Älteste Ockermine der Welt: In der Höhle der Löwen
In einer neuen Studie hat ein Forscherteam durch Lumineszenz-Datierung und geochemische Analyse den Standort der ältesten Ockermine der Welt bestätigt. Sie befindet sich in der Lion Cavern – der Höhle der Löwen – in Eswatini, einem Land im südlichen Afrika.
Das Königreich Eswatini, das bis 2018 offiziell Swasiland hieß, ist ein Binnenstaat im südlichen Afrika mit rund 1,2 Millionen Einwohnern. Er grenzt an Südafrika und Mosambik.
Älteste Ockermine der Welt
Die Wissenschaftler datierten die Mine nicht nur auf ein Alter von rund 48.000 Jahren, sondern konnten zudem aufzeigen, wie sich der Ocker aus der Mine in nahe gelegene Gebiete ausbreitete.
Die Forscher analysierten 173 Proben aus 15 steinzeitlichen Fundstellen und rekonstruierten die Methoden der Ockergewinnung, die Verwendung und Transportnetzwerke. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen.
Bedeutung von Ocker für Entwicklung der Zivilisation
Ocker ist ein natürlich vorkommendes Pigment, das aus eisenhaltigen Materialien gewonnen wird. Es wird seit Jahrtausenden von Menschen verwendet: für Höhlenmalereien sowie zur Verzierung symbolischer Objekte und persönlicher Ornamente.
Ocker hat in vielen Gesellschaften eine kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung und bietet der Wissenschaft daher wertvolle Einblicke in das Wachstum der menschlichen Gesellschaft und der menschlichen Selbstdarstellung.
Die Beprobung der Sedimente der Lion Cavern für Messungen mit Optisch Stimulierter Lumineszenz. Foto: Senckenberg/BaderErdmineral für Farbstoff und rituelle Zwecke
Malereien von Jagdszenen in der prähistorischen Höhle von Lascaux in Frankreich, Zeremonien und Körperbemalungen von indigenen Völkern weltweit, Kunstwerke aus dem Mittelalter: Seit jeher wird Ocker, ein natürlich vorkommendes, lichtechtes Erdmineral von Menschen als Farbstoff und für rituelle Zwecke genutzt.
„Man kann sagen, dass Ocker das früheste bekannte Pigment ist, das von Menschen verwendet wurde, um unsere Welt abzubilden“, erklärt der Leiter der Studie, Gregor D. Bader vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. „Unsere Spezies und andere Homininen verwenden das rote, gelbe oder auch violette Erdmineral seit mindestens 500.000 Jahren – wenn nicht sogar schon länger.“
Geochemischer Fingerabdruck des Ockers
Für ihre Studie erzeugten die Wissenschaftlern einen geochemischen Fingerabdruck des Ockers aus der Region der Lion Cavern. Hierfür werden kleine Proben von Ockerartefakten in sicherer Umgebung durch Neutronenbestrahlung aktiviert.
Einige daraus resultierende Produkte können radioaktiv sein. Wenn diese radioaktiven Materialien anfangen, zu zerfallen, geben sie charakteristische Energien ab. Diese lassen sich messen und können so Hinweise liefern, woher das Material stammt und wie es entstanden ist.
Auf diese Weise können Herkunft und Transportwege der Artefakte rekonstruiert werden. Zusätzlich zu dieser Methode kam auch ein modernes Laserverfahren zum Einsatz, bei dem die Molekülbindungen der Proben in Schwingung versetzt werden. Diese Schwingung zeigt die Mineralzusammensetzung des Ockers an.
Auf dem Gipfel des Sibebe Pluton. Hier befindet sich die gleichnamige Fundstelle Sibebe, wo der Ocker aus der „Lion Cavern“ bereits vor 43.000 Jahren verwendet wurde. Foto: Senckenberg/BaderWie man mit Hilfe von Lumineszenz das Alter von Gestein feststellt
Svenja Riedesel vom Lumineszenzlabor des Geographischen Instituts der Universität zu Köln trug zur Datierung der Proben bei. Die Lumineszenzdatierung beruht darauf, dass Materialien wie Quarz oder Feldspat im Laufe der Zeit kleine Mengen an Energie aus ihrer Umgebung aufnehmen.
Diese Energie stammt hauptsächlich aus natürlicher Strahlung im Boden, die überall um uns herum vorhanden ist. In kleinen Defekten der Kristallstruktur des Materials wird die Energie gespeichert. „Um das Alter eines Materials zu bestimmen, entnehmen wir eine Probe und setzen sie im Labor Licht oder Hitze aus“, sagt Riedesel.
„So wird die gespeicherte Energie wieder freigesetzt und es entsteht ein schwaches Licht – die sogenannte Lumineszenz.“ Die Menge dieses freigesetzten Lichts gibt Auskunft darüber, wie lange das Material Sonne oder Hitze nicht mehr ausgesetzt war.
Steinzeitlicher „Pickel“. Mit solchen grob bearbeiteten Werkzeugen aus Stein bauten die Menschen vor 48.000 Jahren Ocker in der „Lion Cavern“ ab. Foto: Senckenberg/BaderÄlteste bekannte Belege für intensiven Ockerabbau
Riedesel verwendete Quarzkörner, um die Füllung der heute verlassenen Bergbauhöhlen der Lion Cavern zu datieren. Die Ergebnisse der Lumineszenzproben zeigen, dass die Höhlen durch Bergbauprozesse vor mindestens 42.000 entstanden sind.
Dies bestätigt frühere geochronologische Ergebnisse, die auf einen aktiven Ockerabbau in der Lion Cavern bereits vor 48.000 hinweisen. „Mit Hilfe der Optisch Stimulierten Lumineszenz-Datierung konnten wir nachweisen, dass es sich um die ältesten bekannten Belege für intensiven Ockerabbau weltweit handelt“, resümiert die Geografin.
So malten die Steinzeit-Künstler auf der Schwäbischen Alb
Die Jäger und Sammler des Jungpaläolithikums bemalten ihre Körper und Gegenstände gerne mit kräftigen gelben Ocker- und dunkelroten Röteltönen. So verstanden es auch die eiszeitlichen Bewohner der Schwäbischen Alb schon vor mehr als 30 000 Jahren, geeignete Gesteinsbrocken zu Pulver zu verreiben und daraus mit Wasser Farbpaste herzustellen.
„Die Farben sind auch nach vielen Jahrtausenden erstaunlich fest und haltbar“, erklärt Nicholas Conard, Direktor der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen. Conard vermutet, dass solche Farbpasten auch zum Gerben von Leder und als Schutz vor Insekten verwendet wurden. Im Hohle Fels sind zwar im Laufe der Jahre mehr als 850 Ockerfarb-Artefakte gefunden worden.
So funktioniert die steinzeitliche Malkunst: Die Pigmentfarbe Rötel wird mit dem Finger aufgetragen. So wird aus einem einfachen Stein ein Kunstwerk. Foto: Urgeschichtliches Museum Blaubeuren (Urmu)/Universität TübingenOffenbar rieben die frühen Menschen Gesteinsbrocken damit zu feinem Pulver. Anschließend wurde dieses mit Wasser zu einer Paste gebunden und aufgetragen. Darauf weisen Steinfunde aus Höhlen von der Schwäbischen Alb hin, auf die vermutlich mit kleinen Stöcken Punktreihen getupft wurden.
Die mineralischen Erdfarben – gelber Ocker und Rötel, auch roter Ocker genannt – gewannen die Eiszeit-Künstler aus weichen Tonsteinen und Eisenoxidmineral, die sie rund um ihre steinernen Behausungen im Achtal fanden.
Ocker-Tradition bis in die Gegenwart fortgeführt
„Unsere Daten untermauern die Annahme, dass Jäger und Sammler in der Steinzeit in Eswatini sehr mobil waren und für den Transport von Ockerpigmenten teils auch weite Strecken zurücklegten“, erläutert der Archäologe Gregor D. Bader.
Bemerkenswert ist, dass sich solche Traditionen in Eswatini bis in die Gegenwart fortsetzen. So sei aus ethnografischen Untersuchungen bekannt, dass beispielsweise Pflanzenheiler auf Wanderschaft gehen, um mineralische Erdpigmente für Mal- und Heilungszeremonien zu sammeln.
Ocker gilt außerdem als ein wichtiger Bestandteil einer Hochzeitszeremonie – die Braut wird dabei am Morgen der Hochzeit mit rotem Ocker und Tierfett bestrichen, um ihren neuen Status in der Gemeinschaft zu signalisieren.