Wolfgang Wuttke schnitzt sich alles zurecht
In unserer neuen Serie „Ortenauer Originale“ porträtieren wir Menschen mit dem gewissen Etwas. Heute (1): Wolfgang Wuttke aus Niederschopheim modelliert seit 60 Jahren mit großer Freude Holz in allen Formen und Farben.
Wolfgang Wuttke schnitzt. Seit 60 Jahren bestimmt. Und in dieser langen Zeit kamen und gingen die Moden und die Motive. Was manchmal schade ist. Denn in seine Arbeiten legt der Niederschopfheimer viel von sich selbst; vielleicht, ohne es zu merken. Nehmen wir nur die Gesichter seiner Figuren – die meisten schauen verschmitzt, und man glaubt, Wolfgang Wuttke mit seinem hintersinnigen Lächeln zu erkennen. Oder seinem Lachen gar: „Ich lache gerne, sehr gerne, das ist wichtig für die Gesundheit“, stellt der Niederschopfheimer ziemlich früh in unserem Gespräch im Esszimmer seines Hauses klar.
Und doch: Die Figuren, die großen zumal, in denen viel Arbeit steckt, laufen nicht besonders auf den Märkten; trotz ihrer schelmischen Gesichter. Wolfgang Wuttke sieht es gelassen: „Was nicht geht, hört auf.“
So pragmatisch muss einer wohl sein, der seine Produkte verkaufen will; da zählt der Geschmack des Publikums oder manchmal nur sein Geldbeutel. Und das gilt auch, wenn die Produkte das Ergebnis einer großen Leidenschaft sind.
Und die begann früh, sein Vater bastelte gerne, durch ihn kam er zum Schnitzen. In der achten Klasse fertigte Wolfgang Wuttke ein komplettes Schachbrett an – die Figuren aus Holz, das Brett aus echten Strohhalmen, für die dunklen Felder färbte er sie mit dem Bügeleisen ein.
„Ich bin immer schon ein Tüftler gewesen. Aber nur mit Holz“, sagt er. Obwohl, ein klein wenig fremdgegangen ist er doch: In der Kur wegen eines Bandscheibenvorfalls versuchte er sich im Töpfern. Er mochte es, aber der Brennofen war ihm zu teuer. Und heute hat er Herzen aus Stein im Programm. Aber das sind die Ausnahmen.
Bei einer solchen Vorgeschichte war es fast zwangsläufig, dass der junge Wolfgang Wuttke Bildhauer werden wollte. Doch dann siegte die Vernunft, mit Bildhauerei war wenig zu verdienen; also lernte er Tiefdrucker.
Aber spätestens, seit er Rentner ist (seit 14 Jahren), verbringt er nahezu täglich Zeit in seiner Werkstatt. Zwei bis drei Stunden meist, manchmal auch acht oder neun; selten mal schwänzt er ganz. „Es macht mir Spaß“, sagt Wolfgang Wuttke und lächelt spitzbübisch. Das sieht man seinen vielen Motiven auch an; etwa dem Stammtischrondell – eine Reihe Holzgesichter im Kreis, drüber ein kleiner Balken, den man kreisen lassen kann und der über einem der Gesichter stehenbleibt. Vorher wurde festgelegt, welcher Stammtischbruder zu welchem Holzgesicht gehört. Und der darf jetzt zahlen.
Mönche, den heiligen Sebastian und Christus hat er – wie gesagt – als Figuren aus dem Programm genommen, weil die den Käufern auf den Märkten zu teuer sind. 150 Euro aufwärts wollen sie nicht mehr bezahlen. Für ihn stecken da oft mehr als 20 Stunden drin. Wolfgang Wuttke kann aber nicht nur loslassen, er ändert auch durchaus flexibel den Fokus seiner Arbeit.
Derzeit beschäftigt er sich mit Schutzengeln und Eulen. Sterne zu Weihnachten, Hasen zu Ostern – das ist Standard.
Aber er lässt auch den Schwarzwald in sein Werk einfließen; logisch, der liegt vor der Haustür. Und er ist ein Stück Bekenntnis zu seiner Heimat Ortenau, die er für den schönsten Fleck in Deutschland hält. „Selbst die Jungen stehen auf Schwarzwald. Zwölfender Hirsch und Bollenhut“, hat er beobachtet. Also erweitert er das Programm in diese Richtung. Wobei, es ist auch hier ein echter Wuttke – mit Witz, Charme, Fantasie und ziemlich um die Ecke gedacht. So hat er das Geweih des Zwölfenders aus den Zweigen des Schmetterlingsflieders gebastelt; geschnitten auf 1,5 Zentimeter, nebeneinander auf das Holzbrett geklebt. Die Zweige des Flieders sind innen hohl, das gibt dem Geweih etwas Durchlässiges und Fragiles. Was er auch immer macht, Wolfgang Wuttke bemüht sich darum, Unikate zu schaffen.
Seine Lieblingsmotive sind Köpfe – nach Vorlagen oder frei fantasiert, mal mit Tabakspfeife, mal ohne, mal grimmig und dann wieder schlitzohrig lächelnd. Auf die Frage aber, was er am besten kann, will er sich nicht festlegen: „Das ist verschieden. Du musst im Holz sehen, was du daraus machen kannst.“
Acht bis zehnmal im Jahr baut er seit 14 Jahren seinen Stand auf Märkten in der Region auf. „Erstens bekomme ich meine Regale zu Hause leer. Und es bessert meine Rente ein wenig auf“, sagt er. Das Gewerbe ist angemeldet, natürlich macht es Spaß, wenn seine Holzschnitzkunst über den Tresen geht; es zeigt ihm, dass seine Kunst ankommt. Aber das Geldverdienen steht nicht im Vordergrund. „Das persönliche Gespräch am Stand ist mir am wichtigsten“, sagt er. Viele ehemalige Arbeitskollegen und deren Familien kommen vorbei, da findet sich immer ein Thema für ein Schwätzchen. Aber als ehemaliger Betriebsrat bei Burda ist Wolfgang Wuttke sowieso ein ebenso kommunikativer wie sozialer Mensch, findet er. „Es ist wichtig, miteinander zu reden.“
Wer schnitzen will, zumal in dieser Menge, braucht Holz. Das zu bekommen, ist nicht leicht. Er hat eine Firma an der Hand, bei der er Abfallholz holen kann (oder die es ihm bringt), er kennt Leute, die sich mit Holz im Wald versorgen und ihm Reste davon abgeben. Manchmal ein Stück vom Baumstamm mit Ast und dickem Pilz daran – Wolfgang Wuttke schnitzt auch den: „Wenn ich eine Motorsäge höre, bin ich gleich da.“ Nach dem Sturm Lothar hatte er einen Lindenbaum aus Neuried bekommen. Der spendete bis vor Kurzem sein Holz für die Werke des Niederschopfheimers. „Jetzt habe ich den Rest dem Schnitzer Thomas Berger in Elgersweier gegeben“, berichtet er. Eben, weil die Figuren nicht mehr laufen, wozu er das Lindenholz brauchte.
Ohne gutes Holz geht kein Schnitzen. Was braucht es noch? „Sehr gute und scharfe Schnitzmesser“, weiß Wolfgang Wuttke. „Ein Schnitzkurs wäre auch nicht schlecht.“ Und Geduld; das erlebt er immer wieder in seinen Schnitzkursen für Kinder, die er seit 20 Jahren beim Ferienprogramm Hohberg gibt. „Du musst die Kinder ans Holz heranführen.“ Sie schnitzen nach Schablonen Motive in Bretter; und von Brett zu Brett werden sie besser und kreativer, wenn sie Interesse haben. Vor allem, wenn sie ein paar Jahre lang immer wieder kommen.
Lernen kann das Schnitzen eigentlich jeder, sagt Wolfgang Wuttke, eine kleine Begabung, Geschick mit den Händen, sollte aber schon vorhanden sein. Und Interesse, vielleicht auch Leidenschaft.
Daran mangelt es Wolfgang Wuttke jedenfalls nicht. Die Werkstatt durften wir nicht betreten, die ist nicht aufgeräumt. Wahrscheinlich vollgestopft mit halbfertigen Ergebnissen seiner kreativen Energie – genug Stoff für die nächsten Monate und Jahre. Wenn das kein Grund ist, verschmitzt zu lächeln.
Wolfgang Wuttke ...
... ist geboren am 30. Mai 1946 in Bredstedt bei Husum, wohin seine Familie aus Danzig geflohen war. Als er fünf war, zog seine Familie in die Ortenau. Er ist verheiratet mit Marianne, hat Sohn und Tochter und fünf Enkel.
Das Haus in der Blumenstraße in Niederschopfheim haben Marianne und er 1978 bauen lassen. 48 Jahre lang arbeitete er als Tiefdrucker bei Burda, war 22 Jahre Maschinenführer und 24 Jahre Betriebsrat sowie acht Jahre Schwerbehinderten-Vertrauensmann.
Sein soziales Engagement hat er von seinem Vater, wie er sagt. Der war auch Betriebsrat in einem Stahlwerk. Ein weiteres großes Hobby von Wolfgang Wuttke ist der Schießsport, den er sehr erfolgreich betreibt.
Ortenauer Originale
Die „Ortenauer Originale“ sind künftig immer donnerstags – natürlich – im „ORTENAU-Teil unserer Zeitung zu finden. Bis nächsten Donnerstag also. Seien Sie gespannt. Wenn Sie ein Original kennen, kontaktieren Sie uns: Mail: iloveortenau@reiff.de.