THEMA DES TAGES: Das Fernsehen der Zukunft

Netflix – nur einer von vielen Video-Diensten?

Steve Przybilla
Lesezeit 4 Minuten
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25. September 2014
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©Netflix

Am 16. September ist der amerikanische Videodienst Netflix auf den deutschen Markt gekommen. Das Internetportal verspricht hochkarätige Filme und Serien für einen monatlichen Pauschalpreis. Das setzt deutsche Portale wie Maxdome unter Zugzwang – genau wie die klassische Fernsehwelt.

Dass Menschen bequem sind, war fürs Fernsehen schon immer von Vorteil. Hinsetzen, Füße hoch – los geht’s. Und das Ganze bitte in HD-Qualität. Dieser Anspruch führt dazu, dass die Branche der Bewegtbilder regelmäßig umgekrempelt wird. Wer braucht noch eine Videothek, wenn dieselben Filme per Internet ins Wohnzimmer kommen? Wozu um 20 Uhr die Tagesschau einschalten, wenn die Sendung rund um die Uhr verfügbar ist? Kurz gesagt: Die Fernsehlandschaft befindet sich im Umbruch. Alle möchten ein Stück von jenen 240 Minuten abhaben, die jeder Deutsche am Tag vor der Glotze verbringt. Bisher konkurrierten vor allem öffentlich-rechtliche und private Sender, Pay-TV-Anbieter und Videotheken miteinander.

Seit etwa zwei Jahren gewinnen legale Internetportale an Bedeutung. Dort kann man schauen, worauf man gerade Lust hat – wie in einer Videothek, aber für Vielseher durchaus billiger. Denn statt Einzelgebühren wird eine monatliche Pauschale fällig.

In Deutschland sind schon mehrere solcher Dienste aktiv. Betrieben werden sie sowohl von Mediengruppen (Maxdome) als auch Pay-TV-Anbietern (Sky Snap) oder Internetkonzernen (Amazon Instant Video). Seit dem 16. September ist nun ein weiterer Anbieter dabei: der amerikanische Marktführer Netflix. In den USA zählt Netflix bereits über 35 Millionen Abonnenten.

Mit selbst produzierten Serien wie der Politsatire »House of Cards« setzte die Online-Videothek neue Maßstäbe – und das etablierte Kabelfernsehen stark unter Druck. Offiziell macht sich in der hiesigen Branche deswegen niemand Sorgen.

Jasmin Mittenzwei, Sprecherin der Pro7Sat1-Gruppe, sagt: »Wir sehen dem Eintritt von Wettbewerbern aus dem Ausland gelassen entgegen.« Die Sendergruppe Pro7Sat1 betreibt hierzulande das Portal Maxdome, weshalb man auf die »Marketingpower der TV-Sender zurückgreifen« könne. Andere werden deutlicher: »Wir glauben, dass Netflix unser Hauptkonkurrent wird«, sagte Watchever-Chef Stefan Schulz kürzlich in einem Interview mit dem Münchner Merkur.

Welche Filme wo abrufbar sind, variiert stark, und kaum ein Händler hat alles im Angebot. So zeigen zwar fast alle Dienste die Serie Breaking Bad, in der sich ein krebskranker Chemielehrer zum Drogenboss wandelt. Wer aber die CIA-Serie »Homeland« sehen möchte, muss zu Amazon ausweichen, während »Game of Thrones« nur bei Sky läuft. Paradoxerweise hat Netflix auch deutsche Krimiserien im Programm, die normalerweise im öffentlich-rechtlichen Fernsehen laufen. Wer »Mord mit Aussicht« bei Netflix schaut, bezahlt dafür also doppelt: einmal die normale Rundfunkgebühr und zusätzlich das Netflix-Abo.

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Vom Inhalt her können die Onlinedienste mit einer klassischen Videothek noch nicht ganz mithalten. Filme, die vor Kurzem im Kino liefen, findet man so gut wie gar nicht. Die jüngsten Steifen bei Netflix stammen aus dem Jahr 2011 – der Rest sind alte Schinken wie »Tomb Raider«, »Mr. & Mrs. Smith« oder »Minority Report«.

Aber: Dadurch, dass die Onlinedienste das Nutzungsverhalten ihrer Kunden fortwährend auswerten, können sie sich allmählich auf deren Vorlieben einstellen. »Wir haben heute vielleicht halb so viel Inhalte im Angebot, wie wir in einem Jahr haben werden«, sagte Netflix-Programmchef Ted Sarandos folglich bei der Präsentation der deutschen Seite.

Doch das kann dauern. Wer hier und jetzt auf möglichst viele aktuelle Blockbuster zugreifen möchte, müsste gleich mehrere Dienste abonnieren. Von der gepriesenen Bequemlichkeit ist dann nicht mehr viel übrig. Gleiches gilt für mögliche technische Hürden. Zum einen verändert sich der Bestand laufend – ein Nutzer »besitzt« also nie einen Film –, zum anderen muss ein schneller Internetanschluss vorhanden sein.

»Was den Breitbandausbau angeht, hängt Deutschland aber technisch noch etwas hinterher«, sagt Roland Bless, Internetexperte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Daher könne man Videos zwar fast überall in normaler Qualität empfangen. Wer allerdings die höhere HD-Auflösung sehen möchte, mit der viele Portale werben, brauche mindestens einen Internetanschluss mit sechs Megabit pro Sekunde. Das ist, wie der Breitband-Atlas der Bundesregierung zeigt, auch in Baden-Württemberg noch nicht überall der Fall.

unkten können die Online-Videotheken mit englischsprachigen Titeln. Wer Serien und Filme gerne im Original sieht, hat dort eine große Auswahl. Doch auch in dieser Kategorie gibt es große Unterschiede: Während Watchever und Netflix und Snap nach eigenen Angaben fast alle fremdsprachigen Titel auch im Original vorhalten, ist die Auswahl bei Amazon und Maxdome kleiner – genaue Zahlen nennen die Konzerne nicht. Gemeinsam ist allen Anbietern der Verzicht auf Werbung: Anders als im Fernsehen gibt es keine lästige Unterbrechungen. Ob sich das Videostreaming in Deutschland durchsetzt, hängt nicht zuletzt von der Fernsehkonkurrenz ab.

Die Online-Mediatheken, die inzwischen alle namhaften Sender eingeführt haben, sind ein erster Schritt. Ganz aussterben dürfte die klassische Glotze aber wohl nie: Selbst in der Netflix-Heimat USA ist das Fernsehen trotz aller Befürchtungen noch ziemlich lebendig.

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25.09.2014
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