Grüne Gräben reißen auf
Berlin - Die Auseinandersetzungen zwischen Fundis und Realos haben eine lange Tradition bei den Grünen. Auf vielen Parteitagen ist erbittert gestritten worden, erst dem Vorsitzendenduo Annalena Baerbock und Robert Habeck gelang es, stabile Brücken über die grünen Gräben zu bauen. Nun zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass der Grundsatzkonflikt zwischen linkem und pragmatischem Lager trotzdem nie ganz aufgelöst, sondern nur gut vor der Öffentlichkeit verborgen werden konnte. Der Machtpoker zwischen Anton Hofreiter und Cem Özdemir um einen Ministerposten im künftigen Bundeskabinett von Olaf Scholz steht sinnbildlich dafür.
Sowohl Özdemir als auch Hofreiter sehen ihre Zeit gekommen
Für beide Kandidaten gibt es strategisch gute Gründe. Hofreiter wäre der Kandidat, der beim nahenden Koalitionsvertragsvotum die Mitglieder überzeugen könnte, die weiter links stehen als die Grünen-Wählerschaft. Da viele Neumitglieder die Klima-Beschlüsse ohnehin kritisch beäugen, könnte der Realo Özdemir als weiterer Nachweis dienen, dass die Partei es so ernst nicht meint. Was gar nicht am Stuttgarter Wahlsieger als Person liegt – im Gegenteil. Er ist derjenige, der über Parteigrenzen hinweg auf Anerkennung stößt und für den Volksparteikurs der Grünen steht, von dem sie zuletzt etwas abgekommen waren.
Dass Hofreiter wie Özdemir ihre Zeit gekommen sehen, verschärft die Auseinandersetzung zusätzlich. Sie wird auch dieses Mal politische Blessuren hinterlassen.