Demonstration gegen Schwulenfeindlichkeit
Hat Freiburg ein Problem mit Homophobie? Die Teilnehmer der „Demo gegen Schwulenfeindlichkeit“ beklagen, dass Anfeindungen und körperliche Angriffe zunähmen. Über 700 Personen schlossen sich dem Protestzug an.
Die Stimmung war gedrückt, nicht nur wegen des starkes Regens. „Wir versammeln uns hier, weil wir zum Ausdruck bringen wollen, dass Schwule kein Freiwild sind“, sagte der Freiburger Stadtrat Walter Kröger (SPD), als er am Abend ans Mikro trat. Und fügte hinzu: „Homophobie gibt es immer noch. Aber Freiburg ist ein gutes Pflaster, um verrückten Vorstellungen die Stirn zu bieten.“
Über 700 Menschen hatten sich laut Polizeiangaben gegen 18 Uhr in der Innenstadt versammelt, um gegen Schwulenfeindlichkeit zu protestieren. In den vergangenen Monaten war es in Freiburg mehrfach zu Pöbeleien und körperlichen Übergriffen gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle gekommen. So wurde im April 2015 ein schwules Paar im „Bermudadreieck“ – der Partymeile im Herzen der Altstadt – krankenhausreif geschlagen. Dort kommt es am Wochenende immer wieder zu Schlägereien und Angriffen durch Betrunkene. Im Juli musste sich die Polizei den Vorwurf gefallen lassen, gezielt gegen Homosexuelle vorzugehen (siehe Infobox).
In der jüngsten Silvesternacht ereigneten sich gleich zwei Vorfälle: Vor einer Bar kam es zu einer Schlägerei, nachdem zwei Schwule als „Schwuchteln“ beschimpft und körperlich angegriffen wurden. Mehrere Stunden später griff ein Mann die stadtbekannte Dragqueen „Betty BBQ“ und ihren Begleiter an. Der Angreifer soll gerufen haben: „Scheiß schwule Transe, ich box dich weg!“
Dementsprechend laut fielen die Buhrufe aus, als die Demonstranten – inklusive Betty BBQ – vor der Bar anhielten, vor der sich die Silvester-Vorfälle ereignet haben sollen. Mit Trillerpfeifen verschafften sie sich Gehör, immer wieder ertönte der Ruf: „Homophobie ist keine Meinung“. Schließlich legte die Gruppe eine Schweigeminute für die Opfer von Schwulenfeindlichkeit ein, bevor alle zurück Richtung Stadttheater marschierten. Vor der Universität endete die Veranstaltung schließlich mit einem öffentlichen „Kiss-in“.
Im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse beschreibt Demo-Organisator Ireneus Frost, warum er Schwulenfeindlichkeit für ein zunehmendes Problem hält: „Allein in meinem Bekanntenkreis wurden in den letzten Monaten sechs Leute angegriffen.“ Er selbst sei auch schon angepöbelt worden. „Tagsüber passiert eher weniger, aber nachts nehmen die Übergriffe stark zu“, so Frost. Die Entwicklung sei „erschreckend“.
Die Freiburger Polizei sieht das ein wenig anders. Pressesprecherin Laura Riske spricht von Einzelfällen. Genaue Zahlen, wie viele Übergriffe es in der Vergangenheit auf Homosexuelle gegeben hat, kann sie nicht nennen. „Wir führen keine Statistik über die geschlechtliche Gesinnung“, so Riske. Eine Kategorie für Hass-Verbrechen wie etwa in den USA gibt es in Deutschland nicht. Wenn jemand also aus Homophobie angegriffen wird, fließt das als „normale“ Körperverletzung in die Statistik ein – es sei denn, das Opfer weist selbst auf die vermutete Schwulenfeindlichkeit hin.
In Bezug auf die Silvesternacht ist es nach Polizeiangaben bisher nicht zu Festnahmen gekommen. „Die Ermittlungen laufen noch“, so Riske. Zwar könne sie aus ermittlungstaktischen Gründen keine Einzelheiten nennen. Aber: „Uns liegen mehrere Handyfotos vor, auf denen die Tatverdächtigen zu sehen sind.“