Offenburg

Rezzo Schlauch: Ein Buch über die Geschichte der Grünen

Michael Hass
Lesezeit 3 Minuten
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18. November 2015

Rezzo Schlauch 2011 in Stuttgart bei einer Protestaktion gegen Atomkraft. ©dpa

Der Historiker Reinhold Weber und Rezzo Schlauch, Mitglied der Südwest-Grünen seit 1980 und zwei Jahrzehnte lang Landes- und Bundespolitiker, haben in einem Buch die ersten 35 Jahre der Grünen im Land skizziert. Am Montag stellten sie in Offenburg »Keine Angst vor der Macht« vor.

»Der Zeitzeuge ist der größte Feind des Historikers«, so Reinhold Weber, Professor am Seminar für Zeitgeschichte an der Uni Tübingen, bei der Buchvorstellung in der Offenburger Buchhandlung »Akzente« über das Problem, subjektiv gefärbte Erinnerungen kritisch zu würdigen und in ihren korrekten historischen Kontext zu setzen. Doch der Zeitzeuge sei unverzichtbar, »da er mehr weiß als das, was in den Akten steht«.

Es war keine klassische Lesung. Vielmehr erzählte Rezzo Schlauch von den Anfangsjahren bei den Grünen. Und zwar so, wie man ihn kennt. Ein bisschen bärbeißig, humorvoll und wild gestikulierend. Ein Schlüsselerlebnis war ein Disput zwischen dem FDP-Abgeordneten Ralf Dahrendorf und Rudi Dutschke, dem Wortführer der Studentenbewegung, 1971 beim FDP-Parteitag in Freiburg. »Dahrendorf war der einzige Politiker, der sich der Protestbewegung vor der Freiburger Stadthalle stellte und mit Rudi Dutschke ein Wortduell lieferte.« Die Szene, wie beide auf dem Autodach standen und sich mit Megaphonen einen verbalen Schlagabtausch lieferten, beeindruckte Rezzo Schlauch so sehr, dass er als Student der FDP immer wieder die Zweitstimme gab.

In den Anfangsjahren waren die Grünen sehr friedlich. Schlauch wurde ein Jahr nach Gründung der Partei im Jahr 1979 Mitglied. Als im März 1980 die Grünen bei ihrer ersten Landtagswahl in Baden-Württemberg über fünf Prozent erhielten, kannte die Freude keine Grenzen. Die Besonderheit der Landesgrünen ist, dass sie aus jahrelangen parteiinternen Auseinandersetzungen zwischen anthroposophischen, wertkonservativen,  ökopazifistischen Strömungen bis zu undogmatischen Linken gestärkt hervorgingen.

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Thomas Marwein ist im Mai 1984 den Grünen beigetreten. Der Offenburger Landtagsabgeordnete trug seine Sicht zur Parteientwicklung bei und weiß aus eigener Erfahrung: »Politik findet in den Kommunen statt.« Dass die Partei in den vergangenen 35 Jahren so erfolgreich war, liege daran, »dass Mitte der 1980er-Jahre von den 6500 Parteimitgliedern etwa 1000 ein kommunalpolitisches Mandat hatten«.

Die Basis der Partei bildete nicht der akademisch-intellektuelle Zirkel in den Städten, sondern der ländliche Raum. »Wir hatten keine Ahnung, wie man Wahlkampf macht und wie wir an die Menschen rankommen sollen, aber die Themen sind uns praktisch zugeliefert worden«, so Schlauch und erzählt, dass die Partei mit dem Thema »Waldsterben«   zu den Förstern gegangen sei. »Die Bauern und Förster waren allesamt CDU-Wähler. Mit denen haben wir Waldspaziergänge gemacht, eine Aktionsform, die uns mit Leuten zusammengebracht hat, die wir sonst niemals erreicht hätten.«

Von seiner Anlage her ist das Buch ein Experiment »Wissenschaftler trifft Zeitzeuge«. Auf der einen Seite der um Objektivität bemühte Historiker Reinhold Weber und auf der anderen Seite Zeitzeuge Rezzo Schlauch. Hinzu kommt der Leser. Denn für ihn geht es um Jahre, die er kennt. 235 Seiten Geschichte, die noch qualmt.

Stichwort

Das Buch

Rezzo Schlauch/Reinhold Weber: Keine Angst vor der Macht – Die Grünen in Baden-Württemberg. Emons-Verlag, Köln. 22,95 Euro.

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