Windräder: »Wahnsinn« oder Zukunft?
Martin Herrenknecht hat an den vergangenen beiden Wochenenden in der Mittelbadischen Presse gegen den »Windrad-Wahnsinn« inseriert. Das Echo der Leser ist geteilt – und auch Landrat Frank Scherer äußert sich zu der Anzeige. Wie läuft die Debatte? Und was sind die Fakten?
An den beiden vergangenen Samstagen hat der Schwanauer Unternehmer Martin Herrenknecht in halbseitigen Anzeigen in der Mittelbadischen Presse seinem Unmut über die wachsende Zahl von Windrädern im Schwarzwald Luft gemacht. Hässlich, ökologisch und ökonomisch ineffizient, schädlich für den Tourismus – Herrenknecht holte zur Generalabrechnung mit der Windkraft aus.
Am Ende der Anzeige forderte er die Leser auf, ihre Meinung zu sagen. Einige sind dem nachgekommen. Wir drucken auf dieser Doppelseite die Schreiben, die in unserer Redaktion eingegangen sind – links die Kritik, rechts die Zustimmung. Außerdem geben wir einen Überblick über die Fakten zum Thema Windenergie im Kreis und zeigen, wie es in nächster Zeit damit weitergehen könnte.
Reaktionen
Bei Martin Herrenknecht selbst seien rund 180 Rückmeldungen eingegangen, hieß es auf Anfrage aus der Pressestelle des Unternehmens, meistens E-Mails, aber auch einige Telefonanrufe. 80 Prozent hätten Zustimmung geäußert, doch es habe auch kritische Stimmen gegeben.
Auch im Ortenauer Landratsamt sorgte die Anzeige für Aufsehen, schließlich wird dort über die Bauanträge für Windräder entschieden. Landrat Frank Scherer sagte zu Herrenknechts Einlassungen auf Anfrage: »Dem Grunde nach sind wir inhaltlich mit Herrn Herrenknecht einer Meinung: Windenergie macht dort Sinn, wo weniger rechtliche Restriktionen bestehen und der Wind ordentlich bläst!« Für ihn gebe es keine starre Position für oder gegen die Windkraft. Wer aber die politisch beschlossene Energiewende will, komme an der Windkraft nicht vorbei. »Aber aufgrund der von ihr verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft, darf sie nur dort verwirklicht werden, wo der wirtschaftliche und damit auch der klimapolitische Nutzen gegenüber den Eingriffen überwiegt«, erklärte Scherer weiter.
Es gelte in jedem Einzelfall ideologiefrei den Nutzen einer Anlage mit den beeinträchtigten Belangen, die immer auch von einer solchen Industrieanlage ausgehen, abzuwägen – nach diesen Maßgaben verfahre der Ortenaukreis schon seit Jahren. »Nicht umsonst beträgt die Dauer eines Genehmigungsverfahrens zwischen acht und 12 Monate. In dieser Zeit werden von bis zu 38 Stellen alle denkbaren Belange geprüft, vorgelegte Gutachten hinterfragt und Argumente für die Abwägungsentscheidung zusammengeführt.« Bei diesem Vorgehen gebe es auch Grenzfälle, die schwierig zu entscheiden seien oder wo das Landratsamt nicht das letzte Wort habe.
Dass Windkraft polarisiert, legt zudem das Ergebnis einer Umfrage auf Baden Online, der Nachrichtenplattform der Mittelbadischen Presse, vom Juni dieses Jahres nahe. Eine Mehrheit von 55 Prozent der 845 Teilnehmer sprach sich für mehr Windkraft im Kreis aus, 42 Prozent waren dagegen.
Hintergrund
Im Ortenaukreis drehen sich aktuell 39 Windräder von bis zu 200 Metern Höhe. Alle Anlagen zusammen haben nach Angaben des Landratsamts eine Leistung von 91 Megawatt. Zusammen könnten sie theoretisch den durchschnittlichen jährlichen Strombedarf von 60 000 Drei-Personen-Haushalten abdecken. Zuletzt gingen die vier Anlagen am Standort Rauhkasten/Steinfirst bei Gengenbach in Betrieb.
Demnächst soll der Bau von zwei Anlagen auf dem Nillkopf bei Fischerbach beginnen, nachdem das Landratsamt einem Antrag auf Sofortvollzug stattgegeben hat. Vier Parteien hatten die Windräder verhindern wollen und deshalb Widerspruch gegen die Erteilung der Betriebsgenehmigung eingelegt. Für 13 weitere Windräder an sieben Standorten liegen Bauanträge beim Landratsamt vor.
Perspektiven
Gibt es eine Obergrenze für die Zahl an Windrädern in der Ortenau? Mit dieser Frage konfrontierte die Mittelbadische Presse bereits im Juni den Ersten Landesbeamten des Landkreises, Nikolas Stoermer. Er sagte damals, dass es keine rechtliche Obergrenze für den Ausbau gebe.
Aber: »Wir haben 2012 ausgerechnet, dass in der Ortenau rund 50 weitere Windräder laufen müssten, damit wir unseren Anteil zur Energiewende leisten.« Davon wurden zwischenzeitlich 24 realisiert. Und der Ausbau geht weiter.