Regionalgruppe Geroldseckerland erinnert an Schicksale
Im Oktober 1940 wurden zahlreiche jüdische Menschen ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert – da-
runter 27 Opfer aus Lahr und insgesamt 119 Opfer aus dem damaligen Amtsbezirk Lahr.
Vor 79 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden im Gau Baden auf Befehl des Gauleiters Robert Wagner 5617 jüdische Menschen aus ihren Wohnungen abgeholt und ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Darunter befanden sich auch 27 Opfer aus Lahr und insgesamt 119 Opfer aus dem damaligen Amtsbezirk Lahr. Anlässlich dieses Jahrestags hielt Norbert Klein, der Vorsitzende der Regionalgruppe Geroldseckerland im Historischen Verein für Mittelbaden, einen Vortrag, um an die Schicksale dieser Menschen zu erinnern.
Nachdem die deutsche Wehrmacht im Juni 1940 nach nur vier Wochen Frankreich besiegt hatte, befand sich Gurs in der freien Zone des sogenannten Vichyfrankreichs. Klein ging bei seinen umfangreichen Recherchen der Frage nach, warum es möglich war, dass die badischen Juden aus einem neutralen Frankreich an die Nationalsozialisten ausgeliefert werden konnten.
Nach Auschwitz-Birkenau
Denn im August 1942 wurde das Lager Gurs geräumt, die noch über viertausend Opfer in vier Zügen zunächst in ein Zwischenlager nach Paris-Drancy und einige Tage später wiederum mit vier Zügen zur Vergasung ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Das Ergebnis dieser Recherchen: die Vichyregierung hatte mit den deutschen Besatzungsmächten in Paris kollaboriert. Man lieferte lieber deutsche Juden an die Nazis aus, bevor viertausend französische Juden dieses Schicksal erleiden mussten.
Diese Erkenntnisse sind wiederum den unermüdlichen Recherchen Serge Klarsfelds zu verdanken, dessen Vater ebenfalls im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Bei dessen Spurensuche war er in französischen Archiven auf die Deportationslisten der Deutschen gestoßen, die akribisch festgehalten hatten, wie in 77 Transporten von Drancy nach Auschwitz unfassbare 73 853 Menschen der Vernichtung zugeführt wurden.
Bei den Recherchen kam aber auch heraus, wer die Täter auf der deutschen als auch auf der französischen Seite waren, die diese Morde erst möglich gemacht hatten. Gemeinsam mit seiner Frau Beate Klarsfeld stellte Serge Klarsfeld fest, dass einige dieser Täter trotz einer Verurteilung in Abwesenheit durch französische Gerichte in Deutschland noch frei herumliefen. Und dies unter ihren richtigen Namen. Dies war nur möglich, da es eine Vereinbarung der Alliierten aus dem Jahr 1952 gab, die besagte, dass Täter, die in Frankreich bereits abgeurteilt waren, nicht nochmals vor ein deutsches Gericht gestellt werden durften.
Erst aufgrund der beharrlichen Aufklärungsarbeit von Beate und Serge Klarsfeld wurde 1971 ein Zusatzabkommen zwischen Frankreich und Deutschland beschlossen, das weitere Verurteilungen in Deutschland ermöglichte. Erst nach weiteren vier Jahren konnte dieses Abkommen im Deutschen Bundestag ratifiziert werden und erst weitere vier Jahre später gelang es den Klarsfelds, die NS-Verbrecher Kurt Lischka, Herbert Hagen und Ernst Heinrichsohn vor Gericht zu bringen.
Verzögerung betrieben
In diesem ersten Prozess nach dem Zusatzabkommen wurden die drei NS-Täter zu Freiheitsstrafen von sechs bis zwölf Jahren verurteilt. Die vierjährige Verzögerung der Ratifizierung des Abkommens wurde insbesondere durch den Bundestagsabgeordneten Ernst Achenbach betrieben, der sich während der NS-Zeit als Abgesandter des Reichsaußenministeriums in Paris aufhielt. Als Leiter der politischen Abteilung der Deutschen Botschaft in Paris dürfte er über die Deportationen der französischen Opfer informiert gewesen sein.
Dem Ehepaar Klarsfeld gelang es dann auch noch, dass Bolivien nach jahrelangen Bemühungen den „Schächter von Lyon“, den SS-Hauptsturmführer Klaus Barbie an Frankreich auslieferte, wo er zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Erfolglos blieben die Forderungen an Syrien, den SS-Schergen Alois Brunner auszuliefern, der für die Deportation von 146 000 Menschen aus Wien, Berlin und Saloniki verantwortlich war. Brunner war es auch, der die Festnahme von Arno Klarsfeld, Serge Klarsfelds Vater, durchgeführt hatte. Lebenslang wurde Brunner jedoch durch die syrische Regierung geschützt, für die er Waffenlieferungen aus Deutschland organisiert hatte.
Für ihre unermüdlichen Recherchen und die Aufdeckungen der NS-Morde erhielten Beate und Serge Klarsfeld von mehreren französischen Staatschefs die höchsten Auszeichnungen und im Mai 2015 das Bundesverdienstkreuz.