Brüssel/London/Amsterdam

Den Europawahl-Auftakt geben Briten und Niederländer

dpa
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23. Mai 2019
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Mönche gehen zur Stimmenabgabe für die Europawahl im britischen East Lothain.

Mönche gehen zur Stimmenabgabe für die Europawahl im britischen East Lothain. ©dpa - Jane Barlow/PA Wire

Die Europawahl hat begonnen. Als erste stimmen seit Donnerstagmorgen die Bürger in den Niederlanden sowie in Großbritannien ab - obwohl die Briten die Europäische Union Ende Oktober verlassen wollen.

Bis zum Sonntag können bei der «Superwahl» rund 418 Millionen Menschen in den 28 EU-Mitgliedsstaaten 751 neue EU-Abgeordnete bestimmen. Deutschland wählt wie die meisten anderen EU-Staaten zum Abschluss am Sonntag.
Der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, sagte, die Europawahl sei «die größte grenzüberschreitende Wahl auf dem Planeten und eine Chance, über unsere Zukunft zu entscheiden».

Der Wahlausgang entscheidet nicht nur über die Sitzverteilung im EU-Parlament und die Chancen des Deutschen Manfred Weber auf den Posten des EU-Kommissionschefs. Es geht auch darum, wie die große Koalition in Berlin weiter zusammenarbeitet.

Gerechnet wird diesmal mit hohen Stimmanteilen für EU-kritische und rechtspopulistische Parteien. Das könnte die Gesetzgebung und die Besetzung von Spitzenposten in Brüssel extrem kompliziert machen. Die großen Parteienfamilien der Christdemokraten und Sozialdemokraten müssen im Vergleich zur Wahl 2014 deutliche Verluste befürchten. Voraussichtlich werden sie im EU-Parlament zusammen keine Mehrheit mehr haben, sondern auf Liberale, Grüne oder Linke angewiesen sein.

Großbritannien hat Austrittsabkommen nicht rechtzeitig durch ihr Parlament gebracht

In Großbritannien zeichnet sich ein Triumph für die Brexit-Partei von Nigel Farage ab, die nach Umfragen bis zu 38 Prozent der Stimmen erhalten könnte. Auch die Liberaldemokraten und die Grünen, die sich gegen den EU-Austritt aussprechen, erleben wahre Höhenflüge. Die Wähler scheinen die Gelegenheit nutzen zu wollen, um die beiden großen Parteien, Konservative und Labour, für das Chaos um den EU-Austritt abzustrafen. Für die konservativen Tories von Premierministerin Theresa May dürfte es bitter werden, sogar ein einstelliges Ergebnis scheint nicht ausgeschlossen.

Die Briten hatten vor fast drei Jahren in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Dass sie dennoch an der Wahl teilnehmen, liegt daran, dass die britische Regierung ihr mit der EU ausgehandeltes Austrittsabkommen nicht rechtzeitig durch ihr Parlament gebracht hat. Der EU-Austritt soll nun spätestens am 31. Oktober erfolgen, doch werden auch an diesem Termin Zweifel laut.

In Großbritannien wird traditionell an einem Donnerstag gewählt. Der genaue Grund dafür ist der Wahlkommission zufolge nicht bekannt. Eine Theorie besagt, das die Wahl auf Donnerstag fiel, weil dann viele Menschen ohnehin in die Städte kamen und nicht extra für die Stimmabgabe anreisen mussten.

Zur Abstimmung aufgerufen 

In den Niederlanden sind knapp 13 Millionen Menschen zur Abstimmung aufgerufen. Das erste Wahllokal öffnete am Flughafen Amsterdam Schiphol bereits um 05.00 Uhr morgens, eineinhalb Stunden später konnten Frühaufsteher ihre Stimme auch am Hauptbahnhof der Stadt abgeben. Inzwischen sind die Wahllokale landesweit offen.

Mit Spannung wird dort das Abschneiden des neuen Stars der rechten Szene, Thierry Baudet, und seines Forums für Demokratie (FvD) erwartet. Die Partei will ein Referendum über die niederländische EU-Mitgliedschaft und hatte überraschend die jüngste Provinzwahl gewonnen. Bei der Europawahl 2014 existierte die Partei noch nicht.

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Letzte Umfragen sahen die Rechtspartei FvD und die konservativ-liberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte gleichauf an der Spitze mit jeweils 15 Prozent. Die sozialdemokratische PvdA rangierte mit 13 Prozent an dritter Stelle in den Umfragen. Im europaweiten Fokus steht Frans Timmermans, der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten von der PvdA. Die Wahlbeteiligung lag in den Niederlanden bei der Europawahl 2014 bei mäßigen 37 Prozent.

Insgesamt erstreckt sich die Europawahl über vier Tage: Irland und Tschechien folgen am Freitag, Frankreich und einige weitere Länder wählen am Samstag und Deutschland stimmt wie die meisten EU-Staaten zum Abschluss am Sonntag ab.

Ibiza-Affäre 

In Deutschland rechnet fast jeder Dritte mit negativen Auswirkungen der Ibiza-Affäre in Österreich auf das Ergebnis der AfD bei der Europawahl. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur meinen 28 Prozent, dass die Affäre um den inzwischen zurückgetretenen Vorsitzenden der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, bei der Wahl nicht ohne Folgen für die deutsche Schwesterpartei AfD bleibt. 39 Prozent rechnen dagegen nicht mit Auswirkungen auf das Wahlergebnis der AfD, 33 Prozent machten keine Angaben.

Die geplante neue Fraktion der Rechtsnationalen und Populisten im EU-Parlament sieht in ihren Reihen noch Platz für die Brexit-Partei von Nigel Farage. AfD-Chef Jörg Meuthen sagte der Deutschen Presse-Agentur, welcher Fraktion sich diese neugegründete britische Partei anschließen werde, wisse er noch nicht. Er sehe aber «eine Basis für eine gute Zusammenarbeit» mit der Brexit-Partei.

Meuthen ist Spitzenkandidat der eurokritischen AfD für die Europawahl. Er hatte am vergangenen Wochenende in Mailand gemeinsam mit dem Chef der italienischen Lega, Matteo Salvini, und weiteren rechtsnationalen Kräften die Bildung einer Fraktion mit dem Namen «Bündnis Europäische Allianz der Völker und Nationen» angekündigt. Dieser sollen unter anderem auch die französische Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und die österreichische FPÖ angehören

EU-Parlament 

Der Wahlausgang entscheidet über die Sitzverteilung im EU-Parlament und damit auch über die Chancen des deutschen CSU-Politikers Manfred Weber auf den Posten des EU-Kommissionschefs. Der bisherige Amtsinhaber Jean-Claude Juncker, der wie Weber aus der christdemokratisch-konservativen Parteienfamilie der EVP (Europäische Volkspartei) kommt, scheidet aus.

Nach einer Projektion des Portals «Politico» kann die EVP mit ihrem Spitzenkandidaten Weber im Parlament auf 171 Mandate hoffen, die Sozialdemokraten mit Timmermans auf 144. Die Liberalen kämen zusammen mit der Partei LREM des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf 107 Mandate. Die neue nationalistische Allianz des Italieners Salvini würde mit 74 Sitzen Platz vier erreichen; die ebenfalls EU-kritische Fraktion EKR hätte weitere 57 Sitze. Danach folgen die Grünen mit 56 und die Linke mit 51 Mandaten.

 

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