Gauland definiert die rote Linie bei der AfD
Die AfD hat keine Verbindung zu rechtsradikalen Kreisen. Das zumindest behauptet der Bundestags-Spitzenkandidat Alexander Gauland im Interview mit der Mittelbadischen Presse. Die AfD leide jedoch enorm unter den parteiinternen Querelen um den thüringischen Parteichef Björn Höcke.
Herr Gauland, die AfD liegt in Umfragen unter zehn Prozent. Vor einem Jahr sah das noch anders aus. Was läuft schief im Wahlkampf?
Alexander Gauland: Gar nichts. Im Gegenteil: Die Umfragewerte steigen wieder. Es gibt zwei Elemente, die den Rückgang in Umfragen bewirkt haben. Erstens kommen über die Balkanroute keine Flüchtlinge mehr zu uns. Damit fallen die eindrücklichen Fernsehbilder weg. Die Flüchtlinge kommen übers Mittelmeer, und da sind selten Kameras dabei. Und deshalb gibt es Menschen in Deutschland, die glauben, es ist nicht so schlimm. Zweitens spielen unsere internen Querelen eine Rolle, die in einer jungen Partei üblich und notwendig sind. Aber sie sind nicht zielführend, weil sie manchen Bürgern nicht gefallen.
Zu viel Streit in der AfD aus Ihrer Sicht?
Gauland: Wir haben einen Grundsatzstreit. Da geht es um das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke (Parteichef von Thüringen). Das Verfahren halte ich für falsch. Weil sich Mitglieder in allen Landesverbänden dazu äußern, entsteht eine nicht enden wollende Diskussion. Die Leute wollen, dass wir uns mit den Gegnern beschäftigen und nicht mit der Frage, wer zu uns gehört und wer nicht.
Sind Sie also gegen einen Ausschluss von Höcke?
Gauland: Ich habe deutlich gemacht, dass ich Parteiausschlussverfahren für ein völlig verfehltes Mittel halte. Man hätte über Höckes Rede in Dresden ein negatives Urteil fällen können, oder ihn gar abmahnen können. Ausschlussverfahren wollen die Mitglieder, Freunde und Förderer der Partei nicht. Die sagen zu Recht: Ihr müsst alle mitnehmen und dabei behalten. Das ist auch meine Meinung.
Beim Streit in der AfD geht es doch nicht nur um die Person Höckes. Die Führungscrew kann nicht miteinander. Sie und Frauke Petry sind sich nicht grün, oder täuscht der Eindruck?
Gauland: Theoretisch kann ich mit allen, ich habe kein Problem. Frauke Petry hat die Spitzenkandidatur mit mir abgelehnt. Ihre Gründe kenne ich nicht. Da müssen Sie Frau Petry selbst fragen. Dadurch entstand der Eindruck, den Sie gerade geschildert haben. Mit Jörg Meuthen habe ich überhaupt keine Probleme. Das gilt auch für alle anderen im Vorstand.
Jörg Meuthen hat vor Kurzem erklärt, er werde gegen Petry beim nächsten Bundesparteitag kandidieren. Nicht wirklich schlau, ein Thema aufzumachen, das nicht aktuell ist, oder?
Gauland: Ich habe ihm auch gesagt, dass es im Wahlkampf nicht hilfreich war. Aber es ist sein gutes Recht, zu kandidieren und zu sagen: Ja, ich bin der Meinung, Frauke Petry führt die Partei nicht gut, und ich kann das besser. Aber ob der Zeitpunkt dafür, sein gutes Recht anzumelden, günstig war, wage ich zu bezweifeln.
Wähler mögen keinen Streit in Parteien. Sie wollen genau wissen, was sie nach der Wahl von einer Partei bekommen, wenn sie denn nun in den Bundestag einzieht. Was bekommen Ihre Wähler von der AfD?
Gauland: Sie bekommen eine klare Oppositionspolitik gegen das, was im Bundestag gerade vorgeht. Sie bekommen echte oppositionelle Positionen. Sie bekommen nicht den Mischmasch des Alternativlosen, das die Kanzlerin gerne vorführt und bei dem alle gerne mitmachen – einschließlich der Grünen und der Linken. Wir werden den Bundestag als Resonanzboden für eine andere deutsche Politik nutzen.
Soll die Opposition auch ein Stück weit kons-truktiv sein oder doch eher fundamental?
Gauland: Fundamentalopposition gibt es gar nicht. Das ist eine Erfindung. Leider auch aus unseren eigenen Reihen. Opposition ist Opposition. Auch Frauke Petry ist nicht der Meinung, dass wir irgendeine Koalition eingehen sollten. Ich sehe keinen Unterschied zwischen Opposition und Fundamentalopposition.
Wenn die AfD in den Bundestag einzieht, wird der eine oder andere Parteikollege von ganz Rechtsaußen im Parteienspektrum kommen. Warum fällt es der AfD so schwer, sich vom rechten Rand abzugrenzen?
Gauland: Das fällt der AfD überhaupt nicht schwer. Die rote Linie in der AfD ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Wir vertreten das Grundgesetz und den Rechtsstaat. Das tut Björn Höcke auch. Und damit ist die Frage beantwortet. Höcke hat die rote Linie nie überschritten. Er hat Fehler gemacht. Das hat er zugegeben. Jeder macht Fehler. Auch mir sind schon welche unterlaufen. Es gibt in der AfD keine Rechtsaußen-Kraft.
Höcke soll bei einem NPD-Marsch 2010 dabei gewesen sein. Ihm werden Verbindungen zur rechtsradikalen Szene nachgesagt.
Gauland: Ich weiß nicht, was eine rechtsradikale Szene ist. Er hat keinerlei Verbindungen zur NPD oder anderen Organisationen. Das sind Phrasen. Was ist die »rechte Szene«?
Das was Sie beschreiben. Also NPD, Leute, die einen anderen Staat wollen.
Gauland: Wir haben keine Verbindungen zur NPD oder anderen Organisationen dieser Art. Wer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist, hat bei uns nichts zu suchen. Und Björn Höcke ist ein Anhänger dieser Grundordnung.
Lassen Sie uns bitte das Thema wechseln und zum Wahlprogramm der AfD kommen. Stichwort: Familie. Sie wollen die klassische Familie – Vater, Mutter, Kind – mehr fördern als aktuell. Wie stellen Sie sich das vor?
Gauland: Vorstellbar ist, das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting im Steuerrecht zu ersetzen. Mehr Kindergeld ist eine Option. In den Landtagen müssen wir uns um gebührenfreie Kitas bemühen. Uns geht es darum, Familien steuerlich und gebührentechnisch zu entlasten.
Hat die AfD etwas gegen Alleinerziehende?
Gauland: Nein, überhaupt nicht. Jeder soll sein Leben leben, wie er will. Das was ich eben gerade aufgeführt habe, gilt natürlich auch für Alleinerziehende.
Im Wahlprogramm wird der Status »Alleinerziehend« als »Notfall« betrachtet und als Ausdruck »eines Scheiterns eines Lebensentwurfs« bezeichnet. Die »vorbehaltlose Förderung Alleinerziehender« wird kritisiert. Soll für Alleinerziehende gekürzt werden?
Gauland: Ich kenne keinen Passus, in dem Leistungen für Alleinerziehende gekürzt werden sollen. Natürlich ist alleinerziehend oftmals ein Scheitern. Aus der Feststellung folgt für uns keine unterschiedliche Behandlung dieser Menschen.
Das habe ich etwas anders gelesen. Bei Scheidungen will die AfD künftig »schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität bei den Scheidungsfolgen« wieder berücksichtigen. Wie muss ich mir das vorstellen?
Gauland: Ich glaube, die Abschaffung des Schuldprinzips ist zu weit gegangen. Heute haben wir das Zerrüttungsprinzip. Nach der Schuld fragt niemand mehr. Aber es gibt schon Ungerechtigkeiten, die wir gerne korrigieren möchten. Beim Vermögensausgleich werden Frauen oft schlechter gestellt, obwohl sie schuldlos an der Scheidung sind. Aber da habe ich jetzt keinen Gesetzentwurf im Kopf.
Sie wollen die Partei der kleinen Leute sein. Wer ist das?
Gauland: Sie müssen nur in unsere Versammlungen kommen. Das sind Handwerker, Krankenschwestern und nicht Leute des wohlhabenden Mittelstandes. Die kleinen Leute werden durch die illegale Masseneinwanderung am meisten verlieren. Geld ist nicht unendlich da. Irgendwann werden die kleinen Leute die Zeche dafür bezahlen.
Wie wollen Sie den Leuten unter die Arme greifen?
Gauland: Wir haben deutlich gemacht, dass man entweder offene Grenzen oder einen Sozialstaat haben kann. Wir müssen die Masseneinwanderung beseitigen und die Menschen wieder abschieben. Wenn wir die Steuergelder retten, die dafür eingesetzt werden, haben wir den kleinen Leuten schon sehr geholfen.
Gibt es noch mehr Hilfe?
Gauland: Ich will jetzt nicht mit der Steuergesetzgebung kommen. Wichtig ist uns, die Einwanderung zu stoppen.