Pressekonferenz

Yves R. weiter auf der Flucht: Wie die Polizei nun vorgehen will

Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
15. Juli 2020
Video starten
Mehr zum Thema

©Christoph Breithaupt

1500 Polizeibeamte fahnden seit Sonntagvormittag in Oppenau nach dem bewaffneten Yves R.. Die Polizei will die Suche nach dem 31-Jährigen im Wald nun einstellen und ihre Strategie ändern.

Am Dienstag, Tag drei des spurlosen Verschwindens von Yves R. mit vier Dienstwaffen, sind die schwerbewaffneten Polizisten weitgehend aus dem Oppenauer Stadtbild verschwunden. „Wir befinden uns noch in der zweiten Phase, gehen jetzt aber langsam in die dritte Phase über“, beschreibt Polizeipräsident Reinhard Renter am Dienstagnachmittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft Offenburg die Strategie bei der Jagd nach dem 31-Jährigen. Rund 1500 Polizisten, Sondereinsatzkommandos, mobile Einsatzkommandos, Mantrailer und Helikopter hätten das 8,5 Quadratkilometer große Waldgelände, in dem R.  vermutet wird, an den drei Tagen abgesucht. Am Montag, so Renter, hätten rund 440 Beamte den Wald „durchströmt“. „Durchsuchen kann man so ein Gebiet nicht, das gibt die Topografie nicht her.“

Videos:

Der Gesuchte, der am Sonntagmorgen bei einer Kontrolle vier Polizisten die Waffen abgenommen hat, habe einen deutlichen Vorteil gegenüber den Beamten, die mit teilweise bis zu 40 Kilogramm schwerer Ausrüstung die Steillagen rund um Oppenau durchstreifen: „Er ist sehr ortskundig, der Wald ist sein Wohnzimmer“, betont Renter. Er geht deshalb nicht davon aus, dass R. das Fahndungsgebiet bereits verlassen hat. „Hier fühlt er sich sicher.“ Seine Häscher müssten hingegen auch auf Sprengfallen achten, da der 31-Jährige in der Vergangenheit auch diesbezüglich aufgefallen war.

Herwig Schäfer, Leiter der Staatsanwaltschaft Offenburg, stuft den zuletzt arbeits- und wohnsitzlosen Flüchtigen als Waffennarr ein, der sich selbst als „Waldläufer sieht, der auf sich selbst gestellt in der Natur gut zurecht kommen kann“.

Aus der Bevölkerung sind laut Renter bisher 140 Hinweise auf den Aufenthalt von Yves R. eingegangen, in der Folge wurden unter anderem in der Nacht auf Dienstag Wohnungen in Offenburg durchsucht. Der Polizeipräsident kündigt an, den hohen Personaleinsatz – am Dienstag 200 Einsatzkräfte – bei der Suche nach R. , dem die Staatsanwaltschaft besonders schwere räuberische Erpressung vorwirft, weiterhin aufrecht erhalten zu wollen, jedoch mit einem anderen Konzept. „Den Wald werden wir nicht mehr durchkämmen.“ Stattdessen werde die Polizei auf verdeckte Maßnahmen setzen und auch die Anzahl der Fahrzeuge an der Sammelstelle beim Oppenauer Sportplatz reduzieren.

Verärgert zeigt sich Renter am Dienstag über die Häme und Kritik, die den Polizisten, die sich von R. haben die Waffen abnehmen lassen, in den sozialen Medien entgegenschlägt. „Sie haben alles richtig gemacht, es war eine lebensbedrohliche Lage.“

In Hütte eingebrochen

Anhand der Aussagen der vier Polizisten, die am Sonntagmorgen von R. entwaffnet worden waren, rekonstruiert Herwig Schäfer das Geschehen. Um 9.30 Uhr seien die Beamten zu einer Gartenhütte am Friedberg in Oppenau gerufen worden, nachdem deren Besitzer festgestellt hatte, dass sich darin eine verdächtige Person mit Pfeil und Bogen aufhielt. Der als „seltsame Person amtsbekannte Beschuldigte war dort eingebrochen und hatte sich häuslich niedergelassen“, erklärt der Leiter der Staatsanwaltschaft Offenburg. Die Polizisten hätten Yves R. hinter einem Tisch sitzend in der Hütte angetroffen. Im Eingangsbereich stehend hätten sie ihn mit gezogener Waffe aufgefordert, ihnen den nicht griffbereiten Bogen, einen Speer und Munition auszuhändigen, die er an einer Weste bei sich trug. „Er hat allen Anweisungen Folge geleistet“, sagt Schäfer. Er habe sich dann jedoch geweigert, sich durchsuchen zu lassen. Als ein Polizist in die Hütte eingetreten sei, habe der 31-Jährige unvermittelt eine Pistole gezogen und auf ihn gerichtet. Vielleicht, so Schäfer, sei diese unter dem Tisch deponiert gewesen.

Die ganze Zeit über sei R. laut Schäfer ruhig geblieben. Die Waffe, die von den Polizisten als echt eingestuft wurde, sei Drohung genug gewesen. „Er war sich seiner Überlegenheit und seiner Macht durchaus bewusst.“ R. habe die Beamten aufgefordert, die Hütte zu verlassen und dabei die Waffe konstant aus einer Entfernung von einem bis eineinhalb Meter auf den Polizisten gerichtet. Die Beamten hätten um das Leben des Kollegen gefürchtet und deshalb ihre Dienstpistolen langsam aus den Halftern genommen und abgelegt. Anschließend hätten sie sich wie von R. gefordert von der Hütte entfernt. „Sie haben übereinstimmend ausgesagt, dass sie Angst um ihr Leben hatten und sicher waren, dass er von der Schusswaffe Gebrauch machen würde.“ Die Polizisten würden derzeit psychologisch betreut, würden jedoch den Dienst teilweise am Donnerstag wieder aufnehmen.

Obwohl Yves R. nach Erkenntnissen der Polizei über kein Handy verfügt oder dieses nicht eingeschaltet hat, geht Polizeipräsident Renter davon aus, dass dem 31-Jährigen die Dimensionen der Suche nach ihm bekannt sind. Er soll mehrfach oberhalb der Straße gesehen worden sein, von wo aus er auch einen Blick auf den Sportplatz und das Polizeiaufgebot haben könne. „Und er weiß, dass er vier Polizisten entwaffnet hat.“ R. per Lautsprecherdurchsagen zum Aufgeben aufzufordern, kommt für Renter deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht. „Aber es kann noch dazu kommen.“

Hintergrund

Zur Person: Yves R.

Der 31 Jahre alte Yves R. , der am Sonntag in Oppenau vier Polizisten entwaffnet hat und seither auf der Flucht ist, war in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Neben dem versuchten Totschlag an einer Bekannten in Pforzheim, für den er 2010 zu drei Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt worden war finden sich auch Straftaten, die er in der Ortenau begangen hat. In Pforzheim hatte R. die Frau laut Staatsanwalt Herwig Schäfer bei einem Streit mit einem Schuss aus einer Armbrust so schwer verletzt, dass sie mehrere Wochen im Koma gelegen haben soll. Anschließend, so Schäfer, habe Raussch den Notarzt gerufen und sich um die Verletzte gekümmert. Aufgrund der Straftat sei ihm untersagt worden, Waffen und Munition zu besitzen.

Bereits als Jugendlicher fiel R. laut Kai Stoffregen, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Offenburg, durch Diebstahlsdelikte auf. Für den unerlaubten Besitz einer Schreckschusspistole sei R. 2017 vom Amtsgericht Oberkirch zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Im August 2018 dann würde R.s Wohnung im Oppenauer Gasthaus „Schlüssel“ durchsucht. Wegen unerlaubten Umgangs mit Sprengmitteln habe R. im Mai vergangenen Jahres eine Bewährungsstrafe über neun Monate erhalten. Sein Vermieter hatte gegenüber der Mittelbadische Presse ausgesagt, bei der Durchsuchung sei eine Pistole und Munition sowie vier Fässer mit einer Flüssigkeit gefunden worden, die möglicherweise zum Bau von Bomben geeignet gewesen sein könnte. Auch ein von R.s heimlich eingerichteter Schießstand unter dem Dach wurde entdeckt.

Nach Informationen der Bild soll sein Strafregister auch Eintragungen wegen Kinderpornografie enthalten. Bei der Durchsuchung der Wohnung seien auf R.s Handy auch Bilder entdeckt worden, die in den Bereich Kinderpornografie fallen könnten, präzisiert Staatsanwaltschaft Stoffregen. Das Ermittlungsverfahren sei jedoch eingestellt worden. Hinweise auf die Zugehörigkeit R.s zur rechtsradikalen- oder Reichsbürgerszene gibt es laut Herwig nicht, es müsse jedoch noch überprüft werden, ob er 2004 im Alter von 16 Jahren mit rechtsradikalen Schmierereien in Südbaden aufgefallen ist. In das gleiche Jahr fällt auch die Verurteilung R.s wegen zwei Fahrzeugaufbrüchen in Freiburg. 

Info

Schule und Kindergärten sind seit Dienstag wieder geöffnet

Als Vorsichtsmaßnahme hatte die Stadt Oppenau am Montag die Schule und Kindergärten geschlossen lassen. Bürgermeister Uwe Gaiser begründete die Maßnahme in der Pressekonferenz am Dienstag mit der Sorge vieler Eltern. Er selbst habe Yves R. als „etwas sonderbare Person“ wahrgenommen. Es gebe Menschen, die R. nahestehen, die ihn als harmlos bezeichnen, er wolle jedoch auch die Sorgen der anderen berücksichtigen, weshalb es den Eltern am Dienstag überlassen wurde, ob sie ihre Kinder zur Schule und in den Kindergarten schicken.

Schon jetzt habe die Fahndung nach dem Bewaffneten Auswirkungen auf den Tagestourismus in Oppenau, Absagen von Hotelbuchungen sind Gaiser aber nicht bekannt.

Mehr zum Thema

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

Knacken die Offenburger noch die Marke von 1000 Teilnehmern beim Ortenau-Check?
vor 16 Stunden
Ortenau-Check
Am Sonntag endet der große Ortenau-Check. Sie haben also nur noch drei Tage Zeit, um für Ihre Heimat abzustimmen. Je mehr Bürger teilnehmen, desto aussagekräftiger wird das Ergebnis.
Ein riesiges Transparent mit der Aufschrift "Utilisez votre voix, use your voice, nutze Deine Stimme" wirbt derzeit am Europäischen Parlament in Straßburg für die Europawahlen, die vom 6. bis 9. Juni stattfinden – in Deutschland am Sonntag, 9. Juni.⇒Foto: Jean-Francois Badias/AP/dpa
vor 18 Stunden
Die Ortenau und das Elsass profitieren besonders
Die Europäische Union hat im Alltag der Bürger vieles verändert. In Grenzregionen wie etwa der Ortenau und dem Elsass ist Europa besonders deutlich spürbar. In der zweiten Folge unserer Serie zur Europawahl gibt es einen Überblick über wichtige Entwicklungen.
vor 20 Stunden
Ortenau
Nach der tödlichen Attacke in einer Schule läuft nun der Prozess gegen den mutmaßlichen Schützen. Wegen des Jugendschutzes gelten strenge Regeln.
Regen, Hagel, Eis und Graupel waren die Gründe für zahlreiche Unfälle auf der A5 am Mittwochabend. Laut Polizei entstand so ein Schaden in Höhe von über 150.000 Euro.
vor 21 Stunden
Autobahn zeitweise gesperrt
Zu zahlreichen Verkehrsunfällen wegen Regen, Eis und Hagel ist es am Mittwochabend auf der A5 gekommen. Zeitweise musste die Autobahn auf Höhe Appenweier gesperrt werden. Die Polizei spricht von einem Schaden von über 150.000 Euro.
Vor ihrem Wahlkampf-Auftritt in Neuried war Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der Mittelbadischen Presse in Offenburg zu Gast.
vor 22 Stunden
Interview mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Im Interview spricht die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl über unsere Sicherheit. Sie sagt, knicken Deutschland und Europa bei der Unterstützung der Ukraine ein, wird Putin weitere Länder angreifen.
Auch in der Offenburger Innenstadt war die Polizei beim Sicherheitstag verstärkt präsent: Dort lag ein Fokus auf Fahrradfahrern, die etwa für das Tragen eines Helms sensibilisiert und zum Diebstahlschutz informiert wurden.
vor 23 Stunden
Schon der siebte Sicherheitstag
Das Polizeipräsidium Offenburg hat am Mittwoch ab 6 Uhr am Morgen einen Sicherheitstag auf die Beine gestellt. Mit verschiedenen Aktionen soll das Sicherheitsgefühl der Bürger gestärkt werden.
17.04.2024
Offenburg
Nach den tödlichen Schüssen an der Waldbachschule in Offenburg im November beginnt die Verhandlung am Donnerstag, 18. April, gegen einen 15-jährigen Schüler unter anderem wegen Mordes.
Ein Dachdecker verlegt sogenannte Biberschwänze auf einem großen Hausdach. Die Lage der Handwerksbetriebe stagniert laut Handwerkskammer Freiburg auf niedrigem Niveau.
17.04.2024
Handwerkskammer Freiburg legt Zahlen für erstes Quartal vor
Betriebe sind unzufrieden mit ihrer Auftragslage und den Umsätzen. "Der Stagnation auf niedrigem Niveau muss etwas entgegengesetzt werden", so Christof Burger, Vizepräsident der Handwerkskammer Freiburg
Wenn viel Schnee fällt, muss der Räumdienst gut geplant sein. Sensoren helfen mancherorts in der Ortenau, die Abläufe einfacher zu machen.
17.04.2024
Offenburg und Lahr setzen Sensoren ein
Schnee und Glätte automatisch erfassen: Mit Sensoren hält die Digitalisierung auch im städtischen Winterdienst zunehmend Einzug. Weniger Kontrollfahrten dank Wetterstationen.
Ein Teil der Beute, den die Ermittler der Polizei im Versteck der Diebe gefunden haben. 
17.04.2024
Duo in Haft
Bei einem Wohnungseinbruch im Januar ist der Polizei die Festnahme zweier Einbrecher auf frischer Tat gelungen. Die Täter sind für zahlreiche Diebstähle auch in der Ortenau verantwortlich. Nun sucht die Polizei nach den Besitzern der Schmuckstücke.
Online-Betrug: Um eine Wohnung besichtigen zu können und auf Platz eins der Bewerberliste aufzusteigen, sollte ein Mann aus dem Raum Lahr 5.700 Euro vorab bezahlen.
17.04.2024
Lahr
Ein außergewöhnlich günstiges Inserat aus dem Raum Lahr auf einer Immobilienplattform hat sich für einen Mann als Betrugsmasche herausgestellt. Er blieb jedoch skeptisch und informierte die Polizei.
Die B28 ist im Bereich des Oberkircher Tunnels in Richtung Appenweier nach einem Unfall gesperrt.
17.04.2024
Oberkirch
Nach einem Unfall ist der Oberkircher Tunnel in Richtung Appenweier gesperrt. Ein LKW hat dort etwa 70 Sprudelkästen verloren.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".