»Und dann streichelte er meine Wange«

(Bild 1/3) Gisela Anzlinger aus Offenburg hat als achtjähriges Mädchen am 5. Juli 1940 in Oppenau den Empfang Adolf Hitlers miterlebt und ihn mit Handschlag und Knicks begrüßt (das blonde Mädchen mit dem Blumenstrauß. ©Privat
Vor 75 Jahren entfaltete sich der Zweite Weltkrieg in Europa und brannte sich ins Gedächtnis der Menschen ein. Die Mittelbadische Presse blickte im vergangenen Herbst auf die wichtigsten Ereignisse des Krieges zurück und rief Zeitzeugen dazu auf, ihre Geschichten zu erzählen. Mit der Serie »Fundstücke – Zweiter Weltkrieg« kommen jeden Donnerstag Menschen zu Wort und lassen Geschichte lebendig werden. Heute erzählt Gisela Anzlinger aus Offenburg von ihrer Begegnung mit Adolf Hitler. Als achtjähriges Kind begrüßte sie Hitler 1940 in Oppenau mit Handschlag und Knicks – und schämt sich heute noch dafür. Unter
www.bo.de/fundstuecke lassen sich die Erinnerungen der Ortenauer an den Krieg nachlesen.
»Ich bin damals einfach unter das Absperrband geklettert, habe mich vor ihn hingestellt, ihm die Hand gegeben und einen Knicks gemacht. Und dann streichelte er meine Wange.« Gisela Anzlinger kann sich noch gut an Adolf Hitlers Aufenthalt am 5. Juli 1940 in ihrer Heimatstadt Oppenau erinnern.
Euphorie in Oppenau
Grund für Hitlers Kommen war der Besuch des Führerhauptquartiers »Tannenberg« an der Schwarzwaldhochstraße, Nähe der Alexanderschanze. Das Foto zeigt ein blondes Mädchen, das Adolf Hitler einen Blumenstrauß entgegenstreckt. Mit dabei in Oppenau: Propagandaminister Joseph Goebbels und Reichsführer der SS Heinrich Himmler. »An diesem Tag herrschte in Oppenau eine euphorische Stimmung«, erinnert sich die heute 83-Jährige noch genau und erzählt, dass Hitler wegen der Besichtigung des Führerhauptquartiers an der Schwarzwaldhochstraße nach Oppenau kam.
»Tannenberg« entstand während der Vorbereitungen des Frankreichfeldzuges am Rande einer Lichtung unweit der Gaststätte Alexanderschanze. Ausgeführt durch die »Organisation Todt« begannen die Bauarbeiten am 1. Oktober 1939. Die »Organisation Todt« war eine nach militärischem Vorbild organisierte Bautruppe unter der Leitung von Fritz Todt, Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen und Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Fritz Todt war nicht nur der Erbauer der deutschen Autobahnen sondern auch der Schwarzwaldhochstraße.
Bei dem Führerhauptquartier an der Alexanderschanze handelte es sich nicht um einen Neubau, sondern um den Ausbau und die Erweiterung einer schon vorhandenen Anlage des Westwalles. Ralf Bernd Herden beschreibt in seinem Aufsatz »Das Führerhauptquartier auf dem Kniebis«, erschienen in der »Ortenau« (2002), der Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden, mit welchem Kraftaufwand an der Schwarzwaldhochstraße eine Befestigungsanlage errichtet wurde. Bis zum 1. Juli 1940 entstanden neben den Zufahrtswegen zwei Bunker mit einer Gesamtnutzfläche von 275 Quadratmetern. Der eine Bunker sollte Hitler als Unterkunft dienen, im anderen war eine Fernmeldezentrale untergebracht.
Hitler hielt sich nur einmal im Führerhauptquartier Tannenberg auf, vom 27. Juni bis zum 5. Juli 1940, nach dem Sieg in Frankreich.
Hitler flog am 27. Juni mit einer Condor D-2600 nach Eutingen, wo die Maschine auf einem Feldflugplatz landete. Dort wurde er von der 1. Kompanie des »Führer-Begleit-Bataillons« erwartet und nach »Tannenberg« begleitet, wo er gegen 11.00 Uhr eintraf. Am 28. Juni besuchte Hitler das Elsass, um die Kampfstätten in den Vogesen zu besichtigen.
Besuch im Elsass
Hitlers Weg führte weiter über Schlettstadt, Colmar, Breisach, Waldkirch, Gutach und Wolfach zurück nach »Tannenberg«. Am 30. Juni 1940 fuhr Hitler nach Breisach und Mühlhausen, dort besichtigte er Werke der Maginot-Linie. In Freiburg bestieg er den Zug nach Oppenau und kehrte von dort mit dem Auto nach »Tannenberg« zurück. Am 1. Juli empfing Hitler den italienischen Botschafter Alfierie auf dem Kniebis. Aber auch Reichsstatthalter Baldur von Schirach und Propagandaminister Joseph Goebbels waren Gäste in »Tannenberg«
Am 5. Juli 1940 besuchte Hitler Verwundete in den Freudenstädter Lazaretten. Er fuhr mit dem Auto nach Freudenstadt, begleitet und gesichert von zwei Zügen des »Führer-Begleit-Bataillons«. Die Abreise vom Bahnhof Oppenau mit dem »Führersonderzug« war um 13.00 Uhr. Eine Gruppe von Arbeitsmädchen stand Spalier. Hunderte Oppenauer Bürger waren gekommen, um ihn zu verabschieden. Mittendrin: Gisela Anzlinger. Diese Szene lässt sie bis heute nicht los. »Als Kind hatte ich keine Vorstellung, was für ein Verbrecher mir gegenüberstand.«