Folgen des Coronavirus

Frankreichs Regierung legt das öffentliche Leben lahm

Knut Krohn
Lesezeit 5 Minuten
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17. März 2020
Das Schloss von Versailles macht zu! Im Rahmen der Ausgangssperre werden in Frankreich auch Museen und Sehenswürdigkeiten geschlossen.

Das Schloss von Versailles macht zu! Im Rahmen der Ausgangssperre werden in Frankreich auch Museen und Sehenswürdigkeiten geschlossen. ©Foto: dpa/Michel Euler

Der Präsident verkündet wegen des Coronavirus eine Ausgangssperre für das ganze Land – Unternehmen sollen mit Milliardenprogrammen unterstützt werden

Paris - Ungewohnte Hektik auf den Bahnhöfen in Paris. Wenige Stunden vor dem Einsetzen der Ausgangssperre um die Mittagszeit wollen viele Menschen am Dienstagmorgen die Millionenmetropole noch schnell verlassen. „Wir fahren zu unseren Eltern auf Land, das ist schöner, als hier die enge Stadtwohnung“, erklärte eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau auf dem Weg zum Gare du Nord. Auch auf dem Gare de l’Est, von wo die Züge in Richtung Deutschland starten, ist ungewöhnlich viel Treiben. „Ich habe meine Tochter besucht, die hier lebt und vor einigen Tagen ein Kind bekommen hat“, sagt eine Frau aus der Nähe von Frankfurt. „Mein Zug wäre Ende der Woche gegangen, aber unter diesen Umständen habe ich schnell umgebucht.“

Die Menschen verlassen in Scharen Paris

Angesichts dieser Reisewelle werden nun Sorgen laut, dass sich das Virus durch die aus der Stadt kommenden Menschen schneller im ganzen Land ausbreiten könnte. Aus diesem Grund begann die staatliche Bahn SNCF am Dienstag damit, die Langstreckenverbindungen mit TGV-Hochgeschwindigkeitszügen drastisch einzuschränken. Gesundheitsminister Olivier Veran wies darauf hin, dass die Einschränkungen für das öffentliche Leben an der Küste genauso gelten wie in Paris. Am Dienstag erklärte der Minister, dass die Sperre mindestens zwei Wochen dauern werde.

Nach Italien und Spanien ist Frankreich das dritte Land in der EU, das wegen des Coronavirus eine Ausgangssperre verhängt. Präsident Emmanuel Macron hatte die Maßnahme am Montagabend in einer Fernsehansprache angekündigt. Für die Überwachung der Ausgangssperre sind über 100 000 Sicherheitskräfte mobilisiert worden. Innenminister Christophe Castaner appellierte am Dienstag noch einmal eindringlich an alle Franzosen: „Bleiben Sie zu Hause!“ Wer sich nicht an die Vorgaben hält, auf den warten empfindliche Strafen. Für Verstöße sollten die Bußgelder bald auf 135 Euro erhöht werden, derzeit drohen noch 38 Euro.

Lourdes schießt zum ersten Mal in der Geschichte

Angesichts der Corona-Pandemie schließt sogar die berühmte katholische Wallfahrtsstätte von Lourdes im Südwesten Frankreichs erstmals in ihrer Geschichte ihre Pforten. Das Heiligtum werde umgehend geschlossen, erklärte am Dienstag Rektor Olivier Ribadeau Duma im Kurznachrichtendienst Twitter. Die 30 Priester des Wallfahrtsorts würden neun Tage lang „besondere Gebete für die Welt aus der Grotte der Erscheinungen“ sprechen. Diese sollten live in katholischen Sendern übertragen werden, teilte die Leitung des Heiligtums mit.

Die Ausgangssperre im Land bedeutet allerdings nicht, dass sich die Menschen in ihren Wohnungen einsperren müssen. Erlaubt sind kurze Gänge zum Supermarkt, um einzukaufen. „Man kann auch weiter Individualsport machen oder mit seinem Hund spazieren gehen“, unterstrich Innenminister Castaner. Alles müsse allerdings sparsam, im Abstand zu den Mitmenschen, in der Nähe der Wohnung und mit großem Augenmaß geschehen. „Man kann an die frische Luft, aber Fußball spielen geht nicht,“ erklärte er.

Restaurants und Bars sind bereits geschlossen

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In Frankreich waren bereits seit Sonntag alle Restaurants und Bars geschlossen. Auch Schulen, Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen, Museen und Bibliotheken bleiben derzeit zu. Dennoch hatten sich an dem sonnigen Wochenende unzählige Menschen im Freien getroffen. Der beliebte Parc des Buttes-Chaumont im 19. Arrondissement von Paris war übervoll mit Menschen, die auf dem Rasen ihre Picknick-Decken ausgebreitet hatten. Auf den Champs-Élysée bummelten die Menschen an den geschlossenen Läden vorbei, wer allerdings auf den Triumphbogen steigen wollte, der wurde vom Sicherheitspersonal abgewiesen.

Bilder wie diese veranlassten Präsident Macron wahrscheinlich dazu, die Ausgangssperre für das gesamte Land auszurufen. In einer fast schon dramatischen Ansprache rief er die Bürger auf, sich verantwortungsvoll zu verhalten. „Selbst wenn Sie keine Symptome haben, können Sie infiziert sein und andere anstecken.“ Immer wieder wiederholte er den Satz: „Wir sind im Krieg!“ Niemand könne genau vorhersagen, wie lange es dauern werde, so der Präsident.

Macron verschiebt wichtige Reformen

Gleichzeitig verschob Macron die für kommenden Sonntag angesetzte Endrunde der Kommunalwahlen. Auch alle laufenden Reformen seien auf Eis gelegt, darunter die umstrittene Rentenreform. Gegen die Rentenpläne der französischen Regierung hatte es seit Dezember massive Streiks und Proteste gegeben.

Der Kampf gegen das Coronavirus sei „auch ein wirtschaftlicher und finanzieller Krieg“, sagte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Dienstag dem Radiosender RTL. Dieser Kampf werde „von Dauer sein, er wird heftig sein, und für diesen Krieg müssen wir alle unsere Kräfte mobilisieren“, forderte er. Kein Unternehmen solle sich sorgen, aufgrund der Maßnahmen Bankrott zu gehen, versprach Macron. Miete oder Gas- und Stromkosten sollen für mittlere und kleinere Unternehmen ausgesetzt werden, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Macron forderte auch alle Unternehmen auf, die Arbeit von zu Hause aus zu erleichtern. Taxis und Hotels sollen für die Pflege eingesetzt werden. Der Staat werde dafür aufkommen, so der 42-jährige Staatschef.

Die Regierung hat zu diesem Zweck ein milliardenschweres Hilfspaket für die Wirtschaft angekündigt. Unternehmen und Arbeitnehmer sollten mit insgesamt 45 Milliarden Euro unterstützt werden, sagte Bruno Le Maire. „Ich werde nicht zögern, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um große französische Unternehmen zu schützen.“ Dabei seien auch Verstaatlichungen denkbar. Der Wirtschaftsminister geht nach eigenen Angaben von einer durch die Pandemie ausgelösten Rezession in Frankreich aus.

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