Prozess nach Endingen-Tat

Nach Mord an einer Joggerin bekommt der Täter ein Gesicht

dpa
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22. November 2017
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Der Prozess um den Mord an einer Joggerin in Endingen bei Freiburg beginnt zwar mit dem Geständnis des Angeklagten. Doch der Mann soll zuvor auch in Österreich gemordet haben. Und dazu sagt er nichts.

Seit dem Mord an der Joggerin in Endingen bei Freiburg hat Catalin C. zur Tat geschwiegen. Erst zum Prozessauftakt am Mittwoch bricht er sein Schweigen. Der Familienvater und Berufskraftfahrer aus Rumänien legt vor dem Landgericht Freiburg ein Geständnis ab. In dem Strafprozess sitzt der 40-Jährige den Eltern, dem Bruder und dem Ehemann der Ermordeten direkt gegenüber. Und äußert sich erstmals zu dem Verbrechen, das Ermittler als besonders grausam bezeichnen. Beim Angeklagten, da sind sich Polizei und Staatsanwalt sicher, handelt es sich um einen Mehrfachmörder.

Catalin C. betritt in Handschellen und schwer bewacht den Gerichtssaal. Ein schmächtiger Mann, der nach unten schaut und Blickkontakt vermeidet. Als er von der Vorsitzenden Richterin Eva Kleine-Cosack angesprochen wird, lässt er seinen Anwalt Klaus Malek eine persönliche Erklärung verlesen. Es ist das Geständnis des Angeklagten, diktiert vor wenigen Tagen im Gefängnis. Fragen will er nicht beantworten. Das macht Catalin C., der im Prozess einen Dolmetscher braucht, auf Nachfrage der Richterin deutlich.

Ähnliche Tat, dieselben Spuren

Vorgeworfen werden dem Mann Mord und besonders schwere Vergewaltigung. Er soll die junge Frau vor rund einem Jahr in Endingen in einem kleinen Waldstück in den Weinbergen getötet und vergewaltigt haben. Zudem wird ihm der Mord an einer 20 Jahre alten französischen Austausch-Studentin aus Lyon im Januar 2014 im rund 400 Kilometer von Endingen entfernten Kufstein in Österreich zur Last gelegt. An beiden Tatorten waren Spuren von ihm gefunden worden. Beide Taten ähneln sich, sagt die Polizei.

»Mein Leben in den letzten Jahren war deprimierend«, lässt Catalin C. erklären. »Gelebt und gewohnt habe ich im Lastwagen.« Der Berufskraftfahrer und Familienvater, dessen Frau und Kinder in seiner Heimat Rumänien leben, hielt sich zuletzt allein in der Nähe von Freiburg auf, arbeitete dort bei einer Spedition. Dem psychiatrischen Gutachter sagte er, er habe in der Zeit vor der Tat viel getrunken - ein bis zwei Flaschen Wein pro Tag.

An einem regnerischen Sonntagnachmittag Anfang November vergangenen Jahres, so gesteht er, war er in den Weinbergen des 9000 Einwohner zählenden Ortes Endingen, als die 27 Jahre alte Joggerin seinen Weg kreuzte. Sie war alleine unterwegs, drei Kilometer ihrer Laufstrecke hatte sie bereits hinter sich. Täter und Opfer kannten sich nicht. Ihre Leiche wurde erst Tage später gefunden.

Mehrere wuchtige Schläge auf das Opfer

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Vor der Tat habe er Alkohol getrunken, erklärt Catalin C., was seine Schuld nicht mindere. »Ich bin fassungslos über das, was geschehen ist.« Erklären könne er sich die Tat bis heute nicht. »In mir war Aggression, aber kein sexuelles Verlangen.« Er habe die Frau mit einer Schnapsflasche geschlagen. Weiter habe er keine Erinnerung.

Die Liste der Grausamkeiten listet in der Anklage Oberstaatsanwalt Tomas Orschitt auf. Der Mann habe die wehrlose Frau von dem Weg 70 Meter in ein abschüssiges Waldstück hinunter geschleift, an einen Ort, der vom Weg aus nicht einsehbar war. Dort habe er die Frau vergewaltigt und mit mehreren wuchtigen Schlägen getötet.

»Der Angeklagte handelte in der Absicht, eine spätere Identifizierung durch das Opfer zu verhindern«, sagt der Staatsanwalt. Einen Schuh von der Frau versteckte er demnach in der Nähe in einem Weinberg, ihr Handy nahm er mit und zerstörte es. Orschitt will neben einer lebenslangen Haftstrafe eine anschließende Sicherungsverwahrung erreichen, wie er sagt. Festgenommen worden war Catalin. C. im Juni diesen Jahres - und damit rund sieben Wochen nach dem Mord an der Joggerin - an seinem Arbeitsplatz, einer Spedition in Endingen.

Angeklagter zeigte kaum Emotionen

Im Gefängnis traf Catalin C. den psychiatrischen Gutachter Peter Winkler. Dieser zeichnet das Bild eines Mannes, der wenig sozialen Kontakt suchte - weder zu Arbeitskollegen, noch zu seinen Geschwistern. Allein seine Frau und Kinder in Rumänien seien ihm wichtig gewesen. »Bei diesem Thema hatte er Tränen in den Augen.« Auf die Mordfälle angesprochen, habe er kaum Emotion gezeigt, habe »wie durch eine Glasscheibe kommuniziert«. Den Mord in Österreich erwähnt Catalin C. in seiner Erklärung vor Gericht mit keinem Wort - und auch nicht den Messerangriff 2005 auf eine Prostituierte in Rumänien, der Ermittlungen nach sich zog. Diese wurden aber wieder eingestellt.

»Es ist wichtig zu wissen, wer der Täter ist«, sagt der Anwalt der Eltern der Ermordeten, Peter Oberholzner. »Bislang war das ein schwarzes Loch. Jetzt hat man ein Gesicht dazu.« Und weiter: »Dass er ein Geständnis abgelegt hat und klar wird, was genau passiert ist, hilft die Tat zu verarbeiten - gerade weil viele Gerüchte kursieren und immer wieder in Gesprächen aufkommen.« Dass der Angeklagte Erinnerungslücken habe, glaube er nicht. »Deshalb ist die Entschuldigung auch nur halbherzig«. Dieser Einschätzung folgt später der Staatsanwalt.

Zweiter Prozess wäre in Österreich

Der Prozess wird fortgesetzt. Ein Urteil will das Gericht Ende Dezember sprechen. Danach prüft die Justiz in Österreich das weitere Vorgehen. Für einen zweiten Prozess, dann in Österreich, würde Deutschland den Mann an das Nachbarland ausliefern. Das Freiburger Urteil müsse aber erst rechtskräftig sein, sagt ein Justizsprecher.

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