Fessenheim

Störfall in Fessenheim: "Anlage ist völlig veraltet"

dpa/ah/chs
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
04. März 2016
Mehr zum Thema

©Erich Meier

Ein Zwischenfall im französischen Atomkraftwerk Fessenheim nahe der deutschen Grenze war einem Medienbericht zufolge gravierender als bislang bekannt. Wie erst jetzt bekannt wurde, war der Reaktor 2014 notfallmäßig heruntergefahren worden.

Die »Süddeutsche Zeitung« und der WDR hatten zuvor unter Berufung auf ein Dokument der französischen Atomaufsicht berichtet, ein Zwischenfall in dem AKW nahe der deutschen Grenze vom April 2014 sei gravierender gewesen als bislang bekannt.  Die Medien berufen sich auf ein Schreiben der ASN an den Leiter des Kraftwerks nahe der Grenze zu Baden-Württemberg wenige Tage nach dem Zwischenfall.

Demnach seien die Steuerstäbe im Reaktorblock zeitweise nicht manövrierbar gewesen. Ein Krisenstab habe entschieden, den Reaktor durch Einleitung von Bor ins Kühlwasser notfallmäßig herunterzufahren. Die Medien zitieren einen Reaktorexperten, demzufolge es eine vergleichbare Situation in Westeuropa bislang noch nicht gegeben habe.

Kritik an französischer Atompolitik

Die Bundesregierung ist nicht erst seit dem Störfall im französischen Atomkraftwerk Fessenheim unzufrieden mit der Atompolitik des Nachbarlandes. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) habe bereits vor einem Jahr die Stilllegung dieses ältesten französischen Atomkraftwerkes gefordert, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Freitag in Berlin. Von der französischen Behörden seien dazu allerdings bislang keine »belastbaren Informationen« zu erhalten. Einmal sei die Rede davon, das AKW werde 2017 vom Netz genommen. Dann wieder heiße es, man wolle erst die Fertigstellung eines neuen Kernkraftwerkes abwarten. Er betonte: »Für uns sind solche alten Reaktoren ein Sicherheitsrisiko.«

Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat von seiner französischen Kollegin Ségolène Royal einen klaren Zeitplan für die Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim gefordert. Zugleich verlangte er in einem Brief an sie die vollständige Aufklärung eines Zwischenfalls vom April 2014. Bei dem bereits bekannten Vorfall war die Steuerung der Anlage beeinträchtigt. Wenn es aber neue Erkenntnisse geben sollte, wolle der Südwesten informiert werden, sagte Untersteller am Freitag in Stuttgart. Die Anlage sei völlig veraltet, erklärte Untersteller gegenüber Hitradio Ohr. "Zum Teil sind Sicherheitsvorkehrungen nur ein- oder zweifach vorhanden", kritisierte der Minister. In moderneren Reaktoren seien die Mechanismen mindestens drei- oder vierfach vorhanden. 

- Anzeige -

Ältestes Atomkraftwerk

Die Atomaufsicht hatte damals in einer Pressemitteilung erklärt, dass der Wassereinbruch in Schaltkästen im nicht-nuklearen Teil der Anlage eines der zwei separaten Elektroniksysteme für die Notabschaltung beschädigt habe. Sie betonte jedoch, dass das zweite weiterhin funktionierte und damit das Funktionieren stets sichergestellt gewesen sei. Auf eine Anfrage am Donnerstagabend reagierte die Behörde zunächst nicht. Fessenheim im Elsass ist das älteste Atomkraftwerk Frankreichs. Atomkraftgegner fordern schon lange, es so schnell wie möglich zu schließen.

Der Vorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND, Hubert Weiger, kritisierte die Informationspolitik französischer und deutscher Behörden im Fall Fessenheim. Er sagte: »Die Bewertung von Störfällen ist wenig transparent und wird in der Tonlage von den Betreibern der AKWs vorgegeben.«

Juppé gegen Schließung

Alain Juppé, nach derzeitigen Umfragen aussichtsreichster Bewerber der konservativen Republikaner für die französische Präsidentschaftswahl 2017, sprach sich jetzt strikt gegen eine Schließung von Fessenheim aus. Wenn er zum Staatspräsidenten gewählt werde, werde er nicht den Betreiber EDF dazu zwingen, den Atommeiler abzustellen, schrieb er an den Bürgermeister von Fessenheim, Claude Brenner.

Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, wies darauf hin, dass der älteste französische Meiler nach enormen Investitionen den höchsten Sicherheitansforderungen entspreche. Eine Schließung wäre  weder unter Berücksichtung von technischen, noch von wirtschaftlichen oder umweltpolitischen Gesichtspunkten wünschenswert. Viele Beobachter halten es für höchst unwahrscheinlich, dass Fessenheim noch bis 2017, wie es Präsident Hollande eigentlich versprochen hatte, vom Netz genommen wird.

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller bei Hitradio Ohr.

Mehr zum Thema

Weitere Artikel aus der Kategorie: Nachrichten

22.03.2024
Nachrichten
Es ist eines der großen gesellschaftspolitischen Vorhaben der Ampel-Koalition - und jetzt am Ziel: Kiffen wird für Erwachsene in Grenzen erlaubt. Bei der Umsetzung gibt es aber noch offene Fragen.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.