Schöpfer der „Körperwelten“

Gunther von Hagens: „Dr. Tod“ wird 75

Michael Setzer
Lesezeit 3 Minuten
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09. Januar 2020
Von Hagens sieht sich nicht nur als Anatom, sondern auch als Künstler.

Von Hagens sieht sich nicht nur als Anatom, sondern auch als Künstler. ©Foto: Imago

Den Namen „Dr. Tod“ wird Gunther von Hagens wahrscheinlich nie mehr los. Jetzt feiert der umstrittene Anatom, Erfinder der Plastination und Begründer der „Körperwelten“ seinen 75. Geburtstag.

Stuttgart - An seinem 32. Geburtstag hat Gunther von Hagens gearbeitet. Man weiß das, weil er an diesem Tag an der Universität in Heidelberg eine nicht unerhebliche Entdeckung in die Tat umsetzte: Seine erste vorzeigbare Plastination, 1977 war das und das für die Ewigkeit konservierte Stück Leben – eine Niere. Von Hagens selbst war damals noch nicht lange im Westen. Der junge Wissenschaftler war nach missglückter Republikflucht 1970 von der Bundesrepublik für umgerechnet rund 20 000 Euro aus der DDR-Haft freigekauft worden.

Plastination, das ist grob vereinfacht, Stabilisierung von innen. Die Zellflüssigkeit in organischem Gewebe wird in einem Vakuum entfernt und durch Kunststoffe ersetzt. Ehemals lebendige Organismen werden für die Ewigkeit präpariert, der Zerfall, die Verwesung gestoppt. Von Hagens Art des Verfahren bietet erstmals die Möglichkeit, auch größere Präparate herzustellen. Der Ursprung seiner Idee, geht darauf zurück, dass er sich als Student fragte, weshalb die Anschauungspräparate in Kunststoffblöcke eingebettet waren. Wenn das von außen funktioniere, dann müsse das doch auch umgekehrt zu erreichen sein. 1978 meldete er ein Patent auf seine Entdeckung an, 1982 wurde es erteilt.

Von Hagens fühlt sich auch als eine Art Künstler

Die neu gewonnene Perspektiven auf die Anatomie waren wissenschaftlich immens. Denn seitdem kann man organische Körper dauerhaft und geruchsfrei konservieren. Man kann sie in nur Millimeter dicke Scheiben schneiden und so gänzlich neue Einblicke in menschliche oder tierische Organismen gewinnen. Von Hagens Entdeckung war eine wissenschaftliche Sensation.

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Je nach Geschmacksempfinden sehen die nachträglich eingefärbten Körperteile natürlich auch spektakulär aus. Genau deshalb wird von Hagens Mitte der 90er-Jahre auch dem Nicht-Fachpublikum bekannt. Er beginnt die Wissenschaft zu inszenieren, sich auch als eine Art Künstler zu begreifen. Infotainment, wenn man so will. Makaber und moralisch bedenklich, urteilen seine Kritiker. Von Hagens stellt in seinen „Körperwelten“-Ausstellungen schließlich Verstorbene aus. Die Herkunft einiger seiner Objekte wirft Fragen auf: Den Vorwurf, anfangs wissentlich die Leichen chinesischer Hinrichtungsopfer für die „Körperwelten“ aufgekauft zu haben, weist von Hagens zurück.

Heftige Debatten über Moral und Totenruhe

Die weltweit erste Ausstellung 1995 im Nationalen Wissenschaftsmuseum in Tokio zieht einen Sturm der Entrüstung nach sich. Als von Hagens 1997/98 die „Körperwelten“ erstmals in Deutschland zeigt, ist der Besucheransturm in Mannheim immens. Die Debatte über Moral, Totenruhe und den wissenschaftlichen Deckmantel unter dem von Hagens operiere, aber auch. 2009 wird von Hagens in mehreren Städten untersagt, einen plastinierten Liebesakt zu zeigen.

Jegliche Kontroversen weiß Gunther von Hagens professionell zu nutzen. Seine ursprünglich wissenschaftliche Erfindung nutzt er heute konsequent als Spektakel. Er reist als gern gesehener Gast durch die TV-Talkshows. Diskutiert wird über die Ausstellung noch immer, auch zuletzt bei den Gastspielen in Stuttgart 2003 und 2016. Mittlerweile zeichnet von Hagens zweite Ehefrau Angelina Whalley als Kuratorin für die „Körperwelten“ verantwortlich.

Im Ruhestand ist Gunther von Hagens noch lange nicht, trotz seiner fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung. Er arbeitet daran, die Plastination zu perfektionieren. In der Kartei seines „Institut für Plastination“ in Heidelberg finden sich nach seinen Angaben die Adressen von 19 000 Menschen, die im Fall ihres Todes ihren Körper plastinieren lassen wollen. „Wir haben eher zu viel als zu wenig Leichen im Keller“, sagt von Hagens. Wahrscheinlich arbeitet er auch an seinem 75. Geburtstag.

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