7-Jährige erstochen: Erster Prozesstag um kaltblütigen Mord

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Eine Frau will sich trennen und ihr Kind bezahlt dies mit dem Leben. Die Siebenjährige wird von ihrem Stiefvater erstochen. Im Mordprozess vor dem Landgericht Karlsruhe entfaltet sich eine Geschichte von Rache, Eifersucht und anderen Untiefen.
Das erste, was der Angeklagte am Dienstag vor dem Karlsruher Landgericht bekommt, ist ein Rüffel. »Nehmen Sie doch bitte mal die Kapuze ab«, sagt der Vorsitzende Richter etwas ungehalten. Der 29-Jährige hat Minuten zuvor in khakigrünem Parka und hochgeschlagener Kapuze auf der Anklagebank Platz genommen. Er tut wie geheißen, stützt das bärtige Gesicht in die linke Hand und hört mithilfe eines Französisch-Dolmetschers dem Staatsanwalt zu. Mord an seiner kleinen Stieftochter lautet der Vorwurf. Das erst sieben Jahre alte Kind soll der Mann im Mai brutal erstochen haben. Aus Wut und Rache, weil die Mutter des Mädchens sich von ihm trennen wollte.
Sechsmal von hinten eingestochen
Dafür, so die Anklage, fuhr er am Abend der Tat in die Wohnung einer Freundin der Mutter, die dort mitsamt der Tochter nach vorangegangenen Drohungen des Mannes Zuflucht gesucht hatte. Das Messer soll er schon mitgenommen und außerdem gewusst haben, dass das Mädchen mit den beiden Kindern der Freundin dann alleine in der Wohnung sein würde. Er tritt die Wohnungstür ein, zerrt gezielt seine Stieftochter aus der Wohnung, wirft sie auf den Bauch und sticht sechsmal von hinten auf das wehrlose Kind ein. Es stirbt nur Tage später. Stiche durch den Nacken sind ins Hirn eingedrungen. Das Messer bleibt verschwunden. Der Staatsanwalt beantragt, die besondere Schwere der Schuld anzuerkennen.
Im Zeugenstand weint die Mutter nur kurz. »Emilie lag da in ihrem Blut«, sagt die 38-Jährige und ihre Stimme versagt. Sie habe das Kind in den Arm genommen, Polizei und Rettungswagen waren schnell vor Ort. Mit ihrer Freundin war sie kurz vor der tödlichen Attacke in die eigene Wohnung gefahren, um ein paar Sachen einzupacken. Die drei Kinder lassen sie nur kurz zurück. Zu lang. Der achtjährige Sohn der Freundin ruft zweimal panisch auf dem Handy seiner Mutter an, als der Mann »Emilie holt«. Zu spät. Die beiden Frauen fahren so schnell sie können zurück. Vergeblich.
Die Freundin, vor deren Wohnung sich die Tat ereignet, sagt nach der Mutter aus. Gefasst zunächst, bis zum Moment, als sie von der Ankunft am Tatort erzählen soll. Als sie aus dem Auto steigen, zur Wohnung rennen, bei Emilie niederknien, habe das lebengefährlich verletzte Kind die Hand gehoben und gesagt: »Mama«. Die Geste des Kindes macht sie dabei in der Luft nach. Sie weint nun so sehr, dass man sie kaum mehr versteht.
Angeklagter sagt nur wenig vor Gericht
Was genau den Angeklagten, dessen Weg nach Deutschland über Spanien und ab 2011 als Asylbewerber nach Belgien führte, zur schrecklichen Tat trieb, wird nicht deutlich. Zwar entschuldigt er sich gleich zu Beginn der Verhandlung beim leiblichen Vater und bei seiner Frau, die er erst im März geheiratet hatte. Ansonsten kann sich der 29-Jährige nicht erinnern und sagt so gut wie nichts.
Gegenüber dem ebenfalls als Zeugen vernommenen Sachverständigen spricht er von einem »Blackout«, er hätte seinen Zorn nicht am Kind auslassen sollen. Der Angeklagte habe oft geweint in Gesprächen mit ihm, erklärt der Psychiater weiter. »Ich hatte keineswegs den Eindruck, dass ihn das Ganze kalt lässt.« Er habe sein späteres Opfer gemocht und sich auch gekümmert.
Urteil wird am Freitag erwartet
»Ich glaube, er ist ein schlechter Mensch«, sagt die Tante der getöteten Siebenjährigen am Vormittag in einer Prozesspause. Sie ist aus Frankreich angereist, um den Prozess zu verfolgen. Eine weitere Frau, die für sie dolmetscht, ist mit der Mutter des getöteten Mädchens befreundet. Die Mutter sei stark, sagt sie, es gehe ihr den Umständen entsprechend, sie habe ihre Tochter in Kamerun beerdigt. »Aber sie hat jetzt kein Kind mehr.« Das Urteil gegen den 29-Jährigen könnte am Freitag gefällt werden.