»Machthaber verfolgen eigene Interessen«
Wir sprachen mit Vize-Direktor Michael Windfuhr über die Bedeutung der Menschenrechte und wie Deutschland ihre Einhaltung durchsetzen kann. Das Deutsche Institut für Menschenrechte fördert nach eigenen Angaben neben der Menschenrechtsbildung vor allem die Umsetzung internationaler und europäischer Normen und Mechanismen des Menschenrechtsschutzes in Deutschland.
Herr Windfuhr, von Ländern wie der Ukraine, Syrien oder China ist dieser Tage immer wieder von Menschenrechtsverletzungen zu lesen. Welche Bedeutung haben Menschenrechte heutzutage, angesichts solcher Zustände?
Michael Windfuhr: Die Menschenrechte haben seit der Nachkriegsordnung eine zentrale Bedeutung. 1948 sind sie als Antwort auf die Zeit der Nationalsozialisten in Deutschland verankert worden und fordern einen Anspruch, der erfüllt werden muss. Nur durch ihre Erlassung werden sie aber nicht automatisch zur Realität. Sie komplett umzusetzen ist schwierig, weil beispielsweise in Diktaturen Menschen an der Macht stehen, die eigene Interessen verfolgen.
Welche Mittel kann Deutschland denn einsetzen, wenn es zu Menschenrechtsverletzungen kommt?
Windfuhr: Es beginnt schon bei eigenen Politikmaßnahmen. Durch hohe Agrarsubventionen fallen beispielsweise die Preise auf dem Weltmarkt, sodass für private Bauern kaum etwas übrig bleibt. Was aber Verstöße in anderen Ländern angeht, so ist eine sensible Außenpolitik gefragt. Man muss gut überlegen, welchen Hebel man in Gang setzt und ob Druck ausgelöst werden soll. Sinnvoller ist es, für die Umsetzung der Menschenrechte zu werben und das mit guten Handelsbeziehungen zu belohnen. Solche Methoden sind leichter als sofort Druck zu machen.
Was für Methoden sind das beispielsweise?
Windfuhr: Man kann den Ländern Handelsanreize bieten, wenn sie sich an bestimmte Menschenrechtsstandards halten. Ein besserer Zugang zu Krediten beispielsweise. Möglich ist auch die Einführung eines Gütesiegels bei Textilien, das für eingehaltene Standards wirbt und so den Warenwert erhöht.
Und was, wenn es dennoch zu Verstößen kommt?
Windfuhr: Klassischerweise wird dann der Handel begrenzt. So geschehen in Russland beim Ukraine-Konflikt. Da gibt es eine Vielzahl an Sanktionsmöglichkeiten, die aber nur bei sehr schweren Verletzungen eingesetzt werden. Sanktionen können die Chancen auf konfliktlösende Gespräche verschlechtern. Außerdem geht es den Menschen vor Ort dadurch erst mal auch nicht besser. Die Politik muss vorsichtig agieren und zugleich konsequent bleiben. Denn Sanktionen machen nur langfristig Sinn.
Häufig sprechen deutsche Politiker das Thema Menschenrechtsverletzung bei ihren Auslandsbesuchen vor Ort nur hinter verschlossenen Türen an. Wäre eine öffentliche Debatte nicht sinnvoller?
Windfuhr: Die Balance zu halten zwischen Transparenz und Druck machen, ist heikel. Es ist eine Frage von diplomatischem Geschick, einerseits Zeichen zu setzen und andererseits in vertraulichen Gesprächen die Dinge anzusprechen. Manche Länder reagieren sehr unerfreut über öffentliche Diskussionen. Dann ist es weise, bestimmte Fälle von Menschenrechtsverletzung nicht direkt anzusprechen.
Sehen Sie da auch die Rüstungsindustrie in der Verantwortung? Die schieben das ja stets auf die Politik…
Windfuhr: Dort, wo es Konflikte gibt, herrscht auch eine große Nachfrage für Waffen. Ich finde es daher sinnvoll, diese Frage nach dem demokratischen Prinzip durch die Politik zu lösen. Die Rüstungsindus-trie kann nur schwer entscheiden, ob und wie Menschenrechte verletzt werden. Hier ist Transparenz wichtig, damit die betroffenen Landesregierungen sich damit auseinandersetzen müssen und eine öffentliche Debatte geführt wird. Eine solche Debatte hilft wiederrum unseren Ministern dabei, das Thema Menschenrechte in den einzelnen Ländern anzusprechen.
Täuscht der Eindruck oder nehmen Menschenrechtsverletzungen wieder zu?
Windfuhr: Konflikte in unfreien Staaten haben zugenommen. Da gibt es Regionen, die die Regierung dort nicht mehr unter Kontrolle hat, wo bewaffnete Gruppierungen die Übermacht haben. Da stehen natürlich Tür und Tor offen für Menschenrechtsverletzungen. Nigeria ist so ein Fall gerade. Solche Zustände bringen dann natürlich auch mehr Flüchtlinge nach Europa.