Barmer pocht auf Kostendebatte bei Krebsmedikamenten
Die Krankenkassen stöhnen unter den explodierenden Kosten für Krebsmedikamente. Nach einer Untersuchung der Barmer sind die Ausgaben für onkologische Mittel in der ambulanten Versorgung seit 2011 um 41 Prozent gestiegen – doppelt so viel wie bei allen anderen Arzneien. Dabei rechtfertigt der Nutzen offenbar nicht immer den Preis.
Für die Betroffenen ist es ein Schock: Knapp 490 000 Menschen in Deutschland sind pro Jahr mit einer Krebs-Diagnose konfrontiert. Tendenz steigend. Durch neue Behandlungsmöglichkeiten können allerdings auch immer mehr Menschen mit der Erkrankung länger leben oder sogar geheilt werden. Der Preis dafür ist hoch. Bei den Kosten von 31 einschlägigen Medikamenten ist Deutschland laut Barmer international führend. Man wolle eine Debatte darüber führen, »ob einem sterbenskranken Krebspatienten eine Therapie aus Kostengründen verweigert werden sollte«, stellte Barmer-Chef Christoph Straub gestern bei der Vorstellung des Reports klar. Wohl aber brauche es eine Debatte, ob die Preise gerechtfertigt seien.
So lägen die Kosten für eine typische Chemotherapie in der ersten Phase mittlerweile häufig bei 100 000 Euro und mehr. Nach Darstellung des Studienautors Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken, ist die Behandlung mit neuen Krebsmitteln im Schnitt dreimal so teuer wie die bisherige Therapie.
»Orphan Drugs«
Ein Trend sei dabei, dass von den Herstellern für solche Mittel immer häufiger die Zulassung als sogenanntes »Orphan Drug« beantragt werde. Das sind Arzneien zur Behandlung seltener Leiden und daher auch nur für einen kleinen Patientenkreis. Nach den gesetzlichen Vorgaben braucht es für ihre Zulassung weniger Nachweise über den Nutzen als bei anderen Präparaten. Dahinter steckt die Absicht, innovative Mittel möglichst schnell auf den Markt zu bringen.
Eine weitere zweifelhafte Einnahmequelle für die Pharmaindustrie sieht der Mediziner in den Restmengen (Verwürfe), die bei Herstellung bestimmter Rezepturen anfallen. »Offenbar versuchen einige Pharmafirmen über Verwürfe ihren Gewinn zu maximieren, indem sie praxistaugliche Packungsgrößen mit Einzeldosierungen vom Markt nehmen und durch größere Packungen ersetzen.« Als Beispiel nannte Grandt den Arzneistoff Bortezomib, der in Ampullen zu 3,5 mg verkauft werde. Die im Schnitt benötigte Dosis liege aber nur bei 2,2 mg, so Grandt. Wegen der Haltbarkeitsdauer wird der Rest weggeworfen. Deshalb fordert man, die Verfügbarkeit praxistauglicher Einzeldosisstärken mit der Zulassung des Medikaments zu verknüpfen.
Der Verband der Pharma-Unternehmen (vfa) wies die Vorwürfe gestern naturgemäß zurück. Es gebe kein Kostenrisiko durch neue Krebsmedikamente, erklärte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer.