Thema: Bodycam
Dossier: 

Mehr Transparenz und mehr Sicherheit

Friedemann Diederichs
Lesezeit 4 Minuten
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09. Dezember 2014
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Alles im Blick: Polizist mit Bodycam

Während in Deutschland die Debatte um Body-Cams beherrscht wird von der Überlegung, wie Polizeibeamte vor Gewaltexzessen geschützt werden können, wird der Disput in den USA genau anders herum geführt: Wie kann die von Beamten ausgehende Brutalität  kontrolliert werden?

Das Video einer auf einen Spielplatz in Cleveland (US-Bundesstaat Ohio) gerichteten Überwachungskamera zeigt, dass der weiße Polizist, der an jenem Samstag, dem 22. November, den 12-jährigen Farbigen Tamir Rice mit zwei Bauchschüssen aus nächster Nähe tötete, dem mit einer Spielzeugpistole hantierenden Jungen keine Chance zur Aufgabe einräumte. Eineinhalb bis maximal zwei Sekunden vergehen zwischen dem Stopp des Streifenwagens und dem Moment, als der Junge getroffen zu Boden sinkt.
Ein Vorgehen, mit dem der mittlerweile suspendierte Beamte – ein Neuling im ersten Dienstjahr – vermutlich gleich gegen mehrere Dienstvorschriften verstieß. Clevelands Polizeichef Ed Tomba, der das Video später für die Öffentlichkeit freigab, will nun die sich aufdrängenden Fragen in einer internen Untersuchung klären lassen.
Der Tod des Jungen in Cleveland hatte zu landesweiten und ausufernden Protesten geführt. Die Demonstranten trugen Plakate mit Aufschriften, die übersetzt zum Beispiel lauteten »Schießt nicht« und »Wir wollen keine Tötungen durch die Polizei mehr«.
Der Tod des spielenden Tamir und die Tragödie von Ferguson, die mit den Schüssen des weißen Polizisten Darren Wilson auf den schwarzen Teenager Michael Brown eskalierte, haben auch die Debatte um sogenannte »Body Cameras« – neudeutsch: Body-Cam –  belebt.
Denn oft fehlen, wenn es um die Zulässigkeit von Polizeieinsätzen geht, neutrale Beweise. Die intensive Debatte um die Kernfrage, ob der unter Drogeneinfluss stehende Michael Brown drohend auf den Beamten zuging, wäre durch das Tragen einer dieser Mini-Kameras vermieden worden – zumal Augenzeugen notorisch unzuverlässig sein können und im Fall des erschossenen Teenagers in Ferguson teilweise auch Aussagen erfanden.
In fast 4000 Polizeidirektionen quer durch die USA sind mittlerweile Polizisten mit Body-Cams ausgerüstet worden, die sie am Hemd, Kragen, auf der Schulter oder an einer Brille tragen. Es ist eine Entwicklung, die die »New York Times« kürzlich als »Erdbeben« mit Blick auf die zukünftige Ausrüstung von Streifenbeamten bezeichnete.
Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) begrüßte ausdrücklich diesen Trend: Diese Dokumentation der Polizeiaktivitäten sorge für eine weitere »Schutzschicht« sowohl für Beamte als auch für die Öffentlichkeit. Widerstand gibt es hingegen bei US-amerikanischen Polizeigewerkschaften: Dort fürchtet man, dass Vorgesetzte die gespeicherten Videos für die Bewertung von Beamten benutzen – oder dass auch private Konversationen von Polizisten nun dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.
Aber auch gesetzliche Vorschriften bereiten noch Kopfschmerzen. Im Bundestaat Oregeon müssen beispielsweise Bürger darüber informiert werden, dass man sie auf Video aufnimmt. »Müssen wir denn nun jedem Kriminellen erst einmal zurufen, dass er gefilmt wird?«, schimpfte Polizeisprecher Peter Simpson aus Portland über die noch ungeklärte Frage für künftige Dienstanweisungen.
In New York, wo bereits 60 Cops in einem Pilotprojekt die Kameras am Körper tragen, gibt es hingegen eine Informationspflicht. Die Kameras werden vor allem in Kriminalitäts-Schwerpunkten getragen, wo es oft zu Konfrontationen der Ordnungsmacht mit Verdächtigen kommt. Dazu zählt neben Brooklyn und der Bronx auch das 120. Revier auf Staten Island, deren Beamte am 17. Juli diesen Jahres traurige Berühmtheit erlangten.
Drei von ihnen rangen einen unbewaffneten Schwarzen, der unversteuerte Zigaretten anbot, an einer Strassenecke zu Boden. Einer der Cops drückte dem Mann dann solange die Luft ab, bis er starb. Die New Yorker Staatsanwaltschaft ermittelt noch, ob und wie der Polizist zur Rechenschaft gezogen werden soll. Das wichtigste Beweismittel für die Staatsanwaltschaft: das Handy-Video eines Unbeteiligten.
Ohne diese Aufnahme wäre es vermutlich gar nicht zu Ermittlungen gekommen. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, ein Demokrat, begrüßte deshalb kürzlich ausdrücklich die Polizei-Initiativen im »Big Apple«: Es werde für mehr Transparenz und Sicherheit aller Beteiligten gesorgt.

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