Türkei

Mehr als 1900 Tote nach Erdbebenkatastrophe in der Türkei

red/dpa
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06. Februar 2023

(Bild 1/4) Notfallteams suchen nach Menschen in einem zerstörten Gebäude während ein Auto auf den Trümmern liegt. ©Foto: Dia Images/DIA Images/AP

Erst bebt die Erde nachts sehr stark, dann mittags erneut: Das ganze Ausmaß der Katastrophe an der türkisch-syrischen Grenze ist noch nicht abzusehen. Internationale Hilfe läuft an.

Nach mehreren schweren Erdbeben am Montag in der türkisch-syrischen Grenzregion ist die Zahl der Toten auf mehr als 1900 gestiegen. Rund 10 000 Menschen in der Türkei und in Syrien wurden nach bisherigen Informationen verletzt. In dem Katastrophengebiet, in dem Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien Schutz gesucht haben, herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Dem Katastrophendienst Afad zufolge hatte das Hauptbeben am Morgen mit Epizentrum im südtürkischen Kahramanmaras eine Stärke von 7,7. Mittags erschütterte ein Beben der Stärke 7,5 dieselbe Region, wie in Istanbul die Erdbebenwarte Kandilli meldete.

Auch im Libanon und im Irak bebte die Erde, ebenso auf der nahe gelegenen Mittelmeerinsel Zypern. Nach Angaben von EU-Vertretern war das Erdbeben in der Nacht zum Montag eines der stärksten in der Region in mehr als 100 Jahren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach vom schwersten Beben seit 1939.

In der Türkei seien 1121 Menschen ums Leben gekommen, teilte der Katastrophenschutzdienst Afad am Montagnachmittag mit. Mehr als 7500 Menschen seien verletzt worden. Bei den Erschütterungen stürzten allein in der Südosttürkei Tausende Gebäude ein. Auf Videos aus mehreren Städten waren völlig zerstörte Straßenzüge zu sehen.

In Syrien stieg die Zahl der Toten auf etwa 800. Das teilten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh sowie die Rettungsorganisation Weißhelme mit. In dem Bürgerkriegsland seien bei der Katastrophe mehr als 2200 Menschen verletzt worden. Angesichts vieler Verschütteter werde die Totenzahl noch steigen.

Regen, Schnee und Kälte erschwerten die Hilfseinsätze. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) rief alle Menschen guten Willens und insbesondere die muslimische Gemeinschaft auf, schnell Geld- und Sachspenden in die Gebiete zu schicken.

Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung von europäischen Rettungskräften in die Türkei. Nach Angaben eines Sprechers der EU-Kommission in Brüssel wurden bis Montagmittag bereits mehr als zehn Such- und Rettungsteams mobilisiert.

Zur Unterstützung wurde auch der Copernicus-Satellitendienst der EU aktiviert, wie EU-Kommissar Janez Lenarcic und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mitteilten. Mit dessen Daten können etwa Lagekarten erstellt werden, die ein detailliertes Ausmaß der Schäden zeigen. Die EU sei auch bereit, die Betroffenen in Syrien zu unterstützen, ergänzten die beiden EU-Vertreter. Bereits am Vormittag hatte die Kommission den Start des EU-Katastrophenschutzverfahrens angekündigt. Neben den EU-Staaten sind auch die Türkei und europäische Länder wie Norwegen an dem System beteiligt.

Die Türkei bat ihre Nato-Partner um Unterstützung. Konkret wurden etwa drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal für deren Einrichtung genannt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits am Vormittag mitgeteilt, Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren.

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Der Verlust von Menschenleben und die Zerstörung infolge des Erdbebens brächen einem das Herz, schrieb der UN-Syrien-Vermittler Geir Pedersen auf Twitter. Viele Menschen in der Region litten ohnehin schon enorm und zudem sehr lange.

Unter den eingestürzten Gebäuden in der Türkei war neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. In der Stadt Gaziantep wurde laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist ein Unesco-Weltkulturerbe.

Menschen in der Türkei wurden aufgerufen, wegen der Kommunikationsengpässe online zu telefonieren und nicht über das Handy-Netz, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können.

Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.

Zu spüren waren die Beben auch in Israel. Nach Angaben der israelischen Polizei gab es aber keine Verletzten oder Schäden. Israel will der Türkei und auch Syrien Hilfe leisten. Auch Finnland und Schweden kündigten Hilfe an trotz der türkischen Blockade ihrer Nato-Anträge. Auch der Iran bot Unterstützung an - er ist neben Russland im Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Eine der schwersten vom Erdbeben betroffenen Gebiete war die Region Idlib in Syrien, die von Rebellen gehalten wird. Dies dürfte dort die staatliche Nothilfe erschweren.

Der Iran unterstützt im syrischen Bürgerkrieg den Präsidenten Assad, die Türkei steht dagegen auf der Seite von Rebellen. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg in Syrien kontrollieren Assads Regierungstruppen wieder rund zwei Drittel des Landes.

Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken. Athen und Ankara streiten sich seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. In den vergangenen Monaten hatte der türkische Präsident Erdogan wiederholt mit einer Invasion auf griechische Inseln gedroht.

Die beiden Nato-Mitglieder hatten sich bereits 1999 gegenseitig bei schweren Erdbeben geholfen. Diese als «Erdbebendiplomatie» bezeichnete Hilfe leitete damals eine Phase der Entspannung ein.

Die Türkei wird immer wieder von schweren Erdbeben getroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

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