Interview mit Singlebörsen-Experte
Dossier: 

»Online-Dating ist langweilig«

Christian Schellenberger
Lesezeit 6 Minuten
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15. August 2014
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Henning Wiechers. ©Privat

Warum Singlebörsen im Netz eigentlich langweilig sind, verrät Experte Henning Wiechers im Interview mit der Mittelbadischen Presse.

Herr Wiechers, wofür brauchen wir überhaupt Online-Dating? Lernt man sich denn nicht mehr im Freundeskreis oder auf der Arbeit kennen?
Henning Wiechers: Online-Dating hat insofern seine Daseinsberechtigung, weil sich die Gesellschaft gewandelt hat. Früher war man mit 25 verheiratet bis an sein Lebensende oder eben nicht. Heute gibt es auf dem »zweiten Heiratsmarkt« ab 30 Jahren einen riesengroßen Bedarf. Für die, die es verpennt haben, zu heiraten. Oder für all die, die geschieden sind. Die klassischen Kennenlernplätze für Jüngere, etwa die Disco oder der Urlaub mit Single-Freunden, kommen da oft nicht mehr in Frage.

Haben  sich die Menschen in den Singlebörsen in den vergangenen Jahren verändert?
Wiechers: Heute treffen sie sich schneller, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Damals hat man oft ein halbes Jahr gechattet und Erwartungen aufgebaut, die nicht selten enttäuscht wurden. Die Menschen haben gelernt, dass die Online-Portale nur dazu taugen, Kontakt aufzunehmen – alles andere ergibt sich bei einem Treffen.

Es gibt über 2000 Singlebörsen im Internet. Wie findet man denn da die Richtige für sich?
Wiechers: Das Wichtigste ist, zu wissen, dass die allermeisten davon nichts taugen. Mehr als 1500 davon sind nämlich mehr als scheintot – es ist einfach kaum jemand dort aktiv. Oder der nächste Kontaktvorschlag wohnt 274 Kilometer entfernt. Es bleiben also nur wenige Singlebörsen übrig, in denen ein wenig Leben herrscht. Bei den seriösen Angeboten muss dann jeder das Passende für sich finden. Da hilft nur ausprobieren. Viele Singlebörsen bieten zum Glück einen kostenlosen Zugang an.

Der hat aber seine Grenzen.
Wiechers: Ja, wenn man eine Nachricht schreiben will, muss man in der Regel bezahlen. Das hat aber auch einen Vorteil: Die Benutzer sind identifizierbar. So ist man beispielsweise gegen Missbrauch, Liebesbetrüger oder im extremen Fall Vergewaltiger besser geschützt. Außerdem gilt: Wer für eine Singlebörse bezahlt, sucht ernsthaft einen Partner.

Es gibt auch Fallen beim Online-Dating. Worauf sollte man achten?
Wiechers: Richtig. Da werden zum Beispiel Fakes reingestellt...

... gefälschte Profile, hinter denen sich jemand ganz anderes verbirgt ...
Wiechers: ...zum Beispiel um hohe Nutzerzahlen vorzugaukeln. Die Betreiber dieser Börsen kaufen CDs mit schönen Bildern von Menschen, dann suchen sie sich im Internet Vornamen zusammen –  und fertig ist das falsche Profil. Das ist für den normalen Nutzer schon etwas schwieriger zu erkennen.

Welche Maschen gibt es noch?
Wiechers: Was es ganz oft gibt, sind so genannte »Romance Scammer«. Überwiegend werden dabei Frauen angeschrieben, meist auf Englisch. Nach einiger Zeit wollen sie dann, auf eine schön verpackte Art und Weise, an das Geld der Damen. Da ist etwa von Krankheit die Rede oder dass bei einem Überfall das Geld gestohlen wurde. Deshalb sollte man Nachrichten auf Englisch oder in denen es um Geld geht, sofort löschen.

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Die Betreiber von Dating-Portalen setzen aber auch professionelle Animateure ein.
Wiechers: Richtig, es gibt ein paar Schwarze Schafe, die sich dieser Praxis bedienen. Die Internet-Kontaktmarkt-Schreiber sollen die Benutzer dazu animieren, kostenpflichtige Mitgliedschaften abzuschließen. Die spielen Nutzern vor, persönlich an ihnen interessiert zu sein. Weil man für das Beantworten von Nachrichten üblicherweise bezahlen muss, lohnt sich das für die Anbieter. Diese Art von Animation ist allerdings ziemlich penetrant und damit relativ einfach zu erkennen. Wenn sich etwa Metzgermeister Günter, 57 Jahre, leicht übergewichtig, anmeldet und dann kommt sofort eine Chat-Anfrage von »HeißeTanja21«, Studentin,  sollte der sich fragen, ob das realistischerweise sein kann. Daran kann man diese Animateure meist erkennen.

Was sollte man beachten, wenn man sich mit jemandem aus einer Singlebörse treffen möchte?
Wiechers: Obwohl man als Kind von Mama beigebracht bekommt, nicht mit Fremden zu reden und Schokolade von ihnen zu nehmen, treffen sich viele Frauen gleich zum ersten Date bei dem Herren in der Wohnung. Er hatte ja geschrieben, er würde so lecker kochen. Das ist natürlich Wahnsinn.

Haben Sie denn ein paar Tipps, wie es mit dem Online-Dating klappen kann?
Wiechers: Eines ist klar: Eine Singlebörse kann keine Wunder vollbringen. Letztlich trifft man sich ja irgendwann und dann ist sowieso alles wie immer. Den Teil des Kennenlernens im Internet kann man aber trainieren. Man muss es ausprobieren – wie stelle ich mich richtig dar, welche Börse passt zu mir? Man kann bei den anderen Mitgliedern schauen, wie die das so machen. Oder Sie legen sich mehrere Zugänge an, mit unterschiedlichen Fotos und verschiedenen Anschreiben. Was man auf jeden Fall vermeiden sollte, sind Rechtschreibfehler. Die Texte sollten auch nicht zu einfach gestrickt sein, das fällt Männern oft schwer. Und mit Authentizität punktet man immer, denn nirgends sonst haben Lügen so dermaßen kurze Beine wie beim Online-Dating.

Was tut sich denn gerade auf dem Markt der Online-Singlebörsen?
Wiechers: Generell hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht viel getan. Online-Dating ist im Grunde so langweilig wie Online-Banking. Zwar haben alle großen Anbieter mittlerweile auch Programme fürs Handy. Am Prinzip hat sich aber nicht viel geändert, außer dass man seine Nachrichten nun auch unterwegs lesen kann. Einige der gerade populären Portale haben ihre Mobile-Programme dafür genutzt, schnell richtig groß zu werden. Kostenlose Werbung also.

Am Handy kann man aber sehen, wer gerade in der Nähe ist. Ist das kein Vorteil?
Wiechers: Bei unseren Tests haben wir gemerkt, dass das kaum etwas bringt. Stellen Sie sich vor, ich sitze abends im Wohnzimmer und schaue, wer in der Nähe ist. Einen Tag später ist das doch genauso. Das ist also mehr Spaß als eine sinnvolle Ergänzung.

Was müssten die Anbieter von Singlebörsen tun?
Wiechers: Die Nutzer wollen nicht ewig im Internet schreiben, nur um dann festzustellen, dass der Gegenüber in echt gar nicht so toll ist. Sie müssten also ihren Kunden schneller zu einem Treffen verhelfen und ihm vorher schon ein möglichst genaues Bild vom Chatpartner vermitteln.

 

LESEN SIE MORGEN IN DER MITTELBADISCHEN PRESSE: ONLINE-DATING IM SELBSTVERSUCH.

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16.08.2014
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