Willy Schneider setzt sich seit Jahrzehnten für Kinder in Afrika ein

(Bild 1/3) Willy Schneiders Haus in Ottenhöfen enthält neben christlicher Symbolik auch viel afrikanische Kunst. ©Regina de Rossi
In unserer Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (82): Willy Schneider aus Ottenhöfen engagiert sich seit mehr als 50 Jahren für Kinder in Afrika. Dafür wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Willy Schneider ist evangelischer Pfarrer, Träger des Bundesverdienstkreuzes und gerade 80 Jahre alt geworden. Sein Lebensmittelpunkt ist nicht nur das idyllische Örtchen Ottenhöfen in der Ortenau, sondern auch der ferne Kontinent Afrika. Hier hat er seine zweite Frau Asuna kennengelernt und gemeinsam mit ihr vielen Kindern und Jugendlichen eine Zukunft geschenkt. Schneider ist seit Jahrzehnten beim „Malaika Children Home“ im Westen Kenias, nahe dem Viktoriasee im Kakamega Distrikt, engagiert.
Gerade hat er wieder eine Reise nach Kenia gebucht. „Wenn ich am 7. März in Kisumu am Viktoriasee ankomme, werde ich dort schon erwartet“, sagt Schneider, für den „Ruhestand“ oder „Pension“ Fremdwörter zu sein scheinen. Neckisch nennt er sich „Pfarrer in Rufbereitschaft“. Ein Bus mit mindestens dreißig Kindern wird ihm den Empfang bereiten und sie werden nicht aufhören zu singen: „Ihr ganzes Repertoire rauf und runter“, sagt der sympathische Geistliche, der sich gerade von einem schweren Sturz erholt hat.
Einzigartiger Blick ins Tal
„Die Steintreppe!“ Er zeigt auf die Natursteintreppe, die zu seinem „Häusle am Berg“ in Ottenhöfen führt, in dem früher der Lehrer von Ottenhöfen gewohnt haben soll. Der Blick ins Tal ist einzigartig, das Haus gleicht einem Museum. Neben unzähligen handgeschnitzten Figuren aus Afrika stehen christliche Symbole. Bilder über Bilder zeigen Lebensabschnitte, Momentaufnahmen mit Waisenkindern in Afrika und besondere Ereignisse, von denen es bei Pfarrer Willy Schneider mehr als genug gibt. Unter anderem hat er in Anerkennung seines mehr als 50-jährigen Engagements für Menschen in Afrika 2018 das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen.
Kindheitserinnerungen an den Schwarzwald
Willy Schneider wurde am 5. Mai 1941 geboren. „Meine Mutter Lina zog uns im Haus des ‚Rappe Schrinner‘, dem Schreinermeister, in Ottenhöfen groß.“ Seine Kindheit bezeichnet er als „absolut schön“. Da waren die schneesicheren Winter, die alle Freizeitmöglichkeiten boten, der Jugendsport, der hier im Ort einen hohen Stellenwert hatte. Man ging Pilze suchen, Kastanien sammeln und mit ganzen Gruppen hinauf auf die Höhen des Schwarzwalds, um stolz mit Körben voller Heidelbeeren zurückzukommen, erzählt der 80-Jährige.
Und er schwelgt weiter in Erinnerung, sieht sich in seiner Grundschulklasse in den Reihen sitzen und manch strengen Lehrer aushalten, hört das Achertalbähnle pfeifen, schmeckt noch heute den Bärendreck, den es für fünf Pfennige als Belohnung gab, wenn man für den Lehrer eine Besorgung erledigte. „Die Volksschule war ein besonderes Erlebnis der Erziehung, ebenso das alte Gymnasium in Achern, das noch mit einigen Kriegsveteranen besetzt war“, erinnert er sich.
Religion faszinierte ihn früh
Mit neun bekam Schneider seine erste Bibel geschenkt. „Religion faszinierte mich schon sehr früh, und ich wollte Pfarrer, Missionar werden“. Erst mal aber schaffte er es auf das Gymnasium und erzählt Episoden, etwa von seinem Physiklehrer, der es mächtig knallen und rauchen ließ bei seinen Versuchen.
Überhaupt schwingt sehr viel Humor mit, wenn Schneider ins Erzählen kommt. Und viel Liebe, wenn er von seiner Mutter erzählt. Den Vater hat er früh verloren. Die Liebe wiederum, das wird schnell deutlich, begleitet ihn in seinem geistlichen Schaffen. „Liebe geben und in Liebe leben, das ist eigentlich die Essenz des Christentums.“ Wie viele seiner Zeit sei auch er mit dem Bild eines strafenden und züchtigenden Gottes aufgewachsen. Doch seine Mutter habe dem entgegengewirkt und ihn mit ihrer pragmatischen, klugen Art geprägt. Nach dem Abitur entschied er sich für ein Theologieseminar in Hamburg, jenseits eines strengen Theologiestudiums. Die Gemeinschaft ließ ihn neue Zweige erkennen, neue Möglichkeiten sehen: „Das Leben muss irgendwie in einem sprechen, und das ist nur in der Gemeinschaft möglich“, sagt er.
Dialog mit Andersgläubigen
„Das Diplom an der Universität Hamburg 1964 und die Begegnung in der theologischen Akademie mit Stipendiaten aus Afrika, Indien, Asien, Lateinamerika und zukünftigen theologischen Doktoranden war ein internationaler Gewinn der Ökumene“, so Schneider. „Wir übten den Dialog mit Menschen anderer Glaubensweisen und verließen in vielerlei Hinsicht den Pfad der Christen, Heiden und der Absolutheit der Konfessionen. Denn Gott ist die Macht der Liebe, die uns zu allen Menschen sendet und uns zur Nachfolge Jesu befähigt und ganz in seinem Sinne zum Handeln.“
Diesen Freigeist scheint sich Schneider bewahrt zu haben, verbunden mit der Offenheit anderen Kulturen gegenüber, sie anzunehmen, von ihnen zu lernen und dann so zu lenken, dass es etwas Gutes bewirkt. Mit dieser Offenheit hat er viel erreicht. „Ab 1966 erlebte ich in Afrika, auf der Insel Ukerewe (Tansania) und ab 1970 in Mombasa (Kenia), wie Mitchristen, Pfarrer von dem Ideal der Basischristen aus Lateinamerika inspiriert waren. Das war einfach ansteckend, überzeugend, gerade in der Armut der Landgemeinden und den Slums der Städte Ostafrikas. Mit Masai Esto, dem Jugenddirektor in Mombasa, ließ Willy Schneider viele Clubs entstehen, ob in Richtung Sport- und Bibelclubs, Zusammenkünfte für Künstler, Straßenkinder bis hin zu Kirchenchören mit Bardamen, die vom Hochland in die Küstenstadt kamen.
Slums in Handarbeit saniert
„Gerade für die Bardamen haben wir andere Möglichkeiten entwickelt, etwa sich in der Mode und Textilarbeit zu etablieren und neue, eigene Wege mit Erfolg zu gehen, um die Bars der Stadt verlassen zu können“, berichtet Schneider. Touristen wurden zum Sonntagsgottesdienst mit anschließender Begegnung eingeladen. „Mit Hindhu-Vertretern, Sikhs, Muslimen und verschiedenen Konfessionen gründeten wir eine Friedensdekade und sanierten mit Handarbeit die Slums“, blickt der Ottenhöfener zurück. In den Außengebieten am Tana River wurden die Beteiligten Vertreter der Entwicklungsarbeit der Dorfgemeinschaften mit Schulen, Krankenstationen, Feldarbeit und Brunnenbau.
Buch über sein Leben verfasst
Über all das hat Schneider kurz vor seinem 80. Geburtstag ein Buch geschrieben. „Wage das Leben und verlasse dein Haus“, heißt es. Diese Aufforderung trifft auch auf seine zweite Frau Asuna zu, denn sie ging mit ihm zurück nach Deutschland und war in den 26 Jahren, in denen er Pfarrer in Eimeldingen-Märkt (Markgräflerland) war, dort Dreh- und Angelpunkt in der Kirchengemeinde. Von Eimeldingen aus konnte sie ihre Heimat durch den Handel mit Waren aus Afrika wunderbar unterstützen, aber auch ihrem Mann zur Seite stehen. „Das war nicht immer einfach“, erinnert sich Schneider. Als Aids ein Thema wurde, sah er sich irgendwann genötigt, Zettel aufzuhängen, um dem Argwohn entgegenzuwirken: „Dieses Haus ist aidsfrei!“, stand darauf zu lesen.
Das Thema Aids
In Kenia hingegen, in Kisumu am Victoriasee, der Heimat von Asuna, war Aids akut. Und hier war Hilfe notwendig. Maria Indeche, Asunas' Mutter, hatte sich dort bereits intensiv für Kinder in Not eingesetzt. Für Aids-Waisen, Straßenkinder, traumatisierte kleine Wesen. Neben ihren eigenen elf Kindern hat sie weiteren Kindern eine Heimat geboten, berichtet der 80-Jährige. Selbst als sie Witwe wurde.
Sie war es auch, die der Hochzeit ihrer ältesten Tochter mit „einem Weißen“ ihren Segen gab. „In euch, wie in allen Menschen, fließt dasselbe Blut!“, sagte sie. Nach ihrem plötzlichen Herztod haben Asuna und Willy Schneider ihr Werk fortgesetzt und das „Malaikas Children Home“ gegründet. Heute leben dort rund 120 Waisenkinder. Viele sind bereits ausgezogen, aber mit einer festen Grundlage, einem Halt im Leben und mit dem Wissen, Eltern zu haben – nämlich Baba Willy und Mama Asuna.
Willy Schneider
Willy Scheider wurde am 5. Mai 1941 geboren, er wuchs in Ottenhöfen auf. 1966 kam er das erste Mal nach Afrika. Von 1975 bis 2001 arbeitete er als Gemeindepfarrer im Markgräflerland in Eimeldingen und war im Amt für Mission und Ökumene tätig. Seit 2001 ist er im Ruhestand. Für seinen Einsatz in Afrika wurde ihm das Bundesverdienstkreuz und die Staufermedaille verliehen. Schneider ist Vorsitzender des Vereins Afrikanische-Deutsche Partnerschaft Malaika, bei der er seit über 35 Jahren vor Ort engagiert ist. Von Ottenhöfen aus widmet er sich mit seiner Frau Asuna und vielen Freunden seiner Lebensaufgabe, dem Waisenheim in Kenia. Mehr Informationen dazu gibt es unter www.malaikashome.de