Störfall in Fessenheim: "Anlage ist völlig veraltet"
Ein Zwischenfall im französischen Atomkraftwerk Fessenheim nahe der deutschen Grenze war einem Medienbericht zufolge gravierender als bislang bekannt. Wie erst jetzt bekannt wurde, war der Reaktor 2014 notfallmäßig heruntergefahren worden.
Die »Süddeutsche Zeitung« und der WDR hatten zuvor unter Berufung auf ein Dokument der französischen Atomaufsicht berichtet, ein Zwischenfall in dem AKW nahe der deutschen Grenze vom April 2014 sei gravierender gewesen als bislang bekannt. Die Medien berufen sich auf ein Schreiben der ASN an den Leiter des Kraftwerks nahe der Grenze zu Baden-Württemberg wenige Tage nach dem Zwischenfall.
Demnach seien die Steuerstäbe im Reaktorblock zeitweise nicht manövrierbar gewesen. Ein Krisenstab habe entschieden, den Reaktor durch Einleitung von Bor ins Kühlwasser notfallmäßig herunterzufahren. Die Medien zitieren einen Reaktorexperten, demzufolge es eine vergleichbare Situation in Westeuropa bislang noch nicht gegeben habe.
Kritik an französischer Atompolitik
Die Bundesregierung ist nicht erst seit dem Störfall im französischen Atomkraftwerk Fessenheim unzufrieden mit der Atompolitik des Nachbarlandes. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) habe bereits vor einem Jahr die Stilllegung dieses ältesten französischen Atomkraftwerkes gefordert, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Freitag in Berlin. Von der französischen Behörden seien dazu allerdings bislang keine »belastbaren Informationen« zu erhalten. Einmal sei die Rede davon, das AKW werde 2017 vom Netz genommen. Dann wieder heiße es, man wolle erst die Fertigstellung eines neuen Kernkraftwerkes abwarten. Er betonte: »Für uns sind solche alten Reaktoren ein Sicherheitsrisiko.«
Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat von seiner französischen Kollegin Ségolène Royal einen klaren Zeitplan für die Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim gefordert. Zugleich verlangte er in einem Brief an sie die vollständige Aufklärung eines Zwischenfalls vom April 2014. Bei dem bereits bekannten Vorfall war die Steuerung der Anlage beeinträchtigt. Wenn es aber neue Erkenntnisse geben sollte, wolle der Südwesten informiert werden, sagte Untersteller am Freitag in Stuttgart. Die Anlage sei völlig veraltet, erklärte Untersteller gegenüber Hitradio Ohr. "Zum Teil sind Sicherheitsvorkehrungen nur ein- oder zweifach vorhanden", kritisierte der Minister. In moderneren Reaktoren seien die Mechanismen mindestens drei- oder vierfach vorhanden.
Ältestes Atomkraftwerk
Die Atomaufsicht hatte damals in einer Pressemitteilung erklärt, dass der Wassereinbruch in Schaltkästen im nicht-nuklearen Teil der Anlage eines der zwei separaten Elektroniksysteme für die Notabschaltung beschädigt habe. Sie betonte jedoch, dass das zweite weiterhin funktionierte und damit das Funktionieren stets sichergestellt gewesen sei. Auf eine Anfrage am Donnerstagabend reagierte die Behörde zunächst nicht. Fessenheim im Elsass ist das älteste Atomkraftwerk Frankreichs. Atomkraftgegner fordern schon lange, es so schnell wie möglich zu schließen.
Der Vorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND, Hubert Weiger, kritisierte die Informationspolitik französischer und deutscher Behörden im Fall Fessenheim. Er sagte: »Die Bewertung von Störfällen ist wenig transparent und wird in der Tonlage von den Betreibern der AKWs vorgegeben.«
Juppé gegen Schließung
Alain Juppé, nach derzeitigen Umfragen aussichtsreichster Bewerber der konservativen Republikaner für die französische Präsidentschaftswahl 2017, sprach sich jetzt strikt gegen eine Schließung von Fessenheim aus. Wenn er zum Staatspräsidenten gewählt werde, werde er nicht den Betreiber EDF dazu zwingen, den Atommeiler abzustellen, schrieb er an den Bürgermeister von Fessenheim, Claude Brenner.
Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, wies darauf hin, dass der älteste französische Meiler nach enormen Investitionen den höchsten Sicherheitansforderungen entspreche. Eine Schließung wäre weder unter Berücksichtung von technischen, noch von wirtschaftlichen oder umweltpolitischen Gesichtspunkten wünschenswert. Viele Beobachter halten es für höchst unwahrscheinlich, dass Fessenheim noch bis 2017, wie es Präsident Hollande eigentlich versprochen hatte, vom Netz genommen wird.