Stadelhofen in einem vorgezogenen Spiel am Mittwoch durch einen 1:0-Sieg beim SC Hofstetten Platz eins. Auf Rang drei schob sich der SV Oberwolfach am Donnerstag durch ein 4:1 bei der Spvgg. Ottenau vor.
Ähnlich wie beim Druckhaus-Festival 2010 wird die Halle des Reiff Medien-Zeitungsdrucks für das „Clap!-Indoor Festival – Druckhouse Edition“ am 2. Oktober hergerichtet.
02.10.2024
Offenburg
Am 2. Oktober findet in der Halle des Reiff Medien Zeitungsdrucks das nächste "Clap!"-Festival statt. Ein logistischer Mega-Aufwand, denn nur 25 Stunden lang wird nicht gedruckt.
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei, sieht die öffentliche Ordnung durch eine ungebremste Einwanderung in Gefahr.
02.10.2024
„Wir brauchen eine fundamental andere Politik“
Die CDU „Schwarzwald-Baar/ Oberes Kinzigtal“ hat Thorsten Frei zu ihrem Kandidaten für die Bundestagswahl nominiert. Insbesondere beim Thema Migration hat sich der parlamentarische Geschäftsführer zuletzt profiliert. Er sagt: In Deutschland gibt es einen Notstand.
02.10.2024
Ortenau
Bei der Gerichtsverhandlung um die mutmaßliche Entführung und sexuelle Nötigung einer 18-jährigen Berlinerin durch einen Kinzigtäler (23) wurden erstmals Zeugen vernommen und weitere Beweismittel gezeigt:
02.10.2024
Ortenau
Zu einem großen Polizeieinsatz ist es am Dienstag in der Realschule in Ettenheim gekommen. Ein Schüler soll einen Mitschüler lebensgefährlich verletzt haben. Der Verletzte wurde in eine Klinik geflogen, nun teilt die Polizei mehr über den Gesundheitszustand mit.
Im September kam es zu einer Diebstahlserie von hochwertigen E-Bikes. (Symboldbild).
02.10.2024
Ortenau
In den Gemeinden Nonnenweier, Allmannsweier und Kürzell kam es im September diesen Jahres zu einer Diebstahlserie von meist hochwertigen E-Bikes.
02.10.2024
Ortenau
Seit Dienstag wurde ein 86 Jahre alter Oberschopfheimer vermisst. Nun herrscht Gewissheit - er lebt nicht mehr.
Millionen von Bienen sind 2014 wegen des Einsatzes eines verbotenen Pflanzenschutzmittels in der nördlichen Ortenau verendet. Vorfälle wie diesen gibt es nur noch selten.
02.10.2024
Vor zehn Jahren starben 60 Völker an einem Tag
Vor zehn Jahren sorgten viele Geschichten für Schlagzeilen. Wie sich einige weiterentwickelt haben, darum geht es in der Serie "Was wurde aus...?" Folge 8: Das Bienensterben in der Nord-Ortenau.
Der Jugendliche wurde von der Polizei verhaftet. 
01.10.2024
Ortenau
Ein Jugendlicher hat einen Mitschüler am Dienstagmorgen in der Realschule mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Das Opfer wurde in eine Klinik geflogen, der mutmaßliche Täter festgenommen.
Taras Maygutiak (AfD).
01.10.2024
Bundestagswahl im September 2025
In ziemlich genau einem Jahr, Ende September 2025, findet die nächste Bundestagswahl statt. Die AfD Ortenau hat schon jetzt ihren Direktkandidaten für den Wahlkreis Offenburg nominiert. Als einziger Bewerber wurde Taras Maygutiak gewählt.
Am Mummelsee ist die B 500 wieder befahrbar. 
01.10.2024
Ortenau
Die B 500 am Mummelsee ist ab Mittwoch wieder frei. Die Arbeiten an der Straße sind früher fertig als ursprünglich geplant.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Studierende und Mitarbeitende der Hochschule Offenburg begrüßen Sie in den kommenden Wochen zu einem bunten Programm in der Innenstadt. 
    01.10.2024
    Campus gibt ab 5. Oktober Gastspiel in der Offenburger CIty
    Vom 5. Oktober bis 14. Dezember können Klein und Groß, Jung und Alt in der Steinstraße 21 in Offenburg erleben, was Wissen schafft.
  • Kuschelig: Die Afterwork-Partys im Offenburger Liberty Hotel sind beliebt.
    19.09.2024
    26. September: Entspannen und den Stress vergessen
    Herausragende Weine, tolle Cocktails, einzigartiges Ambiente und beste musikalische Unterhaltung – das erwartet dich bei der Liberty XXL-Afterwork-Party am 26. September, wenn das LIBERTY zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch einlädt.
  • Richard Schuler (links) und Samuel Kärcher beraten ihre Kunden in der grundlegend sanierten Jugendstil-Villa Nikolaus in der Oberkircher Eisenbahnstraße.
    18.09.2024
    Neu in Oberkirch: Kärcher & Schuler Capital Management GmbH
    Viel Erfahrung, sturmerprobt und ein großes Netzwerk – mit Richard Schuler verfolgt ein Grandseigneur der Finanzbranche gemeinsam mit dem jungen Analytiker Samuel Kärcher die Grundsätze objektiv, wissenschaftlich fundiert, individuell und diskret.
  • Außenansicht der generalsanierten Gebäude in der Offenburger Oststadt. Sie werden exklusiv vom Maklerbüro Arnold Ernst vermarktet.
    07.09.2024
    Seit mehr als 60 Jahren aktiv und fair am Markt präsent
    Mit 18 Mitarbeitenden, zwei Standorten, mehr als 2500 bisher verkauften Objekten, mehr als 3000 vermieteten Objekten und ebenso vielen Wohnungen in der Verwaltung ist das Offenburger Büro ein "Schwergewicht" der Branche in der Region.