Nachruf auf Helmut Kohl
Dossier: 

Schäuble: Helmut Kohl war ein großer Kanzler

Wolfgang Schäuble
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02. Juli 2017

(Bild 1/2) Helmut Kohl wird am Samstag in Speyer beigesetzt. ©dpa

Am Samstagmorgen wird der verstorbene Altkanzler Helmut Kohl mit einem europäischen Staatsakt in Straßburg geehrt. In der Mittelbadischen Presse blickt sein langjähriger Weggefährte Wolfgang Schäuble auf das außerordentliche Wirken Helmut Kohls für Deutschland und Europa zurück.

Die Bundesrepublik hat mit ihren Kanzlern zumeist Glück gehabt. Ganz gewiss gilt dies für Helmut Kohl. Seine Politik war maßvoll, integrierend, vertrauenswürdig und berechenbar. Unser Land ist über die fast zwei Jahrzehnte seiner Kanzlerschaft gut damit gefahren. Das Vertrauen in seine Person und in unser Land, das er in den Jahren vor 1989 in der Welt gewonnen hatte, hat die Wiedervereinigung erst möglich gemacht.

Die Chance zur deutschen Einheit hat Helmut Kohl so feinfühlig wie behutsam ergriffen und genutzt. Er tat keinen Schritt zu viel. Er hat sehr darauf geachtet, dass das politische Tempo niemanden überforderte – ohne dabei den historischen Moment zu verpassen. Er hat die französische Unterstützung der Wiedervereinigung erreicht, obwohl François Mitterrand – wie Margaret Thatcher – kein glühender Anhänger der deutschen Einheit war.

Die Deutschlandpolitik der Regierung Kohl in den achtziger Jahren hatte zur Destabilisierung der DDR und damit auch zur Entwicklung des Jahres 1989 beigetragen. Die Mauer durchlässig machen, möglichst viele Verbindungen schaffen, Beziehungen herstellen und aufrechterhalten, damit die Menschen einander begegnen konnten, und das alles gegen wirtschaftliche Beziehungen tauschen – das war die Strategie, für die ich damals als Chef des Kanzleramtes zuständig war.

Wir haben mit dem Honecker-Regime eine Ausweitung des Besucherverkehrs in einem Ausmaß erreicht, das für die DDR am Ende lebensbedrohlich wurde. Die Reisen in den Westen steigerten die Unzufriedenheit der DDR-Bürger mit ihrem Regime. Über sechs Millionen Menschen kamen jedes Jahr in die Bundesrepublik – das war für die DDR alles andere als systemerhaltend.

Hoffnungsträger

In Europa war Helmut Kohl eine ausgleichende, verbindende Kraft. Stets hat er gerade auch die kleineren EU-Länder berücksichtigt und eingebunden und sich in der Verantwortung gesehen, ihre Rolle und Bedeutung genauso wie die der größeren Länder zur Geltung zu bringen.

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Die Umwelt- und die Familienpolitik erfuhren mit Kohls Kanzlerschaft einen Schub

So groß Helmut Kohls Verdienste in der Deutschland-, Europa- und Außenpolitik sind – seine innen-, gesellschafts- und parteipolitischen Leistungen sind kaum geringer. Kohl war in den siebziger Jahren der Hoffnungsträger der Jungen in der Union. Er hat es geschafft, in seiner christdemokratischen Politik die gesellschaftlichen Umbrüche der sechziger Jahre weiter mitzutragen. Die Umwelt- und die Familienpolitik erfuhren mit Kohls Kanzlerschaft einen Schub: 1986 wurde das Bundesumweltministerium geschaffen und das Familienministerium um die Frauenpolitik ergänzt. Im selben Jahr trat das Gesetz zur Anerkennung von Erziehungsleistungen in der Rentenversicherung in Kraft.

Die stabilitäts- und wachstumsorientierte Finanz- und Wirtschaftspolitik der Regierung Kohl führte dazu, dass Deutschland in der Lage war, die Wiedervereinigung wirtschaftlich und finanzpolitisch zu meistern. Es bleibt eine Lehre, heute aktueller denn je: solide zu wirtschaften, damit man handlungsfähig ist, wenn die Aufgaben sich stellen.

 

Manche Kanzler mussten sich erst korrigieren, um bedeutend zu werden. Helmut Kohl war es vom Anfang bis zum Ende.

Bis zuletzt war die Politik Helmut Kohls auf der Höhe der Zeit. In die letzte Legislaturperiode seiner Kanzlerschaft fallen die Reformen auf dem Arbeitsmarkt, in der Gesundheitspolitik und in der Rentenpolitik, die trotz der von Oskar Lafontaine organisierten Blockade im Bundesrat bereits Konsequenzen aus der demographischen Entwicklung zogen – und die Gerhard Schröder dann zurückgenommen hat, um manches später doch wieder einzuführen und mit der Agenda 2010 fortzuführen. Manche Kanzler mussten sich erst korrigieren, um bedeutend zu werden. Helmut Kohl war es vom Anfang bis zum Ende.
 

Zur Person

Wolfgang Schäuble

Wolfgang Schäuble war in der Kanzlerschaft von Helmut Kohl (1982-1998) Kanzleramtsminister, Innenminister und Unions-
Fraktionsvorsitzender. Er gilt als der Architekt des Vertrages zur deutschen Einheit.

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